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Reuters / Marko Djurica

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Montenegros neuer Staatspräsident

Die zweite Chance Montenegros? Der neue Staatspräsident steht vor großen innen- und außenpolitischen Herausforderungen

Zum zweiten Mal nach den Parlamentswahlen 2020 kommt es in Montenegro zu einem grundsätzlichen Politikwechsel. Der neue Staatspräsident Jakov Milatović steht mit seiner Bewegung Europa Jetzt vor großen Herausforderungen. Die Erwartungen im In- und Ausland sind groß.

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Deutliches Wahlergebnis

Der Kandidat der Bewegung Europa Jetzt, Jakov Milatović, ist der neue Staatspräsident Montenegros. Bei einer Wahlbeteiligung von 71% setzte er sich im zweiten Wahlgang mit ca. 60% der abgegebenen Stimmen gegenüber dem bisherigen Amtsinhaber Milo Djukanović durch. Dieser konnte nur 40% der Stimmen auf sich vereinen. Sogar in seiner Heimatstadt Nikšić verlor Ðukanović deutlich gegen den politischen Newcomer Milatović. Zwar erwarteten die meisten Beobachter im Vorfeld einen Sieg von Jakov Milatović. Allerdings zeigt das ziemlich deutliche Ergebnis, wie stark die Ablehnung gegen den bisherigen Amtsinhaber in großen Teilen der Bevölkerung verankert ist. Nach dem 1. Wahlgang hatten die Partei der Demokraten des ehemaligen Parlamentspräsidenten Aleksa Bečić, die Partei URA des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Dritan Abazović und die pro-serbische Partei Demokratische Front ihre Unterstützung Jakov Milatović zugesichert. Ob diese breite Koalition auch über die ersten Tage der Euphorie nach dem Wahlsieg über Ðukanović halten kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Am 11. Juni finden außerordentliche Parlamentswahlen statt, die von großer Bedeutung für den Küstenstaat sind

 

Zweite Chance

Bereits im August 2020 sprachen sich die Wählerinnen und Wähler bei den Parlamentswahlen deutlich gegen Milo Ðukanović aus. Zum ersten Mal seit Einführung demokratischer Wahlen in Montenegro 1990 hatte die Demokratische Partei der Sozialisten von Milo Ðukanović zusammen mit ihren Koalitionspartnern keine Mehrheit erhalten. Dies war ein politischer Wendepunkt in Podgorica. Nach über 20 Jahren Dominanz von Ðukanović in verschiedenen Ämtern gab es eine starke Sehnsucht nach politischer Veränderung in Podgorica. Die „Expertenregierung“ unter Zdravko Krvokapić, der unter anderem Jakov Milatović als Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Milojko Spahić als Finanzminister angehörten, konnte diese Erwartungen nicht erfüllen. Bereits am 4. Februar 2022 wurde Krivokapićs Regierung nach nur 14 Monaten im Amt das Vertrauen im Parlament entzogen. Es folgte eine Minderheitenregierung unter Vizepremier Dritan Abazović, der diese nur 6 Monate bis August letzten Jahres führte. Seitdem leitet Abazović die Regierung geschäftsführend im Amt, wobei er sich in den vergangenen 6 Monaten in einem Katz-und–Maus-Spiel mit Staatspräsident Ðukanović in eine politische Verfassungskrise manövriert hat. Somit kann die Wahl von Jakov Milatović nach der Parlamentswahl 2020 als ein weiterer Schrei nach politischem Wandel in Montenegro verstanden werden.

 

Wahlkampfthemen

Getragen von einem sehr guten Ergebnis bei den Kommunalwahlen im Oktober 2023, wurde im Vorfeld des 1. Wahlgangs Milojko Spahić als Präsidentschaftskandidat der noch jungen politischen Bewegung Europa Jetzt aufgestellt. Allerdings ließ die zentrale Wahlkommission den 35-jährigen Finanzexperten nicht zur Wahl zu, weil ihm eine serbische Staatsangehörigkeit und ein Aufenthaltsstatus in Serbien nachgewiesen wurden. Diese Umstände waren mit den montenegrinischen Gesetzen zur Präsidentenwahl nicht vereinbar. Daher wurde Jakov Milatović nur zwei Wochen vor der 1. Wahlrunde als Kandidat aufgestellt. Beim Kräftemessen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen hatte er 29,9% und Ðukanović 35,3% erhalten. Im Wahlkampf selber fokussierte er sich auf die Forderung nach Anhebung des Durchschnittslohns auf 1000€ und die Ablehnung des bisherigen Amtsinhabers Ðukanović. Dieser dagegen versuchte seine herausgehobene Rolle für die Erlangung der Unabhängigkeit Montenegros 2006, die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union 2012 und den Beitritt zur NATO 2017 zu unterstreichen. Trotz dieser außenpolitischen Erfolge wird Ðukanović von seinen politischen Wettbewerbern hauptverantwortlich für die weit verbreitete Korruption, die starke Vernetzung der organisierten Kriminalität und die existierende gesellschaftliche Spaltung im Land verantwortlich gemacht. In diesem Zusammenhang muss auch seine Abwahl betrachtet werden.

 

Kompetenzen und Erwartungen

Laut der Verfassung von Montenegro hat der Staatspräsident in erster Linie, ähnlich wie in Deutschland, primär repräsentative Aufgaben. Der bisherige Amtsinhaber Milo Ðukanović profitierte allerdings davon, dass er zuvor über zwei Jahrzehnte die Geschicke des Landes geleitet hat und damit alle anderen politischen Akteure überstrahlte. Der Staatspräsident kann allerdings in außenpolitischen Fragen Einfluss auf die Positionierung des Landes nehmen. Durch die bisherige politische Blockade zwischen Ministerpräsident und Staatspräsident sind mehr als die Hälfte der 35 Botschafterposten weltweit unbesetzt. Dadurch sind die außenpolitischen Einflussmöglichkeiten des kleinen Landes ziemlich begrenzt. Eine der großen politischen Herausforderungen für Jakov Milatović wird die Verbesserung der Beziehungen zu Serbien sein. Seit Jahren sind diese angespannt. Immer wieder kommt es zu politischen Spannungen innerhalb Montenegros, wenn Serbien die Einflussnahme auf innenpolitische Entwicklungen vorgeworfen wird oder Montenegriner beschuldigt werden, die serbische Bevölkerung zu diskriminieren. Ungefähr 30% der Bevölkerung des Adriastaats geben sich als Serben aus. Die pro-serbische Partei Demokratische Front und die serbisch-orthodoxe Kirche spielen eine wichtige Rolle im politischen und gesellschaftlichen Alltag Montenegros. Jakov Milatović hat in der Wahlnacht mehrmals unterstrichen, dass er der Präsident aller Bürgerinnen und Bürger Montenegros sein wird. Dies sollte er auch in Bezug auf die religiösen Minderheiten im Blick behalten. Der frisch gewählte Präsident sollte für die Lösung dieses Konflikts die meiste Zeit investieren. Denn diese Spaltung hat ein enormes Konfliktpotenzial für die kleinste ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens.

 

Vorgezogene Parlamentswahlen

Die bevorstehenden Parlamentswahlen am 11. Juni sind der eigentliche entscheidende Stresstest für das Land. Die politische Bewegung Europa Jetzt hat in Folge des Wahlsiegs von Jakov Milatović die größten Chancen, ihren erfolgreichen Trend fortzusetzen und die meisten Wählerstimmen zu erhalten. Dies wird für die Unterstützer-Koalition um Jakov Milatović aus dem 2. Wahlgang der Präsidentschaftswahlen eine Herausforderung, als das die Bewegung mit ihrer liberal-konservativen Ausrichtung genau diese Wählerklientel anspricht. Zudem wird sich die Demokratische Front der Herausforderung stellen müssen, dass Jakov Milatović mit seinen moderaten Standpunkten gegenüber Serbien auch Teile ihres Wählerreservoirs abschöpfen wird. Die Partei der Sozialisten Montenegros von Milo Ðukanović muss sich einem Reformprozess unterziehen, wobei der Ausgang ungewiss bleibt. Der ehemals Dienstälteste Staatsmann in Europa muss sich nun in seiner neuen Rolle zurechtfinden.

 

Nach der verpassten Chance der politischen Erneuerung bei den Parlamentswahlen von 2020 wird der Druck auf die neue Regierung enorm sein. Die Beitrittsverhandlungen mit der EU stehen seit zwei Jahren still. Die COVID-Krise hat das vom Tourismus-Sektor stark abhängige Land vor große finanzielle und wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dazu geführt, dass weniger Touristen aus beiden Ländern nach Montenegro kommen. Im Jahr 2021 kamen rund 20 % der Besucher entweder aus Russland oder der Ukraine. Anfang März hat Montenegro von der Deutschen Bank einen Kredit in Höhe von 100 Mio. Euro zu einem hohen Zinssatz erhalten. Damit wird der laufende Geschäftsbetrieb des Staatsapparats finanziert. Bis Jahresende ist eine weitere Verschuldung bis zu einer Höhe von 500 Mio. Euro vorgesehen, wobei die Staatsausgaben für Bedienstete in der öffentlichen Verwaltung stetig steigen. Sollte sich nicht bald ein Politikwechsel einstellen, stehen Montenegro schwierige wirtschaftliche Zeiten bevor – unabhängig davon, wer das Land nach dem 11. Juni führen wird. In diesem Zusammenhang wird die politische Auseinandersetzung um die von Europa Jetzt geforderte Erhöhung der Durchschnittsgehälter auf 1000 Euro eine neue Brisanz erhalten.

Mit den anhaltenden politischen Spannungen in der Gesellschaft und der sich andeutenden wirtschafts- und finanzpolitischen Schieflage wird der Wahlkampf intensiv weitergeführt, wobei der Ausgang für das Land offenbleibt.

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Jakov Devčić

Jakov Devčić

Leiter des Auslandsbüros Serbien / Montenegro

jakov.devcic@kas.de +381 11 4024-163 +381 11 4024-163

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