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Politsnack

Wer glaubt die Desinformation? Die anderen!

Die Verbreitung von Desinformation und Fake News macht den Menschen in Deutschland zunehmend Angst. Und das aus unterschiedlichen Gründen.

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Desinformation – eine Gefahr

Neu ist das Phänomen nicht. Meinungen und politische Urteile beruhen neben Bewertungen auf Informationen, auf Wissen über Tatsachen und Zusammenhänge. Dies kann ein Ansatzpunkt sein, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Aufklärung über relevante Fakten kann Meinungen besser informieren. Doch es funktioniert auch andersherum: Strategische Falschinformationen können die öffentliche Meinung manipulieren.

Propaganda ist ein altes Mittel der Politik. Gefälschte Belege, dreiste Behauptungen: Vielfach wurden sie in der Weltgeschichte benutzt und immer wieder auch mal entlarvt. Gerade in Diktaturen mit kontrollierten Medien ergeben sich für die Machthaber viele Möglichkeiten der Manipulation.

Nicht nur gegenüber der eigenen Bevölkerung lässt sich Propaganda einsetzen. In den letzten Jahren wurde Desinformation zu einer verbreiteten Strategie bei der Destabilisierung anderer Länder. Dabei werden bewusst Falschinformationen verbreitet, um insbesondere in Demokratien Entscheidungen zu beeinflussen oder politische Systeme zu destabilisieren. Digitale Medien bieten dafür neue Potenziale. Die strategisch eingesetzte Desinformation erlebt eine regelrechte Blütezeit.

Rund zwei Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland haben große oder sehr große Angst vor Desinformation.

Dr. Jochen Roose & Dominik Hirndorf

Angst vor Desinformation

Für Demokratien ist Desinformation besonders heikel. Demokratien leben von dem offenen Austausch, freier Meinungsäußerung und informierter Meinungsbildung. Die Meinungsfreiheit deckt gerade auch die Freiheit, Unsinn zu behaupten. Umso schwerer ist es, strategischer Desinformation entgegenzutreten.

Die Problematik von Desinformation, oft als Fake News in einem weiteren Sinne bezeichnet, ist den Menschen in Deutschland durchaus bewusst. Eine repräsentative Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt: rund zwei Drittel der Wahlberechtigten in Deutschland haben große oder sehr große Angst vor Desinformation. 25 Prozent sagen, sie haben sehr große Angst vor der „Verbreitung von falschen Informationen über die Medien oder das Internet, sogenannte Fake News“. Weitere 39 Prozent haben große Angst. Keine Angst macht das mit 11 Prozent nur einer Minderheit.

Im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Bedrohungen steht die Angst vor Desinformation mit in der ersten Reihe. Der weltweite Klimawandel und Spannungen zwischen Europa und Russland haben den Deutschen zum Jahreswechsel 2022/23 ähnlich viel Angst gemacht, aber eine Wirtschaftskrise oder die Zuwanderung nach Deutschland rangieren bei den Ängsten weiter hinten.

Der Verdacht liegt nahe: Der Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 und die Erwartung von einer damit zusammenhängenden russischen Desinformationskampagne haben die Angst nach oben getrieben. Doch so ist es nicht. Befragte, die in einer Umfrage um den Jahreswechsel 2021/2022 in den Wochen nach dem Angriff Russlands am 24. Februar 2022 befragt wurden, äußerten keine größere Angst vor der Verbreitung von Falschinformationen als die Gruppe der Befragten, die vor diesem Datum befragt wurden. Vielmehr lässt sich eine allmähliche Zunahme dieser Angst in den letzten drei Jahren beobachten. 2021 hatten 56 Prozent große oder sehr große Angst vor Desinformation. Zum Jahreswechsel 2022/23 ist dieser Anteil auf 64 Prozent gestiegen.

 

Der Gegenpol – öffentlich-rechtliche Medien

Gegen falsche Informationen helfen richtige Informationen.So einfach und doch so schwierig. Die Bevölkerung für ihre demokratische Meinungsbildung angemessen und unabhängig zu informieren, ist Aufgabe der freien Presse, aber besonders die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Weniger von Werbeeinnahmen abhängig und kontrolliert von Gremien, in denen die gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sind – dieses Konzept soll den Informationsauftrag möglichst demokratisch und vielfältig absichern.

Das Konzept des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein Erfolg. 60 Prozent haben sehr großes oder großes Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien. 70 Prozent halten politische Nachrichten in den öffentlich-rechtlichen Medien wie ARD und ZDF alles in allem für glaubwürdig. Ein Viertel allerdings widerspricht dieser Ansicht. Vor allem jene, die mit der in Deutschland bestehenden Demokratie sehr oder eher unzufrieden sind, misstrauen auch den öffentlich-rechtlichen Medien.

 

Wer hat Angst vor Desinformation?

Angst vor Desinformation findet sich aber bei allen. Menschen mit großem Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien haben zu einem sehr ähnlichen Anteil Angst vor Desinformation wie Menschen mit wenig Vertrauen in die Öffentlich-Rechtlichen. Wie kann das sein?

Die Bewertung einer Aussage über die Medien kann dieses Rätsel aufklären. Zur Einschätzung der Nähe zum Populismus sollten Befragte der folgenden Aussage zustimmen oder diese ablehnen: „Die Medien bringen nur das, was die Herrschenden vorgeben.“ Die These einer Elitenverschwörung von Politik und Medien gegen das Volk lehnen unter den Demokratiezufriedenen mit Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien 64 Prozent ab und nur 9 Prozent stimmen der Aussage zu. Bei den Demokratieunzufriedenen ohne Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien ist es umgekehrt: 59 Prozent stimmen der Mediensteuerung durch die Herrschenden zu und nur 15 Prozent lehnen dies ab.

Angst vor Desinformation gibt es in beiden Gruppen, denen mit Vertrauen und denen ohne Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien. Nur die Quelle der Desinformation wird unterschiedlich verortet. Die einen sehen in den öffentlich-rechtlichen Medien ein Bollwerk gegen Desinformation. Die anderen sehen die öffentlich-rechtlichen Medien selbst als Quelle der Desinformation. Angst macht beides.

Damit ergibt sich auch, wer an Desinformation glaubt. Es sind immer die anderen.

Über den Autor

Dr. Jochen Roose ist promovierter Soziologe und ehemaliger Juniorprofessor an der Freien Universität Berlin. Der Experte für Methoden der empirischen Sozialforschung, Partizipation und europäischen Integration ist seit 2018 in der Wahl- und Sozialforschung der Konrad-Adenauer-Stiftung tätig. Hier stellt er seine repräsentative Studie zu Zusammenhalt in der Gesellschaft vor.

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Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.

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