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kurzum

Staatsangehörigkeitsrecht im internationalen Vergleich

von Carolin Eschenfelder

It’s complicated!

Die Ampel möchte ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen, ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ zu schaffen. Kernpunkte sind die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft und die Verkürzung der für die Einbürgerung zu erfüllenden Fristen: Diese soll nunmehr nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderer Integrationsleistung bereits nach drei Jahren. Die Reformvorschläge für die Einbürgerung, um die es im Folgenden allein gehen wird, sind nur ein Teil der geplanten Gesetzespakete in Sachen Migration/Integration und strikt von Fragen zu Einwanderung zu trennen.

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Aktuelle Rechtslage

Die derzeit geltenden Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), darunter auch eine lange Liste an Voraussetzungen, die für eine Einbürgerung kumulativ vorliegen müssen (§10 I StAG). Unter anderem muss in der Regel acht Jahre rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorgewiesen werden. Bei besonders guter Integrationsleistung ist es möglich, die Frist auf bis zu sechs Jahre zu verkürzen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller seine bisherige Staatsbürgerschaft abgeben muss. Hintergrund dieser Bestimmung ist der in Deutschland geltende Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. So verlieren auch Deutsche, die eine andere Staatsangehörigkeit beantragen, in der Regel die deutsche Staatsbürgerschaft. Von diesem Prinzip gibt es einige Ausnahmen, wie etwa für EU-Staaten und die Schweiz.

Fristenregelungen im internationalen Vergleich

Mit einer Frist von sechs bis acht Jahren bewegt sich Deutschland im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld. In einer Reihe von Staaten, darunter Frankreich, Finnland, Luxemburg, die Niederlande, (noch) Schweden[1] und die USA, gilt eine Frist von fünf Jahren. Ansonsten variieren die Bestimmungen stark: Während in der Schweiz, Litauen und Spanien die Fristen mit zehn Jahren deutlich höher liegen, sind Irland und Kanada mit drei Jahren großzügiger. Dazwischen liegen Australien mit vier, Norwegen mit sieben und Dänemark mit neun Jahren. Italien sieht zehn Jahre vor, für EU-Bürger hingegen nur vier. 

Frist ist nicht gleich Frist

Beim Vergleich der Fristen ist Vorsicht geboten, da sich die Berechnung teils stark unterscheidet: Während in den USA und Kanada die Frist erst zu laufen beginnt, wenn man bereits permanent resident (Green Card) ist, muss man in Australien vier Jahre sesshaft und davon nur zwöf Monate permanent resident sein. In Deutschland zählt jeder rechtmäßige gewöhnliche Aufenthalt. Das entspricht dem Lebensmittelpunkt und gilt etwa auch bei befristetem Aufenthaltstitel. Das Schweizer Recht verlangt zehn Jahre Wohnsitz und sechs Jahre effektiven Aufenthalt. Während man in Luxemburg nur im letzten der insgesamt fünf Jahre ununterbrochen gelebt haben muss, verlangt Finnland das für den Gesamtzeitraum. Allein die absoluten Zahlen zu vergleichen, gibt also keinen Aufschluss darüber, ob ein Einwanderungsrecht liberal oder restriktiv ist, von den ohnehin irreführenden Begriffen modern oder veraltet ganz zu schweigen. Wie so häufig kommt es auch beim Staatsangehörigkeitsrecht auf eine Vielzahl ineinandergreifender Faktoren an.

Gesetzliche vs. tatsächliche Fristen

Die Durchschnittsaufenthaltsdauer bis zur Einbürgerung betrug in Deutschland 2020 15,2 Jahre[2] – also knapp doppelt so lange wie die Gesetzesfrist. Die Gründe können nur erahnt werden. Es ist indes davon auszugehen, dass auch die übrigen Einbürgerungsbedingungen Einfluss darauf haben, wie viel Zeit vor Erhalt des Passes tatsächlich verstreicht. Ob wie in Schweden ein 5-jähriger Aufenthalt ohne Einbürgerungs- und Sprachtest ausreicht, oder wie in Deutschland neben der Frist noch mindestens zehn weitere Bedingungen erfüllt sein müssen, hat naturgemäß Einfluss auf die tatsächliche Dauer des Prozesses. Die gesetzlich vorgegebene Frist isoliert als Argument zu verwenden, ist somit wenig zielführend.

Tendenz zu doppelter Staatsbürgerschaft

Im Großteil der europäischen Staaten sowie in Kanada und den USA ist die doppelte Staatsbürgerschaft zulässig oder zumindest teilweise zulässig. Dänemark hat sie 2015 eingeführt, Norwegen 2020. Nur in einzelnen Ländern, z.B. den Niederlanden, Österreich und Estland, wird die Mehrstaatigkeit eher restriktiv gehandhabt. Die Bedeutung dieser Reform sollte aber nicht überschätzt werden. Zwar soll in Deutschland die Mehrstaatigkeit vermieden werden, jedoch führen die zahlreichen Ausnahmen im StAG im Ergebnis jetzt schon zu relativ hohen Doppelstaatlerquoten. 2020 hatten 65,2% der neu Eingebürgerten einen weiteren Pass.[3] 

Reform, aber keine Revolution

Die Verkürzung der Fristen und die Einführung der Mehrstaatigkeit bedeuten eine Reform, aber keine Revolution. Vieles wird von den Detailvorgaben abhängen. Da zwischen der Daueraufenthaltserlaubnis und der Staatsbürgerschaft abgesehen vom Wahlrecht ohnehin wenige Unterschiede für den Alltag bestehen, sollte die Bedeutung der Reformen zwar nicht unterschätzt, aber auch nicht überhöht werden.

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[1] Derzeit wird diskutiert, künftig erst nach 8-10 Jahren einzubürgern.

[2] Statistisches Bundesamt (2021): Fachserie 1 Reihe 2.1., 115.

[3] Ebd.

 

 

 

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