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„Der Default ist nur die Spitze des Eisbergs“

Staatspolitiken für ein aufstrebendes Argentinien

Das Programm des 37. Geburtstags der Fundación Mediterránea und des Wirtschaftsforschungsinstituts IERAL versprach viel. Unter dem hochbesetzten Panel tauchen Namen auf, wie Alfonso Prat-Gay, ehemaliger Präsident der argentinischen Zentralbank, Guillermo Nielsen, Ex-Finanzsekretär und Botschafter Argentiniens in Deutschland, Martín Lousteau, Abgeordneter, und viele mehr. Ein interessanter Tag stand bevor.

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Martín Amengual, Präsident der Fundación Mediterránea, lud die zahlreichen Interessierten auf eine kurze Reise in die Vergangenheit ein und sprach von den Anfängen der Stiftung. Er sprach aber auch über die Zukunft: „Wenn wir die in unseren Land ungenutzten Humanressourcen in den Produktionsprozess miteinbeziehen, könnten wir Arbeitsplätze für rund 9,3 Millionen Personen schaffen.“ Dieser Zukunftsutopie stehen aber noch zahlreiche Hürden im Wege – die hohe Inflation, der Abfall der Reallöhne, die schwindenden Devisenreserven und das wachsende Leistungsbilanzdefizit sind einige der Punkte, an denen langfristige Politiken benötigt würden, um Argentinien auf den Weg der Besserung zu manövrieren.

In einem Punkt waren sich fast alle Experten, ob Ökonomen, Politologen oder Unternehmer einig: die aktuellen Schwierigkeiten seien vielmehr politischen als ökonomischen Ursprungs. Gustavo Reyes, Wirtschaftswissenschafter bei IERAL, sprach von der schwierigen Aufgabe die Inflation zu senken. Argentinien sei nach Venezuela das Land mit der zweithöchsten Inflation weltweit. Wichtig sei hier, die Unabhängigkeit der Zentralbank wiederherzustellen, Institution, der der darauffolgende Redner, Alfonso Part-Gay, vorsaß. Besorgt äußerte er sich über die galoppierende Inflation und das mangelnde Vertrauen in den argentinischen Peso. „Wir müssen aus dem Teufelskreis der Inflation und Überschuldung ausbrechen“, appellierte Prat-Gay.

Nachdem Inés Butler, Chefökonomin des IERAL Buenos Aires, über die Einbettung Argentiniens in den internationalen Markt sprach, war ein weiterer bekannter Experte an der Reihe. Guillermo Nielsen gab zu Bedenken, dass der Default nur die Spitze des Eisbergs der finanziellen Probleme Argentiniens sei. Er sieht in der Wirtschaftspolitik Deutschlands das Gegenstück zur argentinischen. Besonders beunruhigend sei laut Nielsen, dass durch die Zahlungsunfähigkeit die schwer errungenen Umschuldungen aus den Jahren 2005 und 2010 zu kippen drohen.

Die Forscher des IERAL Juan Garzón, Jorge Day und Gerardo Alonso Schwarz sprachen in ihren Vorträgen über Produkt- und Warenketten. Sie sahen in den Import- und Exportrestriktionen große Hürden für die argentinische Wirtschaft. Martín Lousteau, Abgeordneter und ehemaliger Wirtschafts- und Produktionsminister, sah in der Industrialisierung den Weg das Land aus der ökonomischen Schlappe zu leiten. Dafür müsse Argentinien aber stabiler werden. Die großen Preisschwankungen denen der Peso ausgesetzt ist, zeigen sich hier als grundlegendes Problem. Lousteau gab ebenso zu bedenken: „Je größer das Gewicht des Staates in der Wirtschaft ist (Anm. in Argentinien rund 43 Prozent), desto effizienter muss dieser wirtschaften.“ Dafür benötige man vor allem strategische Planung, die derzeit fehle.

Jorge Vasconcelos, Vizepräsident der IERAL, und Federico Sturzenegger, Abgeordneter und ehemaliger Präsident der Banco Ciudad, betraten nach einer kurzen Pause das Podium um über Investitionen und Wachstum zu sprechen. Sturzenegger sagte: “Ich will euer Denken über die Vergangenheit und die Zukunft verändern“ und stellte hierzu einen Vergleich der Wachstumszahlen in den letzten dreihundert Jahren an. Für den Experten, sei die Bildung Grundlage um die Chancen der Zukunft voll auszuschöpfen.

Danach sprachen Marcelo Capello, Präsident der IERAL, und Roberto Lavagna, ehemaliger Minister für Wirtschaft und Produktion, über den Zusammenhang zwischen Institutionen und Staatspolitiken. Capello kritisierte: „Wir durchleben einen Qualitätsverlust der Institutionen im Land. Diesen umzukehren, verlangt nach langfristigen Politiken und Vereinbarungen, die auch wirklich eingehalten werden.“ Lavagna gab zu bedenken, dass 1974 nur vier Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten, heute seien es 28 Prozent. Beide verlangten nach starken und qualitativ hochwertigen Institutionen.

Weitere Redner des hochkarätigen Programms waren Luis Miguel Etchevere, Präsident der Sociedad Rural, Jaime Campos, Präsident der Unternehmervereinigung, Rosendo Fraga, Politikanalyst, Daniel Zovatto, Direktor von IDEA International für Lateinamerika, und Guillermo Coco, Minister für Energie der Provinz Neuquén. Die Experten sprachen über die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, die argentinische Politik im lateinamerikanischen Kontext und Energiepolitik.

An dem langen und interessanten Tag wurden viele Meinungen ausgetauscht. Die Politiker, Ökonomen und Unternehmer nahmen sich den Geburtstag der zum Anlass, sich an einem Tisch zu setzen und gemeinsam über die Zukunft ihres Landes nachzudenken. Fraga erhoffte sich, dass auch die Präsidentschaftskandidaten daraus eine Lehre ziehen können und Bereitschaft für Zusammenarbeit mit Opposition, Unternehmern und Experten zeigen.

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