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Die treibenden Faktoren der Radikalisierung

Автор: Stefan Stahlberg

Auf der „Mind the Gap“-Konferenz diskutierten Experten, wie Radikalisierung und Deradikalisierung funktionieren

Das Thema Radikalisierung steht spätestens seit den Anschlägen vom 11. September auf der Agenda. Wie aktuell die Fragen danach sind, zeigen nicht zuletzt die gewalttätigen G20-Proteste des linksextremen „schwarzen Blocks“ 2017 in Hamburg, sechs dieses Jahr in Deutschland festgenommene Islamisten, die einen Anschlag vorbereitet hatten, aber auch die jüngst aufgeflogene mutmaßliche rechtsterroristische Gruppierung „Revolution Chemnitz“. Der Radikalisierungsproblematik widmete die Konrad-Adenauer-Stiftung am 2. Oktober 2018 in Berlin eine Experten-Konferenz.

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Bildung, Integration, Religion? Identität!

Was hinter dem Willen zu kämpfen und zu sterben steckt, kann nicht so leicht beantwortet werden. Bildungslevel, Integration, Sprachvermögen oder die eigene wirtschaftliche Situation scheinen keine treibenden Faktoren zu sein, meint Demir Seyrek von der Europäischen Stiftung für Demokratie, die europäische Werte fördert und Radikalisierung bekämpft. Auch Religion führe nicht automatisch zu Radikalisierung. Wenn überhaupt, dann spielen diese Aspekte eine Nebenrolle, keine Hauptrolle, fügt Seyrek hinzu und ergänzt, worum es eigentlich geht: die Identität.

Ideologie ist das Navigationssystem der Radikalisierung

Denn Menschen ändern ihre Grundwerte aus verschiedenen, sehr persönlichen Gründen und radikalisieren sich: das kann eine erlebte Ungerechtigkeit sein, eine Krise oder Unzufriedenheit mit einem Status quo, dazu kommt noch eine Portion Verschwörungsdenken – und natürlich Ideologie: „Sie ist das Navigationssystem“, sagt Alexander Ritzmann. Der Potsdamer Extremismusforscher ist Mitglied im Radicalisation Awareness Network der Europäischen Kommission und weist zu Recht darauf hin, dass die genannten Punkte auf ziemlich viele Menschen zutreffen würden. Trotzdem greifen nur die wenigsten zu gewaltsamen Maßnahmen. Denn die meisten sind durch ihre „biologische Programmierung“ dagegen abgesichert, beispielsweise ideologisch manipuliert zu werden und ihr Wertefundament komplett zu überwerfen. Bei Radikalen jedoch scheine diese Sicherung nicht ganz zu funktionieren: „Ganz viele von denen haben mentale Probleme“, sagt der dänische Gewaltforscher Lasse Lindekilde. Zwar handle es sich nicht um klinische Erkrankungen, aber um „problematische Persönlichkeiten.“

„Schutzalgorithmen im Kopf“

Der Mensch sei mit „Schutzalgorithmen im Kopf“ ausgestattet, die ihn mit seiner „peer group“ verbinden, denn „wir brauchen die Zugehörigkeit“, so Ritzmann. Das habe allerdings auch seinen Nachteil: „Selbst wenn die Gruppe falsch liegt, bleiben wir in der Gruppe.“ Mit dieser Schutzprogrammierung jedenfalls filtern wir auch die Welt um uns herum. Die „Filterblase“, die wir uns selbst schaffen, helfe uns, unsere Identität zu erhalten, so Ritzmann. Die Erlebnisse und Erfahrungen trügen zur Identitätsbildung bei, und wenn Neues hinzukäme, das gegen die eigene Wahrnehmung spreche, „versucht man seine Position immer zu verteidigen, weil man so viel investiert hat.“

„Wir hören auf zu denken“

Die Frage sei also, wie stark die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist. Ritzmann argumentiert mit Erkenntnissen der Gehirnforschung: Wenn sich ein Mitglied seiner Gruppe sehr nah fühlt und die ganze Gruppe kritisiert wird, dann reagiere im Hirn einer der wesentlichsten Bereiche, die Amygdala. Sie antworte mit Kampf, Furcht oder Flucht (im Englischen fight, fright or flee), das sind „die drei Überlebensinstinkte, wenn jemand unsere Identität angreift. Wir hören auf zu denken“, so Ritzmann.

Extremisten denken, sie verteidigen sich nur

Die Rolle der Gruppenzugehörigkeit sehe man auch an der Kommunikation Radikalisierter: Ihre eigene Gruppe stigmatisieren sie als Opfergruppe, die Außenwelt oder andere externe Gruppen werden dämonisiert, resümiert Terrorismusforscherin Inga Trauthig. Aus Sicht der Extremisten seien die anderen die Gefahr, „sie verteidigen sich nur“, gegen konstante Manipulation ihrer Werte und Identität, ergänzt Ritzmann. Und dieses Verhalten könne unter Umständen zu Gewalt führen, Radikalisierung entstehe „besonders dann, wenn sich politische Ziele gegen den Staat richten“, weil die Akteure ihre Ziele „nicht innerhalb eines bestimmten politischen Systems erreichen können“, so die Konflikt- und Gewaltforscherin La Toya Waha.

„Wir sollten es ihnen nicht einfach machen“

Weniger beruhigend ist vor diesem Hintergrund ein Radikalisierungstrend, den Lindekilde formuliert: Er prognostiziert die Zunahme von sogenannten „einsamen Wölfen“, deren Gefahrenpotenzial könnte „stärker als gruppenbasierter Terrorismus“ werden. Umso wichtiger sind Deradikalisierungsmaßnahmen – und zwar dezentral auf verschiedenen Ebenen. Besonders die Strafverfolgung im Internet müsse ausgeweitet werden, so Ettmüller. Sie hat islamistische Online-Propaganda erforscht und kommt zu dem Schluss, dass das Internet zu einer „No-go-Zone“ geworden sei, und hat eine einfache Antwort des Rechtsstaats: „Wir sollten die Accounts abschalten. Wir sollten es ihnen nicht einfach machen.“

Deradikalisierung durch beständigen Informationsfluss und personalisierte Intervention

Auf dem ideologischen Level brauche es einen Gegennarrativ. Da seien beispielsweise auch die muslimischen Gemeinden gefordert, die einen liberalen Islam verkünden müssten, meint die Islamwissenschaftlerin Eliane Ettmüller. Dieser Narrativ dürfe jedoch nicht belehrend sein, man müsse diskutieren, sagt Ritzmann und erinnert an die Opferrolle, in der sich Radikalisierte sehen. Es brauche eine „personalisierte Intervention“, warnt er und betont, dass „nur ein konstanter Informationsfluss jemanden seine Meinung ändern lässt“. Am Ende könne man die Menschen aber nur deradikalisieren, wenn sie ein „Upgrade“ für ihr Leben sehen – und durch den Prozess ihr Gesicht nicht verlieren.

Videomitschnitt der Panels 1, 3 und 6

Videomitschnitt der Panels 2, 4 und 5

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Referentin für Terrorismusabwehr und Konfliktmanagement

linda.schlegel@kas.de +49 30 26996 3398

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