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Ideologie als Lebensgefühl: Die Vermarktung der kubanischen Revolution

La revolución cubana como producto de marketing

Am Montag, den 5. Mai 2014, war Zoé Valdés zu Gast bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vor Vertretern von Cadal und Journalisten sprach die kubanische Exilschriftstellerin über die Verbrechen des Regimes auf Kuba und die Zukunft ihres Landes. Im Anschluss beantwortete sie die Fragen der Zuhörer.

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Hernán Alberro, Programmdirektor beim argentinischen Think Tank Cadal stellte den Gast vor: Zoé Valdés sei eine Freidenkerin, die stets gegen den Strom schwimme. Von 1984bis 1988 war sie Mitglied der kubanischen Delegation bei der Unesco und gehörte der Oficina Cultural de la Misión de Cuba in Paris an. Danach kehrte sie als Schriftstellerin und Drehbuchautorin nach Kuba zurück. 1994 übernahm sie für vier Jahre das Amt der Vizedirektorin der Zeitschrift Cine Cubano. 1995 verließ sie Kuba nach Repressalien durch das Castro-Regime und lebt seitdem in Paris im Exil. Ihr Land habe sie jedoch nie losgelassen. Das Engagement für die Freiheit, insbesondere für die Freiheit des Wortes und der Gedanken, bestimme ihr Schaffen. Als Gewinnerin zahlreicher Buchpreise und Jurorin auf internationalen Festivals sei sie heute ein viel beachteter Gast auf Konferenzen, in Universitäten und Buchhandlungen in der ganzen Welt. Zoé Valdés wolle aufrütteln, sagte Alberro, und die Menschen zum Nachdenken bringen.

Dieses Versprechen löste die Schriftstellerin im Anschluss während des fast zweistündigen Gesprächs zu Literatur und Politik ein. Die internationale Gemeinschaft, so ihre zentrale Botschaft, verharmlose bis heute das Regime und habe viele seiner grausamen Verbrechen am eigenen Volk vergessen. So erinnerte sie an die abgeschirmten Lager für Aidskranke, die in den 1980er Jahren auf der Insel installiert worden waren, und sprach von unzähligen Ermordungen politischer Gegner. Nicht einmal Kinder seien verschont geblieben. Nach 60 Jahren kommunistischer Diktatur, ideologischer Indoktrinierung, Unfreiheit, verbotenen Büchern und verbotenen Gedanken, herrsche unter den Menschen ein Gefühl der Trägheit und der Ausweglosigkeit, das man auch als Angststarre bezeichnen könne. Wie könne es also sein, dass trotz allem im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer neue Geschäfte mit dem Regime Castro gemacht worden seien? Und warum unterstützten so viele Menschen im Ausland die Führung in Havanna in einer Zeit, in der Informationen über Menschenrechtsverletzungen im Internet nahezu frei zugänglich seien?

„Die Revolution auf Kuba ist gescheitert“, sagte Valdés, und ergänzte: „Aber ihre politische Vermarktung ist bis heute ein Welterfolg.“ Die Verharmlosung sei deshalb so wirksam, weil es gelinge, die tropische Insel als „marxistisches Paradies auf Erden“ zu präsentieren. Auch die reiche Kultur auf Kuba, ihre berühmten Schriftsteller und ihre Musik seien immer schon effektvoll zu Propagandazwecken inszeniert und missbraucht worden. Valdés sieht ein Problem im Kampf mit der Diktatur darin, dass das Regime sich diese reiche Kultur zunutze mache, während oppositionelle Kreise und insbesondere die kubanische Exilführung, im Ausland lebende kubanische Künstler nicht ausreichend unterstütze. Man rede „zu viel über Fidel und zu wenig über die Kubaner“.

Darauf angesprochen, welchen Einfluss die Ideologie des Regimes gerade in Lateinamerika gewonnen habe, äußerte sich Valdés besorgt und verwies in diesem Zusammenhang nicht nur auf Venezuela, sondern auch auf die Unterstützung, die die Castro-Familie in Argentinien erfahre. Wenn selbst Journalisten in einer Demokratie eisern das kubanische Regime verteidigten, sei dies nicht zuletzt Ergebnis des Politmarketings, das aus der Revolution ein verklärendes Lebensgefühl mache. Doch: „Wenn sich Ideologie in ein Gefühl verwandelt, lässt sie sich nur sehr schwer bekämpfen“, sagte Valdés.

Etliche Zuhörer befragten die Schriftstellerin zu ihrer Einschätzung der Möglichkeiten für einen demokratischen Wandel. Doch die jüngsten politischen und ökonomischen Öffnungen ihres Landes sieht Valdés eher nüchtern. Es habe in der Vergangenheit immer wieder Phasen der Entspannung gegeben, die das Regime genutzt habe, um internationale Investoren zu gewinnen. Das Schema sei immer das gleiche: Eine Scheinopposition erwecke die Illusion eines Wandels. Sobald die Investoren ihre Arbeit getan haben, würden sie wieder unter einem Vorwand enteignet und aus dem Land geworfen. Der Führungszirkel um die Familie Castro habe sich auf diese Weise bereichern und seine Macht festigen können. Der Einfluss der Castros reiche mittlerweile weit über Kuba hinaus: So erzählt Valdés von einem Konzert für die Freiheit Kubas, das sie in Paris organisiert hatte. „Das Konzert fand niemals statt. Der Direktor des Theaters, in dem es stattfinden sollte, wurde nach Kuba eingeladen und in Havanna geehrt.“

Valdés sparte nicht mit Kritik, auch an der internationalen Gemeinschaft. So ließen sich beispielsweise Journalisten und Beobachter immer wieder vom geschickt agierenden Regime manipulieren. „Wenn ein Schwarzer bei einem Hungerstreik im Gefängnis stirbt, lenkt das Regime selbst die Aufmerksamkeit auf einen anderen, oft gekauften oder erfundenen Dissidenten, über den dann eifrig berichtet wird. Der Tote im Gefängnis ist vergessen.“ In Europa müsse man zudem verstehen, dass Castro seine Nachfolge längst geregelt und gut geplant habe. Über die Jahre habe das Regime eine Pseudo-Opposition aufgebaut. So solle bei einer teilweisen Machtübergabe eine demokratische Fassade gewahrt werden. Valdés spricht sich daher für ein eisernes Embargo und internationale Isolation aus. Einen demokratischen Wandel wie er beispielsweise in Spanien stattgefunden hat, dürfe man dabei nicht zum Vorbild für ein mögliches Szenario in Kuba nehmen. „Die internationale Gemeinschaft muss sich klarmachen, dass es einen demokratischen Wandel in Kuba nur dann geben kann, wenn alle Mitglieder des Regimes vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Verantwortung gezogen werden.“ Hier stehe eine Titanenaufgabe bevor.

Zoé Valdés spricht eindringlich und macht ihren Zuhörern die Enttäuschung begreifbar, mit der sie auf die Entwicklung ihres Landes blickt. Die Situation gäbe wenig Anlass zur Hoffnung. Ob sie trotz allem noch an eine Veränderung glaubt?

„Wenn man sein zweites Buch schreibt, glaubt man noch, die Welt erobern zu können“, sagt Valdés. „Ich habe bereits 25 geschrieben.“ Dennoch gibt sie nicht auf: „Ich glaube an die einfachen Leute auf der Straße.“ In aller Demut und Bescheidenheit müsse man im Kleinen anfangen, keine Ideologien verkünden, sondern mit den Menschen Kontakt aufnehmen, sich für sie interessieren, mit ihnen sprechen. Die Kubaner besäßen eine große Sensibilität für Recht und Unrecht. Einer ihrer berühmtesten Vertreter, der große Schriftsteller José Martí sprach einst von der „Waffe des Volkes.“ Gemeint sei, wie Zoé Valdés betont, das Denken und sein freier Ausdruck. Eine freie, demokratische Gesellschaft sei auch in Kuba möglich.

Medienecho:

La Nación

Deutsche Welle

Blog de Zoé Valdés

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