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„Klarer Verstoß gegen ethische Regeln“

Historiker Götz Aly über das Euthanasie-Programm der Nazis und seine Kritik an modernen Entwicklungen

200.000 psychisch Kranke und Behinderte ermordeten die Nationalsozialisten bis 1945. Sie nutzten den Zeitgeist, die materielle Not der Familien und ein perfides System aus, um das Gewissen der Eltern zu entlasten, sagt Götz Aly. Der Euthanasie-Forscher, der selbst Vater einer schwerbehinderten Tochter ist, warnte beim 3. Zukunftsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutschen Stiftung Kranke Neugeborene davor, wie leicht sich „Verhältnisse gegen dauerhaft Schwierige“ entwickeln können.

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Götz Aly ist Journalist, Historiker, Politikwissenschaftler – und er hat eine schwer behinderte Tochter. Als er sie einmal in ihrer Berliner Unterbringung besuchte, erschwerten ihre Spasmen das Essen und er rief: „Mein Gott, Karline, bist du aber anstrengend!“ Ein anderer Heimbewohner antwortete daraufhin: „Anstrengend sind wir hier alle irgendwie.“ Wenn Aly über Karline spricht, dann strahlt er Vaterliebe aus. Und so anstrengend seine jetzt 39-jährige Tochter bisher gewesen sein mag: Ihre Krankheit war es, die Aly zur Holocaust- und Euthanasie-Forschung (2013, „Die Belasteten. ›Euthanasie‹ 1939–1945. Eine Gesellschaftsgeschichte“) brachte.

Der Wissenschaftler erinnert sich noch sehr gut an eine Szene im Krankenhaus, 1979, wenige Tage nach Karlines Geburt, auf der Intensivstation. Der Oberarzt sagte zu ihm: „Wir wissen nicht, ob Ihre Tochter die nächste Nacht überlebt. Wenn sie es tut, wird sie sehr schwer geschädigt sein.“ Aly will dem Arzt kein Unrecht tun, sagt er heute, aber damals erschien ihm das wie eine codierte Frage nach seiner Einstellung zur Behinderung der Neugeborenen. Alys Antwort fiel dementsprechend eindeutig aus: „Tun sie alles, dass sie überlebt!“

 

„Es war modern, über Erbhygiene und Volksgesundheit“ zu sprechen

Bis 1945 ermordete Hitlers Regime 200.000 psychisch Kranke oder Behinderte, die Nationalsozialisten nannten das „Lebensunterbrechung“. Alys Forschungen zeigen jedoch, dass die sogenannte „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ keineswegs eine reine NS-Angelegenheit war. So verteidigte das Internationale ärztliche Bulletin, das Zentralorgan der Internationalen Vereinigung sozialistischer Ärzte, 1934 in Teilen den liberalen Strafrechtler Karl Binding und den Psychiater Alfred Hoche. Die hatten schon 1920 argumentiert, dass die „Freigabe der Tötung“ für beispielsweise „unheilbar Blödsinnige“ gegeben werden kann, wobei die „Erlösung ganz schmerzlos erfolgen muss“, „unter den Augen einer staatlichen Behörde“. Die Schrift Bindings und Hoches gilt als Wegbereiter für die Euthanasie in Deutschland. „Schöner Tod“ bedeutet das altgriechische Wort.

„Es war modern, über Erbhygiene und Volksgesundheit“ zu sprechen, fasst Aly den Geist der Zeit zusammen. 1920 hatte der Mediziner und Euthanasie-Gegner Ewald Meltzer 200 Eltern, deren behinderte Kinder in seiner Pflegeanstalt untergebracht waren, eine Frage gestellt: „Würden Sie auf jeden Fall in eine schmerzlose Abkürzung des Lebens Ihres Kindes einwilligen, nachdem durch Sachverständige festgestellt ist, dass es unheilbar blöd ist?“ 162 Eltern füllten seinen Fragebogen aus – und 119 befürworteten die hypothetische Tötung ihrer Kinder. Die Ergebnisse seiner Umfrage beeinflussten Aly zufolge Hitlers Strategie: Um das Gewissen aller Eltern zu entlasten – immerhin hatten sich 27 Prozent gegen eine Tötung ausgesprochen –, sollten die Ermordungen geheim vollzogen werden, mit fingierten Todesursachen.

Tatsächlich hatten die sozialen Kontakte der behinderten Kinder in den Anstalten auch eine Auswirkung auf die Auswahl der Todesurteile, berichtet Aly. Wenn die Ärzte die Formulare ausfüllten, lautete eine Frage: „Wie oft und von wem hat der Patient Besuch?“ „Das hat nichts mit Rassenhygiene zu tun“, sagt Aly.

 

Eltern, „die im Krieg schwach wurden“

Wenn die Väter und Mütter dann doch einbezogen wurden, dann mithilfe eines „codierten Einverständnisses“: Zwar wollten die Ärzte den Eltern nicht die letzte Entscheidung überlassen, sie versuchten sich aber die Genehmigung des Todesurteils auf indirektem Weg einzuholen. So schlug der Arzt beispielsweise eine „Gehirnbestrahlung“ vor, eine „risikovolle Behandlung“, die eine „hohe Todeswahrscheinlichkeit“ bei geringen Heilungschancen enthalte. Wenn die Eltern dem zustimmten, war ihr Kind häufig dem Tod geweiht.

Dabei waren die Eltern behinderter Kinder in dieser Zeit „moralisch nicht besser oder schlechter gebildet“ und sie seien „öfter in die Kirche gegangen“ als 2017, sagt Aly. Einen zentralen, materiellen Unterschied gebe es aber: 1939 hätten 80 Prozent der Menschen Nahe des Existenzminimums gelebt. Und das sei auch einer der Gründe, warum wir uns heute nicht über die Eltern erheben dürften, „die im Krieg schwach wurden“, so Aly. Eine Familie mit behindertem Kind habe als „erbbelastete Sippe“ gegolten und ihr wurde das Kindergeld sogar für die gesunden Nachkommen gestrichen: „Die ganze Zukunftschance war weg“, so Aly.

 

„Ich empfand das als klaren Verstoß gegen ethische Regeln!“

Heute gehe es den meisten Menschen wirtschaftlich weitaus besser, und dennoch: Als die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Jahr 2006 Schwangere befragte, äußerte die Hälfte der Frauen Sorgen, ein Kind mit Behinderung zur Welt zu bringen. Ein Drittel sah sich sogar außerstande, eine Behinderung des Kindes akzeptieren zu können. Dabei gebe es mittlerweile „Hilfen, Hilfen, Hilfen“, betont Aly ausdrücklich. Doch der Blick in die Geschichte zeige eben, wie sich „Verhältnisse gegen dauerhaft Schwierige“ entwickeln könnten, sagt er – und blickt mit einem warnenden Beispiel in die Gegenwart.

Als er vor vier Jahren Karline besuchte, fing sie plötzlich an zu krampfen. Ein Schlaganfall, befürchtete er. Ein Neurologe eilte zu Hilfe, doch anstatt Alys Tochter erst einmal genauer zu untersuchen, fragte er ihn, ob Karline reanimiert werden solle, falls es schlimmer werde. Am Ende war ein Nierenschaden die Ursache. Hätte sein siebenjähriger, nicht-behinderter Enkel einen solchen Anfall gehabt, wäre er das nicht gefragt worden, empört sich Aly: „Ich empfand das als klaren Verstoß gegen ethische Regeln!“

 

Im anschließenden Podiumsgespräch hoben die Referenten hervor, dass in Politik und Gesellschaft unter dem Stichwort "Generationengerechtigkeit - Generationenverantwortung" meistens über Rente und Altersversorgung gesprochen wird, nicht aber über die Bedürfnisse der jungen Generation. Kinder und Jugendliche haben nur eine schwache Lobby und werden bei intergenerationellen Themen kaum berücksichtigt, obwohl sie doch die Generation sind, die für die Zukunft der Gesellschaft steht. Ein Umdenken sei notwendig, und zwar auf breiter Front: angefangen bei der medizinischen Versorgung Ungeborener und Neugeborener bis hin zu Betreuung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Eltern seien oft überfordert: Überbetreuung liegt oft bei Vernachlässigung. Die Frage nach dem gerechten Miteinander der Generationen führe oft zu "oberlehrerhaftem" Dozieren. Stattdessen wäre eine stärkere Beteiligung, auch der Kinder, notwendig.

 

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