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Empathie statt „Politik der harten Hand“

Im Vorfeld des „Kongresses über Drogenhandel und verwandte Straftaten“ der Stadt Buenos Aires luden die PRO-Abgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann und Dr. Raúl Plee, Staatsanwalt am Strafrevisionsgericht, am 19. August zu einer Diskussionsrunde mit argentinischen Abgeordneten im Kongress. Félix Murazzo, peruanischer Innenminister a.D. und früherer Direktor von Interpol in Lateinamerika, sowie Robson Rodrigues da Silva, ehemaliger Chef der Policía Pacificadora in Rio de Janeiro und aktuell Leiter des Forschungsinstituts Igarapé, berichteten über ihre länderspezifischen Erfahrungen.

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Jüngste Vorkommnisse drogenbezogener Gewalt in Santa Fé und Rosario haben Argentinien aufschrecken lassen. „Es fehlt an Entschlossenheit und einer klaren politischen Linie um diesem Problem gegenüberzutreten“, so Cornelia Schmidt-Liermann. Der Drogenmarkt verlagert sich zunehmend vom Norden des Kontinents gen Süden. Während die einstigen Drogenhochburgen in Kolumbien im internationalen Drogengeschäft an Wichtigkeit verloren haben, gewinnt Argentinien, ähnlich wie Brasilien, als Transitland an Bedeutung. Die Drogen selbst stammen dagegen vorwiegend aus Bolivien, Paraguay und Peru.

Dass Strategien im Drogenkampf neu konzipiert werden müssen, steht außer Frage. Der Kontinent kämpft seit Jahrzehnten gegen den Drogenhandel. Rodrigues da Silva zufolge habe man dennoch versäumt, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen: „Vieles, was in Kolumbien geschehen ist, hat sich später in Brasilien wiederholt.“ Sowohl in politischer als auch juristischer Hinsicht mache Brasilien nur langsam Fortschritte. Obwohl das Land einen steigenden Konsum von Kokain, Antidepressiva und Amphetaminen verzeichne, halte die Politik weiterhin an ihrer traditionell konservativen Linie fest. Rodrigues da Silva rief zum Umdenken auf: „Staatliche Sozialprogramme entsprechen der Realität der von Armut, Gewalt und Drogenhandel betroffenen Gesellschaftsschichten nur selten und sind oftmals mit Vorurteilen behaftet.“ Nach 30 Jahren Berufserfahrung in der Militärpolizei Rio de Janeiros forderte er einerseits Reformen in Justiz und öffentlicher Sicherheit zur Entkriminalisierung des Drogenhandels. Insbesondere der Narcomenudeo, der „Drogeneinzelhandel“ am Endverbraucher, fernab von organisierter Kriminalität und Drogenkartellen, verlange aber andererseits mehr Empathie von Seiten der Polizei und der Sicherheitskräfte. Die bisherige „Politik der harten Hand“ generiere dagegen gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Policía Pacificadora in Rio de Janeiro könnte daher zum Vorbild für andere lateinamerikanische Staaten werden.

Obwohl das Thema selten so akut und aktuell war, sind vertrauenswürdige Informationen oftmals Mangelware, was systematische Kooperation und länderübergreifende Koordinierung erschwert. „Entweder gibt es gar keine Information, unbrauchbare Information oder gezielte Desinformation“, beklagte Félix Murazzo. Auch die justizielle Vorgehensweise im Kampf gegen den Drogenhandel bedürfe eines Strukturwandels, gab Dr. Raúl Plee zu bedenken. „Solange wir nicht anerkennen, dass wir es nicht mit kriminellen Banden, sondern mit einem auf Gewinn ausgelegten, wirtschaftlichen Unternehmen zu tun haben, wird keine unserer Strategien aufgehen.“

Anna-Lena Schmidt

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