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Bürger-Distanz zum Bürgerentscheid

Frankfurter Plebiszit scheitert an geringer Beteiligung

Am 21. Juni 2015 lenkte der Bürgerentscheid über den Bau einer Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main die Aufmerksamkeit erneut auf die geringe Akzeptanz plebiszitärer Verfahren in der Bevölkerung. Trotz einer für kommunale Fragestellungen ungewöhnlichen bundesweiten Medienberichterstattung scheiterte der Bürgerentscheid an mangelnder Beteiligung: Nur 20,9 Prozent der dazu Berechtigten nahmen an der Abstimmung teil.

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Das erforderliche Quorum wurde damit klar verfehlt. Dieses Quorum verlangt in Hessen, dass nicht nur die Mehrheit der Abstimmenden, sondern auch 25 Prozent der Wahlberechtigten dem zur Abstimmung stehenden Vorschlag zustimmen müssen. Diese Hürde lag in Frankfurt a. M. bei 124.389 Stimmen. Die Gegner der DFB-Akademie erreichten nur die Hälfte davon, auch wenn das die Mehrheit der abgegebenen Stimmen war.

Mit der sehr niedrigen Wahlbeteiligung bestätigte Frankfurter Bürgerentscheid die immer wieder festzustellende große Distanz der Bürger zu plebiszitären Elementen. In den über 13.000 deutschen Gemeinden und kommunalen Gebietskörperschaften fanden in über 55 Jahren von 1956 – 2013 überhaupt nur 3.177 Bürgerentscheide statt. Die allermeisten Bürgerbegehren scheiterten schon wegen einer zu geringen Unterschriftenzahl am Ziel überhaupt einen Bürgerentscheid zu erreichen.

Durchschnittlich kommt es in einer selbstständigen deutschen Gemeinde nur ca. alle 30 Jahre zu einem aus der Bürgerschaft initiierten Bürgerentscheid. Dabei spielt die Gemeindegröße eine wichtige Rolle: Die Hälfte aller direktdemokratischen Verfahren fand in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern statt, nur zwölf Prozent in Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern.

Vor allem aber liegt die Beteiligung an Bürgerentscheiden durchschnittlich um ca. 25 Prozent unter der Beteiligung an der den jeweils letzten Kommunalwahlen in der jeweiligen Kommune. Die Bilanz des ersten Halbjahres 2015 bestätigt beide Feststellungen: Nur in acht über 13.000 kommunalen Gebietskörpetschaften fanden Bürgerbegehren überhaupt die notwendige Unterstützung, um Bürgerentscheide herbeizuführen. Dabei handelt es sich um drei Kleinstgemeinden mit 1.500 – 2.500 Einwohnern, drei Gemeinden mit 8.000 – 13.000 Einwohnern, einen Landkreis und die Stadt Frankfurt am Main.

Trotz der völlig unterschiedlichen Struktur ist diesen Gebietskörperschaften – mit einer Ausnahme - die auffällig niedrige Wahlbeteiligung gemeinsam. Sie liegt in sieben Fällen um 20 – 50 Prozent unter der Beteiligung bei jeweils letzten Kommunalwahl.

Kommunale Bürgerentscheide im 1. Halbjahr 2015

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Derart geringe Beteiligungen bringen die ernste Gefahr mit sich, dass solche Verfahren nicht den Willen einer demokratischen Mehrheit widerspiegeln. Deshalb ist auch denen entgegenzutreten, die wie der Lobbyverband „Mehr Demokratie“ immer wieder eine Absenkung von Quoren fordern, um auch den Bürgerentscheiden zum Erfolg zu verhelfen, an denen sich nur wenige Bürger beteiligen.

Dies würde die Dominanz kleiner gut organisierter Interessensgruppen auf Kosten des Gemeinwohls zementieren. Dass Bürger über Wahlen hinaus mit ihrer Meinung und ihrem Sachverstand die Vorschläge staatlicher Institutionen und Entscheidungen demokratischer Gremien auf den Prüfstand stellen und eigene Ideen einbringen, ist ein wichtiges demokratisches Grundrecht. Aber im Verständnis des Grundgesetzes leitet sich daraus aber kein Politikzwang ab. Die seit deren Einführung durchgängig auffallend geringe Beteiligung an direktdemokratischen Verfahren zeigt, dass die allermeisten Bürger ihr Recht auf politische Entscheidungsdelegation nicht gegen ein plebiszitäres System ständiger Politikbefassung eintauschen wollen.

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Sankt Augustin Deutschland