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国家报道

Der Tschad im Stresstest

Zwischen Sudan-Krise, dem Werben Russlands und der Spaltung der Elite

Es mehren sich die Spannungen im Sahelland Tschad: Immer mehr Flüchtlinge kommen aus dem Sudan; am Tschadsee werden Angriffe von Dschihadisten immer komplexer, und nach Mali, Niger und Burkina Faso versucht Russland auch hier Fuß zu fassen. Die Elite des Landes ist unterdessen über den weiteren außenpolitischen Kurs gespalten.

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Der Tschad ist ein äußerst fragiles Land in Zentralafrika, in dem es seit der Unabhängigkeit 1960 keine einzige friedliche Machtübernahme gegeben hat. Putsche und Rebellionen sind praktisch die Norm, weil die Eliten den Flächenstaat – fast viermal so groß wie Deutschland – niemals umfassend entwickelt haben. Das Land ist zwar ein Ölexporteur, die Einnahmen versickern aber aufgrund von Korruption oder Missmanagement. Als Folge ist der Tschad eines der ärmsten Länder der Welt und dazu noch umgeben von anderen Krisenstaaten wie Sudan, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und Niger, die alle mit Instabilität und bewaffneten Gruppen zu kämpfen haben. In allen vier Staaten ist zudem die russische Söldner-Truppe des Afrika Korps tätig.

Bis vor kurzem war der Tschad mit Frankreich verbündet, jetzt setzt der Präsident, Mahamat Déby, auf neue Partnerschaften mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei. Auch Russland bietet sich als neuer militärischer Partner bei Déby an, der sich zunehmend „panafrikanistisch“ gibt und weniger Abhängigkeit von Europa will. Als die US -Regierung jüngst einen Visastopp für Tschader beschloss, reagierte Déby prompt und verbot den Botschaften des Landes, Visa für US-Bürger auszustellen. Er verschärfte den Ton nochmal mit der Aussage, dass der Tschad keine Milliarden oder Flugzeuge zu verschenken habe – ein Hinweis auf das Angebot Katars, Trump einen neuen Präsidentenjet zu schenken –, aber seine Würde behalten werde.

Interessanterweise sind die letzten vier Jahre die stabilsten in der Geschichte des Landes gewesen. Mahamat Déby übernahm 2021 die Macht, nachdem sein Vater Idriss im Kampf gegen Rebellen unter ungeklärten Umständen starb. Dieser hatte das Land 30 Jahre mit eiserner Faust regiert, war jedoch immer wieder von Aufständischen bedroht worden wie beispielsweise 2019 als ihn französische Jets retteten, indem sie eine Kolonne von feindlichen Kämpfern vor der Hauptstadt N‘Djamena stoppten. Unter der Herrschaft seines Sohnes Mahamat gab es zwar kein vergleichbares Bedrohungsszenario, doch wurde die derzeitige Stabilität nicht durch eine demokratische Transition erreicht, sondern mit Repressionen und Geld aus den VAE. Damit wurden Oppositionelle und Rebellen „eingekauft“. Mahamat Déby ließ sich im April 2024 zum Präsidenten wählen, aber die Opposition sprach von einer Farce. Kritiker wurden eingeschüchtert und Wahlbeobachter nicht zugelassen. Seit der Wahl hat der Druck auf die Opposition noch einmal deutlich zugenommen. Débys ehemaliger Premierminister Succès Masra, der gegen ihn bei den Wahlen antrat, ist seitdem inhaftiert. Auch ein prominenter Journalist sitzt seit Wochen in Haft.

 

Sudan-Konflikt – es kommen immer mehr Flüchtlinge

Um seine Macht zu stabilisieren, setzt Déby neben Repression auch auf das Einkaufen der Rebellen im Norden des Landes; ihnen bietet er einen Waffenstillstand an. Ein Regierungsvertreter nannte keine Einzelheiten, dabei dürften aber die Finanzhilfen der VAE eine Rolle spielen. Dies könnte erklären, warum es aktuell – erstmals seit 2021 – keine Bedrohung durch Aufständische gibt, die im Süden Libyens und im abgelegenen Norden des Tschads Unterschlupf finden.

Spannungen drohen von woanders. Größtes Risiko für die politische Stabilität im Tschad ist die humanitäre Krise im Sudan, aus dem bereits mehr als eine Million Flüchtlinge im Osttschad angekommen sind. In den letzten Monaten ist die Zahl der Bürgerkriegsvertriebenen nochmals gestiegen – zeitweilig kamen bis zu 11000 Menschen pro Woche an. Ein Ende des Bürgerkrieges im Nachbarland ist nicht absehbar, weil keine der beiden Konfliktparteien – die reguläre Armee und die Paramilitärs der Rapid Support Force (RSF) – nachgeben wollen. Es gibt keinen Gewinner in diesem Krieg. Der Sudan ist nun praktisch zweigeteilt: Die Armee kontrolliert die Hauptstadt Khartum, das Zentrum des Landes und die Rotmeer-Küste mit der Hafenstadt Port Sudan. Die RSF herrscht über die Region Darfur, die an den Osttschad grenzt.

Im Osttschad ist die Lage besonders schwierig, weil die Region ohnehin deutlich unterentwickelter als der Rest des Landes ist. Dörfer sind ohne Strom, es gibt kaum Krankenhäuser oder sauberes Trinkwasser. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen hat fast 20 Flüchtlingslager errichtet, doch es häufen sich die Konflikte zwischen Sudanesen und Einheimischen, die selbst in bitterer Armut leben. Die Inflation ist wegen des Sudan-Konflikts stark gestiegen, weil früher das Nachbarland den Osttschad versorgt hat. Jetzt kommen Lebensmittel per Lastwagen aus Nigeria und Kamerun und werden dann aus der tausend Kilometer entfernten Hauptstadt N’Djamena in den Osten des Landes transportiert.

Die Konflikte mit Einheimischen könnten sich in den nächsten Wochen drastisch verstärken, weil dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bald das Geld zur Versorgung der Flüchtlinge ausgeht. Ab Juli wird UNHCR seine Lebensmittellieferungen um die Hälfte verringern und ab Januar dann nochmals senken müssen. „Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie schlimm die Lage nächstes Jahr wird“, sagte ein Vertreter der Hilfsorganisation. Die Trump-Regierung hat die amerikanische Entwicklungsorganisation USAID abgewickelt, während die Europäer ihre Finanzmittel ebenfalls kürzen. Auch Deutschland will seine humanitäre Hilfe dieses Jahr laut dem aktuellen Haushaltsentwurf um 53 Prozent verringern – auf 1,04 Milliarden Euro. Dazu kommt die VN-Bürokratie: Die Vereinten Nationen im Sudan haben mehr Mittel als diejenige im Tschad, so dass Lastwagen mit Nahrungsmitteln im Osttschad beladen, aber erst im Sudan entladen werden dürfen. Flüchtlinge müssten dann in die unsichere Heimat zurückkehren, um an Lebensmittel zu kommen. Es gibt bisher keine Anzeichen, dass diese Bürgerkriegsflüchtlinge nach Europa weiterziehen, aber dies könnte sich ändern, wenn sich ihre Lage deutlich verschlechtert. Der Tschad grenzt im Norden an Libyen, von wo eine Hauptmigrationsroute nach Europa führt.

 

 „Teufelspakt“ mit Abu Dhabi

Das vielleicht größte Risiko für die Präsidentschaft und das Überleben von Déby geht womöglich vom Sudan-Konflikt und der neuen Partnerschaft Débys mit den VAE .Denn die Kredite des Golfemirates sind nicht umsonst: Der Tschad erlaubt im Gegenzug zur finanziellen Unterstützung den VAE, Waffen über die Ostgrenze nach Darfur zu bringen. Dort unterstützt die VAE die Rapid Support Force – eine arabische Miliz, die hart gegen afrikanische Ethnien vorgeht. Menschenrechtsgruppen sprechen bereits von einer ethnischen Säuberung. Unter den Opfern der RSF sind auch Mitglieder der Ethnie der Zaghawa, einer Gruppe, zu der väterlicherseits auch Déby selbst gehört. Die Zaghawa leben auch im Tschad und könnten sich an Déby rächen, befürchten Diplomaten und Experten aus dem Tschad, die die Partnerschaft mit den VAE einen „Teufelspakt“ nennen.

Auch in anderen Landesteilen gibt es zunehmende politische Spannungen. Am Tschadsee im Südwesten des Landes, der auch an Nigeria, Niger und Kamerun grenzt, gibt es immer komplexere Angriffe von Dschihadisten, die sogar schon Kampfdrohnen einsetzen. Dutzende von tschadischen Soldaten wurden im Oktober 2024 bei einem solchen Angriff getötet. Die Dschihadisten sind seit über einem Jahrzehnt in der Seeregion aktiv. Die Anrainerstaaten haben eine Eingreiftruppe am Tschadsee gegründet, um Dschihadisten grenzüberschreitend zu verfolgen. In letzter Zeit hakt es allerdings an der Koordinierung. Erst zog sich der Niger nach einem Militärputsch aus der Eingreiftruppe zurück. Mit dem Abzug des französischen Militärs endet jetzt auch die westliche Unterstützung für diese militärische Mission. Frankreich, die USA und Großbritannien hatten vor allem durch Militärberater den Anrainerstaaten taktische Unterstützung gegeben. Dabei hatten die ca. 20 internationalen Berater bisher die französische Militärbasis am Flughafen von N’Djamena genutzt, wurden aber mit dem Weggang des französischen Militärs abgezogen.  

 

Débys Camp ist gespalten

Im Süden des Tschad gibt es jüngst mehr Konfrontationen zwischen Ackerbauern und Viehhirten, die eigentlich im Norden leben, aber wegen Dürre im Zuge des Klimawandels immer mehr in den fruchtbareren Süden vordringen. Dieser jahrhundertealte Konflikt zwischen Pastoralisten und Bauern hat dieses Jahr aber eine politische Dimension angenommen, weil viele Viehhirten offenbar von der Armee bewaffnet wurden und sich nun gewaltsam im Süden Zugang zu Weideland verschaffen. Der Tschad ist zweigeteilt in einen muslimischen Norden und einen christlichen Süden, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt – viele dort lehnen Präsident Déby aufgrund seiner muslimischen Herkunft ab, und dürften wegen der Bewaffnung der Viehhirten in ihrer Opposition noch bestärkt worden sein.

Als wären dies nicht schon genug Herausforderungen, ist das Präsidentencamp darüber hinaus auch noch über den weiteren außenpolitischen Kurs des Landes gespalten. Einige Zaghawa-Berater, die noch aus der Zeit seines Vaters Idriss stammen, nehmen Mahamat Déby den Bruch mit Frankreich und die neue Partnerschaft mit den VAE übel – sie sehen die Risiken der Waffenlieferungen in den Sudan über den Osten. Zudem sehen manche Berater mit Sorge den Abzug der Franzosen. Die rund 1000 im Tschad stationierten Soldaten sicherten seit der Unabhängigkeit mit ihren Jets die Regierung vor Rebellenvorstößen. Déby hat zwar Drohnen von der Türkei gekauft. Was die Drohnen jedoch nicht ersetzen können, ist die flächendeckende Überwachung des Territoriums durch die französischen Flugzeuge und Radars.

Andere Teile des Präsidentencamps sind offen für eine engere Zusammenarbeit mit Russland, das auch dem Tschad eine militärische Kooperation angeboten hat. Bislang sind diese Berater in der Minderheit, aber Déby redet viel von „Panafrikanismus“. Ein bekannter prorussischer „Influencer“, Kemi Seba aus Benin, war kürzlich in N’Djamena zu Besuch, um die üblichen anti-westlichen Parolen zu verbreiten. Dies spiegelt die Spaltung der Elite des Landes wider, so dass es zurzeit vollkommen unklar ist, welcher außenpolitische Kurs sich durchsetzen wird. Im Januar wurde ein Anschlag auf den Präsidentenpalast verübt. Dieser wurde schnell niedergeschlagen, doch Details und die Identität der Urheber sind bis heute unklar. Es hält sich bis heute das Gerücht, dass es sich um eine Intrige innerhalb der politischen Elite des Landes gehandelt habe, um den Präsidenten zu stürzen oder zumindest zu schwächen. Seitdem ist die Stimmung in der Hauptstadt angespannt und die Zufahrtsstraße zum Präsidentenpalast nachts gesperrt. Der Anschlag hat die Fragilität des Landes noch einmal eindrücklich vor Augen geführt.

Deutschland, die EU und sogar Frankreich sind weiter in der Entwicklungszusammenarbeit im Tschad tätig. Auch Ungarn engagiert sich mit Hilfsprojekten und hat Déby nach seiner Wahl als erstes EU-Land empfangen.1 Das Engagement der Europäer ist wichtig, um nicht ein weiteres Sahelland Russland, der Türkei oder China zu überlassen. Sollte der Tschad wie andere Sahelländer in die Instabilität abgleiten, werden die Vereinten Nationen dort nicht weiter ihre Operationen für die Sudan-Flüchtlinge aufrechterhalten können. Das könnte aufgrund von Armutsmigration auch dramatische Folgen für Europa haben.

 


 

1Ungarn hatte ursprünglich vor, 200 Soldaten einer Spezialtruppe als Ausbildungshilfe in den Tschad zu entsenden. Déby hat eine entsprechende Vereinbarung aber nicht ratifiziert, da sich die Stationierung von westlichen Soldaten nach dem Abzug der Franzosen nach Angaben von Diplomaten nicht mit seiner “panafrikanistischen” Agenda vereinbaren lässt.

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