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Veranstaltungsberichte

„Sie zeigten uns, dass wir nicht gleichwertig waren“

Am 7.11.2013 organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung Argentinien e.V. ein Zeitzeugengespräch zwischen der ungarischen Holocaustüberlebenden Catalina Hantos de Kertesz und Schülern des Instituto Español Virgen del Pilar.

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„Ich hoffe, ich werde sie nicht enttäuschen“, befürchtete Catalina Hantos de Kertesz vor dem Gespräch mit den rund neunzig Jugendlichen der vierten und fünften Schulstufe des Instituto Espanol Virgen de Pilar im bonarenser Stadtteil Colegiales. Eine Besorgnis, die sich nach ihren Ausführungen und den zahlreichen Fragen der Schüler in Luft aufgelöst haben soll. Die Holocaustüberlebende erzählte den Schülern ihre Lebensgeschichte. Eine Geschichte, die durch die Verbrechen des Nationalsozialismus, das Wegsehen Vieler, aber auch den Mut Einiger geprägt ist.

Catalina Hantos de Kertesz wurde 1933 in der ungarischen Hauptstadt Budapest im Schoß einer Intelektuellenfamilie geboren. Ihr Vater studierte in Wien Chemie und arbeitete danach in einem großen budapester Unternehmen. Mit der jüdischen Religion kam sie durch ihren Großvater in Berührung. Er nahm sie als Kind manchmal in die Synagoge mit, wurde jedoch vom Rabbiner gebeten, sie besser zu Hause zu lassen. „Wieso? Da ich immer mit den anderen tratschen wollte, und so die Messe störte“ erzählte Catalina Hantos schmunzelnd. Doch Hantos Leben wandelte sich komplett mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Ungarn im Sommer 1944. Ab diesem Zeitpunkt musste sie nicht nur den gelben „Judenstern“ tragen, sondern auch die strengen Ausgangzeiten beachten. „Unser Leben reduzierte sich rasend schnell. Sie zeigten uns, dass wir nicht gleichwertig waren“, erinnerte sich die Zeitzeugin. Nach einigen Wochen musste die Familie auch aus ihrer Wohnung und in eines der Ghettos der Stadt ziehen. Die Eltern schafften es jedoch der Familie gefälschte Dokumente zu besorgen. So wurde das Mädchen in eine Klosterschule geschickt. Die Nonnen wussten von der falschen Identität ihrer neuen Schülerin und setzten alles daran das 11-jährige Mädchen vor der Verfolgung zu schützen. Mit vielen Emotionen schilderte sie, wie die Nonnen ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, um das im Kloster versteckte jüdische Mädchen zu retten. Auch ihre Eltern konnten dem Konzentrationslager entkommen und waren während der Besetzung unter falschen Dokumenten als Fabriksarbeiter und Kutscher beschäftigt.

Nach dem Ende des Krieges emigrierte die Familie nach Argentinien. Die damals 15-jährige Catalina Hantos kam 1948 an. Mit einem Lächeln auf den Lippen erklärte sie: „Argentinien ist ein einzigartiges Land und die Argentinier sind überaus herzlich.“ Nie habe sie darüber nachgedacht, wieder zurück nach Ungarn zu gehen. Hantos drehte sich kurz zu ihrem Ehemann um, der sie zum Vortrag begleitete und führte aus: „Das Land hat mir wieder Hoffnung gegeben und mir ermöglicht, meinen eigenen Weg und mein persönliches Glück zu finden.“

Spätestens hier ist klar: die Zeitzeugin hat die Jugendlichen nicht enttäuscht. Sie hat ihnen vielmehr die einzigartige Chance gegeben, Geschichte zu erleben und „zu berühren“. Catalinas Sorgen, wie ihre Lebensgeschichte bei den Schülern ankommen würde und ob sie etwas beeinflussen könne, wurden auch vom Direktor der Schule zerstreut. Ihre Erzählungen seien ein wichtiger Beitrag zur ethischen Bildung der Jugendlichen. Die Entscheidungen, die sie in Zukunft treffen, werden vom Erlebten beeinflusst. Und sie würden den Vormittag mit der stolzen Argentinierin sicherlich niemals vergessen. Die Schüler hatten viele Fragen an sie und wollten mehr über ihre Jugend in Ungarn und ihr neues Leben in Argentinien erfahren. Nach dem Vortrag verabschiedeten sich alle herzlich. Einige blieben auch noch ein paar Minuten mit ihr und ihrem Ehemann im leeren Klassenzimmer stehen und tauschten sichtlich gerührt einige Worte mit dem Ehepaar aus.

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