Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung

Harter Alltag in den Elendsvierteln

Argentinien zählte einst zu den reichsten Ländern der Welt. Heute ist es ein Land der Extreme, von Gegensätzen geprägt. Im Zuge der Konferenz „Der Boden: Grundlage für die Entwicklung” besuchten die Teilnehmer des internationalen Forums, das vom 24. bis zum 28. Juni in Buenos Aires und Rio di Janeiro stattfand, mehrere Armutsiedlungen um die Hauptstadt Buenos Aires. Perspektivlosigkeit ist dort allgegenwärtig. Die daraus resultierenden Konflikte gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und haben das Potential, Demokratien aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Asset-Herausgeber

Argentinien zählte einst zu den reichsten Ländern der Welt. Heute ist es ein Land der Extreme, von Gegensätzen geprägt. Der Graben zwischen arm und reich wächst nach den Aufschwungjahren nach dem Staatsbankrott 2001 wieder. Die Menschen leiden vor allem unter der Inflation und der Unsicherheit. Am deutlichsten tritt dies in den Elendvierteln rund um die Hauptstadt Buenos Aires zum Vorschein. Von den rund 13.8 Millionen Einwohnern des Großraums Buenos Aires leben laut Schätzungen des nationalen Statistikinstituts INDEC rund 200.000 in den Elendvierteln. Die Dunkelziffer liegt dabei weitaus höher.

In einigen der 38 sogenannten „Villas Miserias“ in und um die Hauptstadt leben bis zu 70.000 Menschen - Tendenz steigend. Die Sozial- und Infrastruktur der Elendsviertel ist dabei oft katastrophal, der materielle Mangel unübersehbar. Gesundheitsversorgung, sanitäre Einrichtungen, Strom und sauberes Trinkwasser gelten hier als Luxus.

Argentinien, das Einwanderungsland, das vielen Europäern soziale Aufstiegschanchen bot, hat sich grundlegend gewandelt. Während der letzten Wirtschaftskrise wanderten viele gut ausgebildete junge Menschen aus. Der Arbeitsmarkt hatte sich zwischenzeitlich erholt und zog vor allem gering qualifizierte Migranten aus den ländlichen Gebieten Boliviens und Paraguays an. Sie kamen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Viele dieser Immigranten trifft man heute desillusioniert in den Villas wieder. Perspektivlosigkeit ist dort allgegenwärtig. Die daraus resultierenden Konflikte gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und haben das Potential, Demokratien aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Kaum eine dieser Siedlungen hat einen Namen, man gibt ihnen Zahlen. So auch die Villa 20, die im Zuge der Konferenz „Der Boden: Grundlage für die Entwicklung” besucht wurde. Das internationale Forum, das vom 24. bis zum 28. Juni in Buenos Aires und Rio di Janeiro stattfand, wurde von den Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien und Brasilien unter der Federführung des Regionalprogramms für Parteienförderung und Demokratie in Lateinamerika organisiert. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam verantwortunsvolle und nachhaltige Nutzung des Bodens zu diskutieren und einen lebhaften Dialog und Ideenaustausch zu fördern. Neben Experten, Wissenschaftlern und jungen Politikern aus Lateinamerika nahmen auch Marc Reinhard, Abgeordneter und Vorsitzender des Innenausschusses des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Sebastian Ehlers Vorsitzender der CDU/FDP-Fraktion des Landeshauptstadt Schwerin und Vincent Kokert, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, daran teil.

Am Freitag, dem 28. Juni, konnten die Teilnehmer bei einer Exkursion in die Armutsiedlungen um Buenos Aires eindrückliche Einblicke in den dortigen Lebenalltag und verschiedene Sozialeinrichtungen gewinnen. Begleitet wurde die Gruppe vom Sekretariat für Lebensraum und Integration der Stadt Buenos Aires (SECHI), welches sich zur Aufgabe gemacht hat, durch gezielte Förderung zivilgesellschaftlicher Partizipation die Villas zu würdevollen, lebenswerten Viertel zu machen. Erreicht werden soll dies durch den Ausbau direkter Beziehungen zwischen der lokalen staatlichen Administration und den dort lebenden Bürgern.

Daniela Baro, Mitarbeiterin bei SECHI, erklärte den Teilnehmern, dass die konkreten Maßnahmen des Sekretariats zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf drei Säulen basierten: Die erste bestehe aus der ständigen Präsenz vor Ort, die den Menschen den Zugang zur staatlichen Verwaltung und Dienstleistungen erleichtere. In der Praxis seien dies die sogenannten „Portales Inclusivos“, provisorisch errichtete Büros der Stadtverwaltung, die man in allen Villas wieder findet. Sozialarbeiter seien dort direkte Ansprechpartner und Mittler zwischen dem staatlichen Verwaltungsapparats und den Bewohnern der Armutsviertel.

Die strategisch soziale Stadtentwicklung bilde die zweite Säule und befasse sich mit der Entwicklung des öffentlichen und privaten Lebensraums. Dazu zähle unter anderem das Errichten von Abwassersystemen, Parks, Spielplätzen, Krankenhäusern und Kindergärten. Entscheidungen über deren Errichtung würden gemäß dem bottom-up Prinzip gefällt. Es gäbe keinen öffentlichen Plätze, kein Gebäude und keinen Straßennamen bei denen die Bewohner nicht das letzte Wort gehabt hätten. Viele Menschen in den Villas sind zudem gut ausgebildete Handwerker, Elektriker oder Bauerbeiter. Ihr Wissen werde genutzt, um sie intensiv an den Arbeiten in ihren Siedlungen zu beteiligen. Dies stärke das Zugehörigkeitsgefühl und biete ihnen Perspektiven. Verwaltet würden die öffentlichen Einrichtungen, nach ihrer Fertigstellung ebenfalls, fast ausschließlich von den Bewohner der Villas. Davon konnten sich die Konferenzteilnehmer bei dem Besuch eines Kindergartens, öffentlicher Sportplätze und eines Gemeindezentrums mit integrierter Freiwilligenwerkstatt und Entzugsklinik für drogensüchtige Jugendliche selbst ein Bild machen.

Die Gestaltung des öffentlichen Raumes, so Baro, spiele für die Integration der Villabewohner eine bedeutende Rolle. Man bräuchte Orte, an denen sich die Gemeinschaft treffen könne. Sei es zum Diskutieren oder, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. SECHI hat sich zur Aufgabe gemacht, vernachlässigte öffentliche Plätze in nutzbaren Lebensraum zu verwandeln.

Die dritte Säule beruhe auf der Integration informeller Siedlungen in die Stadt Buenos Aires. Um dies zu erreichen, müssten die Lebensverhältnisse in den Elendvierteln Schritt für Schritt an die der übrigen Bevölkerung angepasst werden, betonte Baro. Dazu sei es notwendig, auf die grundlegenden Bedürfnisse und Freiheiten der Bürger einzugehen, ihnen Aufstiegschancen zu bieten und sie nicht als Randruppe zu betrachten. Die argentinische Gesellschaft müsse wieder zusammen rücken, um die vielerorts vorherrschende Armut zu besiegen. Das Wirtschaftswachstum müsse allen Gesellschaftsschichten zugutekommen.

Ein großes Problem in den informellen Siedlungen und im Kampf gegen die Armut sind zudem die ungeklärten Eigentumsverhältnisse der Grundstücke. Wer keine gesicherten Eigentumstitel aufweisen kann und besitzlos ist, könne zum Beispiel keinen Kredit aufnehmen. Dies stellt ein immenses Hemmnis für die ökonomische Entwicklung der Villas dar. Illegal errichtete Wohnhütten mit Eigentumstiteln zu versehen, fällt ebenfalls in den Aufgabenbereich der SECHI. Ramiro Masjuán, der diese Abteilung leitet, zeigte den Kongressteilnehmern wie dabei vorgegangen werden muss. Nachdem die Besitzverhältnisse unter den Nachbarn der Villas einvernehmlich geklärt worden seien, sagte der Experte, würde den Bewohnern die Möglichkeit zum Kauf des Grundstückes angeboten, welches sich im staatlichen Besitz befinde. Die staatliche Förderbank greife den zukünftigen Hausbesitzern dabei mit zinsgünstigen Krediten und langfristig angelegten Ratenzahlungn unter die Arme. Nach und nach würden somit Eigentumstitel vergeben und die notwendigen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Sicherheit geschaffen, die es den Bewohner der Villas ermöglichten, aktiv am Wirtschaftskreislauf teilzuhaben.

Das anschließende gemeinsame Streichen der Häuser mit den Bewohner der Villas sollte dazu beitragen, den öffenlichen Raum ein kleines Stück lebenswerter zu gestalten. Das von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien, dem gemeinnützigen Aktionsprogramm „Más Color” und dem Sekretariat für Lebensraum und Integration organisierte Sozialprojekt ermöglichte zudem, vor Ort mit den Anwohnern zu sprechen und sich selbst ein Bild von deren Lebenswirklichkeit zu machen.

Asset-Herausgeber

Kontakt

Olaf Jacob

Olaf Jacob

Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de +56 22 234 20 89

comment-portlet

Asset-Herausgeber