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„Freiheit für die politischen Gefangenen!"

от Dr. Georg Eickhoff

Venezuelas Opposition hofft auf Kanzlerin Merkel und die Liberalen

Wie jeden Montagmittag sitzt auch an diesem 28. September 2009 eine Gruppe weißhaariger Ex-Diplomaten im Konferenzraum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Caracas beisammen. Diesmal analysieren sie das deutsche Wahlergebnis vom Vortag. Man freut sich fast ausgelassen über Angela Merkels Wahlsieg, erlaubt sich aber nebenbei die höfliche Feststellung, dass die CDU schon einmal besser abgeschnitten habe. Auch in dieser Runde sind die per Twitter tickernden Blackberries inzwischen unvermeidlich.

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In einen etwas weitschweifigen Kommentar über die künftige Rolle der FDP platzt ein „News-Tweet" mit der nationalen Nachricht des Tages: In diesem Moment wird der Student Julio Rivas nach 21 Tagen Haft aus dem Gefängnis entlassen. Der Hungerstreik seiner 70 Kommilitonen war erfolgreich. Hier in Caracas stiehlt er Guido Westerwelle natürlich die Schau. Die Studenten machen weiter, auch der befreite Julio Rivas schließt sich dem Hungerstreik an, denn immer noch sitzen fast 50 politische Gefangene in Haft: "Freiheit für die politischen Gefangenen!"

Im Fernseh-Interview nach seiner Befreiung erklärt Rivas, Sohn eines freikirchlichen Pastors, dass es der christliche Glaube sei, der ihn zum Widerstand gegen eine totalitäre Diktatur inspiriert. Er hatte Graffiti gesprüht, war zu einer Demonstration im August schon einmal vorsorglich mit Gasmaske erschienen, und das Staatsfernsehen oder die politische Polizei (was in Venezuela auf dasselbe herauskommt) hatte ihn dann bei nicht ganz friedlichen Aktivitäten gefilmt und die Bilder gesendet. Seine Festnahme wurde im Internet per Mini-Blog ebenso dokumentiert, wie seine Befreiung. Am 7. September um 18.42 Uhr erschien die letzte Nachricht auf seinem Twitter-Konto @_JAVU_: "Die Polizei steht vor meiner Tür, wollen rein. Ich heiße Julio Rivas, bitte verbreitet die Nachricht."

Weniger dramatisch ging es am deutschen Wahlsonntag beim Empfang der Botschaft in Caracas zu. Die erste Hochrechnung wurde für 11.30 Uhr Ortszeit erwartet. Ein hervorragender Anlass für ein Weißwurst-Frühstück. Neben Vertretern der deutschen Community waren viele, vor allem jüngere Vertreter der demokratischen Parteien Venezuelas erschienen. Auch die sozialdemokratische Nachwuchspolitikerin Delsa Solórzano war der Einladung von Botschafter Georg-Clemens Dick in den tropisch-üppigen Garten seiner Residenz gefolgt. Auch hier stand sie natürlich via Blackberry mit den hungerstreikenden Studenten in ständigem Kontakt. Sie hängt es nicht an die große Glocke, aber der harte Kern der Gruppe gehört der sozialdemokratischen Jugendorganisation an. Als Anwältin und vor allem als politische Ratgeberin begleitet sie die Gruppe Tag und Nacht in Echtzeit per Textnachricht und - für das geneigte Publikum diskret einsehbar - per Twitter.

Kanzlerin bekommt, was sie will

Als das internationale Programm der Deutschen Welle die erste TV-Hochrechnung überträgt, gibt es in der Deutschen Botschaft in Caracas keine Jubelschreie. Eine Überraschung ist es auch nicht. Die anwesenden Deutschen erklären den venezolanischen Gästen mit etwas gesenkter Stimme, was die Zahlen wohl zu bedeuten haben:

- „Angela Merkel bekommt, was sie will, eine Koalition mit den Liberalen."

- „Wie früher bei Kohl!"

- "Aber so richtig toll ist das Ergebnis nicht, oder?"

- „Nee, kann man nicht sagen."

- "Was heißt eigentlich Linke?"

- „Ach, sagen wir mal, das sind unsere Postkommunisten."

- „Sind die für Chávez?"

- „Nein, nicht mal mehr die. Vielleicht noch ein bisschen - quizás un poco."

Botschafter Dick war Leiter des Planungsstabes bei Joschka Fischer im Außenministerium. Das Geschäft der politischen Analyse macht ihm sichtlich Spaß. An diesem sonnigen Wahltag unterhält er sich mit einem Mitglied der eher improvisierten Planungsgruppe der demokratischen Parteien Venezuelas, die sich zu einer Koalition in der Opposition zusammengeschlossen haben. Man tauscht Visitenkarten aus und vereinbart ein Treffen in etwas ruhigerer Atmosphäre. Als der venezolanische Analyst und Stratege anschließend erfährt, dass dem deutschen Botschafter der (unbestätigte) Ruf nachgeht, vor 40 Jahren an der Seite von Joschka den ein oder anderen Stein geworfen zu haben, presst er die Lippen zusammen und nickt anerkennend.

Beim Empfang in der Botschaft fehlen die Wahlkampf-Spezialisten der christdemokratischen Parteien COPEI und Primero Justicia. Ihre Parteifreunde in Caracas flachsen herum und suchen sie geschwind auf dem Bildschirm der Deutschen Welle, denn die beiden müssten jetzt im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin bei der Wahlparty der CDU mit einem Sektglas in der Hand zu sehen sein. Aber so schnell findet man die beiden nicht, das TV-Bild zeigt viel zu viele Leute und die Rede von Angela Merkel ist enttäuschend kurz: "Wir sind etwas längere Reden gewöhnt."

Pünktliche und genaue Hochrechnung

Der Vorsitzende der christdemokratischen Partei COPEI, die dreimal den Präsidenten gestellt hat und heute in Umfragen bei zwei bis drei Prozent liegt, Luis Ignacio Planas ist auch in den Botschaftsgarten gekommen und ergattert gerade ein Weizenbier (in Caracas eine seltene Delikatesse). Er stößt mit dem Berichterstatter an und übermittelt die offiziellen Glückwünsche an die CDU. Dann wendet sich das Gespräch aber gleich den kleinen Parteien zu, die in Deutschland jetzt nicht mehr so klein sind. Planas kommentiert: "Bei unserem neuen Wahlrecht hätten wir keine Grünen, Linken, keine FDP und kaum eine Opposition im Parlament. Unser altes Wahlrecht war fast genau wie das deutsche, wirklich von Deutschland abgeschrieben. Jetzt gilt fast reines Mehrheitswahlrecht, so gut wie ohne Minderheitenschutz. Chávez will mit 50 Prozent der Stimmen 80 Prozent der Mandate bekommen." Ebenfalls per Twitter erklärt Planas noch vom Garten der Botschaft aus: "Wir gratulieren Deutschland zu transparenten Wahlen, zu Pluralismus und Beteiligung der Minderheiten! Wir gratulieren Angela Merkel!"

Was in Caracas besonders Eindruck macht, ist die Pünktlichkeit der ersten Hochrechnung und deren Genauigkeit, die sich später erstaunlich bestätigt, während hier in Caracas - weniger erstaunlich - das Weizenbier ausgeht. In Venezuela schließen die Wahllokale traditionell um 4 Uhr nachmittags, müssen aber offen bleiben, wenn noch wartende Wähler in der Schlange stehen. Auf diese Weise konnte die Staatpartei PSUV (Sozialistische Einheitspartei Venezuelas) bei den letzten Wahlen die Schließung der Lokale hinauszögern und mit Kleinbussen der Ministerien und anderer öffentlichen Einrichtungen bezahlte Wähler herankarren. (Ein Hobbyfunker konnte den entsprechenden Funkverkehr eines chavistischen Gouverneurs aufzeichnen. Er wurde im oppositionellen Fernsehsender Globovisión ausgestrahlt.)

Ein weiterer Effekt einer späteren Schließung der Wahllokale liegt darin, dass die Wahlzeugen, insbesondere die der Oppositionsparteien, nach einbrechender Dunkelheit sehr ungern die Auszählung überwachen. Aufgrund der extrem hohen Kriminalitätsrate herrscht vor allem in den Armenvierteln eine faktische Ausgangssperre. Bei dem hastig ausgerufenen Referendum über die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten am 15. Februar 2009 wurde die reguläre Schließung der Wahllokale sogar per kurzfristigem Erlass auf 18.00 Uhr verschoben, obwohl dazu ein Gesetz erforderlich gewesen wäre und die Verfassung eine Änderung des Wahlgesetzes in den sechs Monaten vor dem Wahltag ausschließt.

Jetzt hat das Verfassungsgericht diese Verfassungsnorm einfach umgedreht: Das Parlament berät über das Wahlgesetz, und Wahlen dürfen erst stattfinden, wenn das Parlament fertig ist und weitere sechs Monate vergangen sind. So könnten sich die Abgeordneten ihr eigenes Mandat durch Zuwarten oder Diskutieren des Gesetzes selbst verlängern, mit dem Segen des höchsten Gerichts. Etwas Neues wäre das in Venezuela nicht. Mit Hinweis auf die Diskussion des Wahlgesetzes im Parlament wurden die im August 2008 fälligen Kommunalwahlen auf unbestimmte Zeit verschoben. Mann wisse ja gar nicht richtig, welches Gesetz jetzt gelte, verkündete die oberste Wahlbehörde höchstselbst.

Hoffnung auf klare Kante

Unter solchen heimischen Umständen freuen sich venezolanische Demokraten jeglicher Couleur über die schlichte Größe einer pünktlichen und genauen Hochrechnung aus Deutschland. Während halb bewundernd halb spottend über deutsche Tugenden gealbert wird, erscheint Hans-Dietrich Genscher auf dem Bildschirm. Neben Angela Merkel ist das der einzige Politiker, den die Venezolaner sofort erkennen. Man spricht über den Fall der Mauer, den es am 9. November rund zu feiern gilt (Venezolaner lieben Jahrestage und feiern nicht nur die runden), und über die FDP. Die Eingeweihten wissen und erinnern sich jetzt, dass der Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung Wolfgang Gerhard erst im Mai in Caracas zu Besuch war und klare Worte über die hiesige Situation gefunden hat.

Mary Ponte ist im Parteivorstand von Primero Justicia für die internationalen Beziehungen zuständig. Ihr Lebenspartner, der christdemokratische Landtagsabgeordnete Alberto Crisafi, wurde am 14. Mai 2008 bei einem angeblichen Raubüberfall erschossen. (Einer der Täter wurde gefasst, aber schon nach drei Monaten wieder auf freien Fuß gesetzt. Dies wurde bekannt als derselbe Täter, nur wenig Meter vom ersten Tatort entfernt einen weiteren Mord beging und wiederum gefasst wurde.) Die Konrad-Adenauer-Stiftung fördert das politische Bildungswerk, das den Namen Alberto Crisafi trägt. Beim Gespräch in der Botschaft gratuliert Mary Ponte ersatzweise dem Vertreter der Stiftung für das Ergebnis der CDU. Der merkt an, dass die frohe Herzlichkeit der Gratulation vielleicht nicht in direktem Verhältnis zu den Zahlen steht. Mary Ponte lässt sich die Laune nicht verderben und lobt - wieder ersatzweise - das Ergebnis der FDP: "Wir erwarten jetzt mehr klare Worte aus Deutschland zur Lage der Menschenrechte in Venezuela."

Die Zurückhaltung der Europäischen Union in Sachen Venezuela wird nicht verstanden. In den letzten Wochen hatte insbesondere die geradezu servile Haltung der spanischen Regierung und selbst des sonst um deutliche Worte nicht verlegenen Königs Juan Carlos gegenüber dem venezolanischen Scheckbuch hier für viel Unmut gesorgt. Zu Francos Zeiten hatten sich die spanischen Demokraten auf Venezuela stets verlassen können und viele hatten hier Zuflucht gefunden.

Am Tag nach der Wahl, inklusive Computerabsturz und temporärem Blackberry-Versagen (im Twitter geistern Gerüchte über einen von Iranern oder Kubanern eigens für Venezuela erfundenen Blackberry-Virus herum) sitzt der Berichterstatter am PC, rechts läuft der Fernseher, links das Telefon. Als er zum Hörer greift, um von Mary Ponte noch ein autorisiertes Zitat von Parteichef Julio Borges zu ergattern, unterbricht der Oppositionskanal Globovisión sein Programm: Julio Rivas kommt gerade bei den Hungerstreikern an.

Es hat offenbar eine Weile gedauert von der Verkündung des Gerichtsbeschlusses bis zu seiner Freilassung. Wahrscheinlich hat er nach drei Wochen Gefängnis zwischendurch auch irgendwo geduscht. Mary Ponte kommentiert das Bild der jubelnden Studenten, denn am anderen Ende des Telefons verfolgt sie dieselbe Sendung: "Das sind die neuen Leute, die müssen wir erreichen."

Gadafi versus Julio Rivas

Endlich tritt Rivas vor die Kameras, um seine erste Erklärung abzugeben. Im selben Moment wird das Signal unterbrochen. Das Staatsfernsehen kann per Gesetz alle Frequenzen belegen, wenn der Revolutionsführer vor dem Volk auftreten will. Julio hat seinen ersten Satz noch nicht beendet, da erscheint das Symbol des Informationsministeriums auf dem Bildschirm. Jetzt wird live (oder fast live) übertragen, wie Chávez seinem Freund und Staatsgast Muammar al-Gadafi eine Replik des Schwertes Bolívars überreicht. "Gadafi ist für Libyen, was Bolívar für Venezuela war", sagt Chávez.

Innerhalb von Sekunden twittert die nationale Empörung des demokratischen Bürgertums über den Blackberry. Am Telefon sagt Mary Ponte: "Die ertragen das Bild von Julio im Fernsehen keine Sekunde. Die haben mehr Angst als wir." - Während tags zuvor das deutsche Wahlergebnis in Caracas (ohne Störung) live übertragen wurde, besuchte Gadafi im venezolanischen Ferienparadies Margarita das Einkaufszentrum Sambil.

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