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"Die Geister der Vergangenheit kommen zurück, um uns zu verfolgen"

Ein Gesetzentwurf zur "Nationalen Sicherheit" belebt alte Vorurteile und neue Ängste in Thailand

Neun Jahre liegt Thailands "Schwarzer Mai" zurück, jener Monat des Jahres 1992, als die prodemokratischen Proteste gegen die Übernahme des Premierministeramtes durch den Putschgeneral Suchinda Kraprayoon auf den Straßen Bangkoks von Militäreinheiten blutig niedergeschlagen wurde. Das politische Profil der Streitkräfte, einer der traditionellen Machtfaktoren im "Land des Lächelns", schien seither zumindest unschärfer und der Grad ihrer Akzeptanz in der Öffentlichkeit sehr viel rascher gesunken zu sein, als man dies aufgrund der langen Jahren thailändischer Militärdiktatur nach dem Zweiten Weltkrieg vermutet hätte. Trotz ziviler Verteidigungsminister und Bekenntnisse führender Militärs zur konstitutionellen Demokratie könnte sich das politische Gewicht der Streitkräfte jedoch wieder unerwartet stark erhöhen, sollte die Regierung Thaksin entschlossen sein, ihren jetzt eingebrachten Entwurf eines "Gesetzes zur Volks- und Staatssicherheit" über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Bis dahin sind allerdings noch reichlich Konflikte zu erwarten.

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Die geplante Gesetzgebung soll altes, aus dem Jahr 1952 stammendes Recht zur Vorbeugung und Abwehr des Kommunismus ablösen, dessen Geltungszeitraum am 3. Juni 2001 endet. Thailand war in der Nachkriegszeit, wie zahlreiche seiner südostasiatischen Nachbarn auch, Ziel kommunistisch inspirierter Aufstandsbewegungen, die vornehmlich im Süden des Landes, im Grenzgebiet zu Malaysia, aktiv waren.

Aber auch im Landesinneren, insbesondere in der nördlichen Zentralregion, gab es bekannte Ballungszentren der kommunistischen Bewegung, die ihren letzten Höhepunkt im Gefolge der Studentenunruhen von 1976 hatte, inzwischen aber durch das Verbot kommunistischer Parteien sowie den Zerfall der seinerzeit durchaus beachtlichen Bewegung schon längst ihre politische Bedeutung und auch das damit von offizieller Seite assoziierte Gefahrenpotential verloren hat. Nicht umsonst ist das ehemalige, inzwischen verfallende Hauptquartier der Kommunistischen Partei Thailands in den Wäldern der Provinz Phitsanulok heute nurmehr von touristischem Interesse.

Als "Vater" des geplanten neuen Sicherheitsgesetzes gilt Verteidigungsminister General Chavalit Yongchaiyudh. Während seiner aktiven Militärzeit erwarb er sich den Ruf, die kommunistische Bedrohung durch effektive militärische Strategien besonders erfolgreich bekämpft zu haben. Der ambitionierte Vorsitzende von Thaksins Koalitionspartner "New Aspiration Party" (NAP), der als Politiker auf eine wenig eindrucksvolle Laufbahn zurückblickt, hatte bei der Regierungsbildung zielstrebig den Posten des Verteidigungsministers anvisiert und aus seiner Präferenz für "traditionelle thailändische militärische Werte" - wie z.B. das Senioritätsprinzip bei Beförderungen oder auch die "soldatische Brüderlichkeit" - keinen Hehl gemacht. Als Befürworter einer zivilen Führung der Streitkräfte, wie sie noch unter der Vorgängerregierung von Chuan Leekpai durch den Premierminister selbst ausgeübt wurde, kann Chavalit nicht gelten.

In der Tat reflektiert das nun vorgelegte, von einem durch Chavalit eingesetzten Komitee im Verteidigungsministerium entworfene Gesetz die Vorstellung vom Primat einer weitgehend unpräzise definierten, aber weitgefassten "nationalen Sicherheit" nötigenfalls auch gegenüber den konstitutionell garantierten individuellen Rechten und Freiheiten. Solche Ideen und vor allem die Notwendigkeit des politischen Rückbezugs auf sie halten nicht nur Zivilgesellschaft, sondern auch der Teil der jüngeren, liberal eingestellten Politiker für obsolet und gefährlich in bezug auf den seit Mitte der neunziger Jahre andauernden Demokratisierungsprozess des Landes.

Sollte der Gesetzentwurf, der derzeit dem thailändischen Staatsrat zur rechtlichen Überprüfung vorliegt, Realität werden, gälten mehr als 15 Tatbestände als subversiv, gegen die Sicherheit von Volk und Staat gerichtet und somit strafbewehrt. Darunter finden sich so nebulöse Definitionen wie die im Gesetzentwurf aufgeführten "Gefährdungen der ökonomischen, kulturellen und sozialen Sicherheit des Landes", die Zerstörung natürlicher Ressourcen, die "Unterminierung des wissenschaftlichen und technologischen Potentials" Thailands, die Unterminierung bzw. der Sturz von Verfassungsorganen und eine Reihe weiterer, äußerst dehnbar definierter Vergehen. Rechtsstaatlich äußerst bedenklich ist vor allem eine Bestimmung, die es der Regierung erlaubte, nötigenfalls jegliche Tat von jedermann für strafbar zu dekretieren, sofern sie dafür die Notwendigkeit sähe.

Mit dem Sicherheitsgesetz wären weitreichende Befugnisse der zuständigen Behörden verbunden, allen voran ihre Ermächtigung zu Durchsuchungen und Verhaftungen ohne vorherige richterliche Anordnung. Als Höchststrafe sieht der Gesetzentwurf lebenslangen Freiheitsentzug vor, wobei unklar bleibt, ob Haft ohne Gerichtsverfahren möglich sein soll.

Auch eine behördliche Umstrukturierung ginge mit dem Sicherheitsgesetz einher: Das "Internal Security Operation Command", eine früher mit der Bekämpfung der kommunistischen Bewegung betraute Einrichtung unter militärischem Oberbefehl, würde demnach zum "People and State Security Protection Command" umgewandelt und einer kollektiven Leitung, bestehend aus den Oberbefehlshabern der Teilstreitkräfte sowie dem Staatsekretär des Innenministeriums und dem nationalen Polizeichef, unterstellt.

Was veranlasst die erst seit drei Monaten amtierende Regierung Thaksin, die "neues Denken, neues Handeln" versprochen hatte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der, folgt man den Ergebnissen jüngster demoskopischer Untersuchungen, von der breiten Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, ja sogar als Gefährdung der in der Verfassung garantierten Grundrechte betrachtet wird?

Es darf als gesichert gelten, dass hinter diesem Vorhaben maßgebliche Militärkreise stehen, deren Motivation aber unterschiedlich ist.

  • Zwar sind Militäreinheiten nicht mehr mit der Bekämpfung kommunistischer Subversion, wohl aber mit der Abwehr von grenzüberschreitendem Drogenschmuggel zwischen Thailand und besonders seinem Nachbarn Myanmar befasst. In diesem Zusammenhang bedarf die Armee in der Regel der Zusammenarbeit mit der Polizei, da die Militärs im Unterschied zur Polizei nicht über Vollzugsbefugnisse verfügen (ausgenommen davon sind lediglich einige Grenzbezirke, in denen aufgrund häufiger Zwischenfälle noch immer die Bestimmungen des Kriegsrechts gelten). Führende Militärvertreter beklagen daher öffentlich, dass es den im Kampf befindlichen Einheiten an den erforderlichen Instrumenten zur Erfüllung ihres Auftrags fehle. Dieses Lamento ist mit Vorsicht zu betrachten: Wahrscheinlicher ist, dass die entsprechenden Einheiten bei der Wahl ihrer Kampfmittel nicht immer rechtsstaatlichen Prinzipien gefolgt sein dürften und daher bei objektiver Betrachtung höchstwahrscheinlich ebenfalls mit Strafverfolgung zu rechnen hätten. Dieses Handicap dürfte die Militärführung gern loswerden wollen.

  • Die thailändischen Streitkräfte befinden sich zudem seit einigen Jahren in einer Phase der Neuorientierung, die durch politische und finanzielle Rahmenbedingungen erforderlich geworden ist. Mag sich auch das Bedrohungsszenario des Landes verändert haben, so kann doch von einer ernsthaften inneren oder äußeren Sicherheitsgefährdung Thailands keine Rede sein. Gleichwohl haben sich die Regierungen in Bangkok seit Jahren noch immer eines der größten stehenden Heere Südostasiens geleistet - dessen politische Existenzberechtigung wird z.B. in zivilgesellschaftlichen und anderen Kreisen gelegentlich ebenso hinterfragt wie der Umfang der Haushaltsmittel, welche für seine Unterhaltung erforderlich sind und anderen, bedeutsameren Politikbereichen entzogen werden.

  • Klar ist auch, dass, so die Schätzungen der Printmedien, bis heute noch immer rund 20.000 Angehörige des Militärs bei den früher für die Abwehr kommunistischer Umtriebe zuständigen Einrichtungen beschäftigt sind, und nicht wenigen von ihnen dürfte die Fragwürdigkeit des eigenen Jobs durchaus bewusst sein. Machtverlust durch Kompetenzentzug wird in Thailand nicht nur vom Militär, sondern in der gesamten Bürokratie als besonders schwerwiegende Form der Demütigung empfunden. Die aus dieser jetzt real bestehenden Gefahr resultierende Unsicherheit könnte den militärischen Oberbefehlshabern Anlass sein, alles zu tun, um den Fortbestand ihres Sicherheitsapparates zu gewährleisten. Dabei träfen sie im Verteidigungsminister auf einen Mann, der ihnen beträchtliches Verständnis entgegenbringt und durchaus bereit wäre, als ihre politische Speerspitze zu dienen. Schließlich ist er selbst aus diesem Apparat hervorgegangen und darauf bedacht, seine politische Klientel innerhalb konservativer Militärs bei der Stange zu halten und dies, obwohl - wie er selbst zugibt - den Sicherheitsbehörden auch ohne das neue Gesetz rechtliche Instrumentarien zur Verfügung stehen, die zumindest die operative Tätigkeit des Militärs in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit erlauben.

Die politische und sachliche Erfordernis eines neuen, zumal drastischen Sicherheitsgesetzes können aber auch prominente Regierungsmitglieder nicht erkennen. Chaturon Chaisaeng, Minister im Premierministerium, sieht in dem Gesetzentwurf eine Quelle zahlreicher politischer und rechtlicher Probleme. Der profilierte Mittvierziger Chaturon verbrachte nach der erneuten Machtübernahme des Militärs 1976, damals als Angehöriger der Studentenbewegung, wie viele andere aus seiner Generation einige Jahre im thailändischen Dschungel, um der Verfolgung durch die Diktatur zu entgehen.

Seine Kritik ist daher durchaus glaubwürdig, und wie er stören sich sehr viele an den außergewöhnlich umfassenden Machtbefugnissen, die das Militär durch das neue Gesetz erhalten würde. Ebenso unverständlich ist den Kritikern, weshalb man in der neuen Regierung offenbar die Notwendigkeit sieht, bei der Lösung von Fragen der nationalen Sicherheit die Justiz einfach zu umgehen.

Zu frisch sind noch die Erinnerungen an die Zeit der unumschränkten Militärherrschaft, die weniger als zwei Jahrzehnte zurückliegt. Zudem waren große Teile der Öffentlichkeit sowie die zivilgesellschaftlichen Organisationen bis jetzt der Überzeugung, dass durch die bisher erreichten Fortschritte des Demokratisierungs- und Verfassungsreformprozesses eine Rückbesinnung auf ein überzogenes Sicherheitsdenken nicht nur unzeitgemäß sei, sondern auch eine wie immer gestaltete Reform der Aufgaben der Streitkräfte sich grundsätzlich im Rahmen der bestehenden Verfassungsgrundsätze vollziehen sollte.

Symbol hierfür war bisher stets der Oberbefehlshaber der Armee, General Surayud Chulanont, der sich öffentlich für die politisch neutrale Rolle des Militärs in der Gesellschaft ausgesprochen und den Primat der Politik gegenüber den Streitkräften anerkannt hatte. Surayud, ein politisch denkender Oberkommandierender, bezog denn auch eine vorsichtig-abwartende Position in der gegenwärtigen Debatte: Beamte und Soldaten, die für Sicherheitsfragen zuständig seien, benötigten "ein klares Mandat", jedoch könne ein Sicherheitsgesetz auch so abgefasst sein, dass der Schutz von Menschen- und Bürgerrechten gewährleistet sei.

Premierminister Thaksin Shinawatra, der laut dem umstrittenen Gesetzentwurf für die Umsetzung des Sicherheitsgesetzes verantwortlich wäre, versucht die Angelegenheit herunterzuspielen: Solange er Regierungschef sei, werde er für einen Ausgleich zwischen den Rechten und Freiheiten der Bürger sowie effektiven operativen Sicherheitsmaßnahmen sorgen. Wer den neuen Premierminister seit seinem Amtsantritt im Februar beobachtet hat, wird aus dieser Äußerung nur schließen können, dass sich Thaksin in dieser Frage wie immer alle Optionen offen hält, zunächst versucht, die öffentliche Aufregung über den Vorgang zu dämpfen und sich dann an die Spitze derer setzen wird, deren Auffassung er für mehrheitsfähig hält.

Anlass zur koalitionsinternen Kritik gibt es jedoch reichlich, denn führende Abgeordnete der Drei-Parteien-Runde waren nach eigenen Angaben nicht über dieses brisante Gesetzesvorhaben informiert. Dies entspräche genau dem Stil Chavalits, einem Politiker der alten Garde, dem die Verwirklichung der eigenen Agenda weit mehr bedeuten dürfte als die Abstimmung von Inhalten oder gar eine politisch gebotene Abwägung des Für und Wider wichtiger Gesetzgebungsvorhaben.

Die gesamte Angelegenheit rückt Thailand in ein Zwielicht: Ist die Demokratisierung wirklich so fest in den Köpfen verankert, wie es zivilgesellschaftliche Kräfte gern glauben wollen, oder sind die alten Geister doch noch lebendiger als es nach all den Reformjahren erschien?

Auch außenpolitisch passte ein drakonisches Sicherheitsgesetz nicht in das Bild des Königreichs, dessen letzte Regierung Bangkok immerhin noch zu einem "Genf Südostasiens" machen wollte, einem regionalen Zentrum mit Sitz zahlreicher internationaler Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen als Symbol eines freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaats, der über die Landesgrenzen hinaus eine Strahlwirkung haben sollte. Immerhin existieren bei den ASEAN-Nachbarn Malaysia und Singapur noch immer die berüchtigten, aus der Zeit ihrer kolonialen Verwaltung stammenden Sicherheitsgesetze, die "Internal Security Acts", auch wenn man dort in der Vergangenheit vereinzelt schon einmal kritisch über deren Existenzberechtigung reflektierte.

Premierminister Thaksin jedenfalls hatte schon im Wahlkampf aus seiner Bewunderung für den Regierungsstil seines malaysischen Amtskollegen Mahathir keinen Hehl gemacht: Wie weit diese Bewunderung wirklich geht, wird man an dem Schicksal des geplanten thailändischen Sicherheitsgesetzes erkennen können.

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