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Veranstaltungsberichte

Kommunalpolitik für die sozioökonomische Entwicklung

Modul III des Diplomkurses Konrad Adenauer in Öffentlicher Politik

Das dritte Modul des Diplomkurses Konrad Adenauer, der vom 21. Mai bis zum 5. November 2015 in der Stadtverwaltung von Córdoba durchgeführt wird, fand am 20. und 21. August 2015 statt. Ein Vortrag des Ökonomen Carlos Vittar mit dem Titel „Soziale Marktwirtschaft in Deutschland" erweiterte das Unterrichtsprogramm von Dozentin Marcela Fratondi.

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Der Diplomkurs Konrad Adenauer in Öffentlicher Politik ist eine Initiative der Asociación Estudios Populares (ACEP) und der Konrad Adenauer Stiftung. Ausgehend von der Perspektive des christlichen Humanismus hat die KAS gemeinsam mit ACEP eine Reihe von Kursen und Seminaren organisiert, die zahlreiche Themen im Bereich regionaler und lokaler Politik behandeln. Im dritten Modul des Diplomkurses in Córdoba diskutierten die Teilnehmer über politische Entscheidungen im Kontext sozioökonomischer Entwicklung, wobei Dozentin Marcela Fratondi das Augenmerk insbesondere auf die Rolle einzelner Akteure sowie auf die Bedeutung von Dezentralisierung als Mittel lokaler Entwicklung legte. Das Ziel der Unterrichtseinheit bestand nicht nur darin, die theoretischen Kenntnisse der Kursteilnehmer im Bereich nachhaltiger und sozialer ökonomischer Entwicklung zu erweitern, sondern ihnen darüber hinaus praktische Tipps für die Entwicklung kommunalpolitischer Projekte an die Hand zu geben.

„Für mehr sozioökonomische Entwicklung auf lokaler Ebene müssen Staat, Provinz und Kommune eng zusammenarbeiten“, stellte Fratondi gleich zu Beginn fest. Als zentrale Akteure im Bereich lokaler Entwicklung haben die Regierungen von Kommune, Provinz und Staat unterschiedliche Kompetenzen: Während die Stadtregierung lediglich zur sozioökonomischen Entwicklung der eigenen Kommune beiträgt, ist die Provinzregierung für die übergreifende Koordination der politischen Pläne, Programme und Projekte zuständig. Im Zusammenspiel stellen die Regierungseinheiten die notwendigen Bedingungen für die ökonomische Entwicklung bereit.

„Ein zentrales Mittel der sozioökonomischen Entwicklung auf lokaler Ebene ist die Dezentralisierung“, führte Fratondi aus. Einzelne Kommunen können zur Dezentralisierung beitragen, indem sie mit anderen Kommunen kooperieren – und sich zu sogenannten „Mikroregionen“ zusammenschließen. Die Mikroregionen fungieren als Entwicklungsinstanzen, mit deren Hilfe die beteiligten Kommunen ihre produktive Kapazität sowie ihr wirtschaftliches Potenzial steigern sollen. Diese interkommunalen Zusammenschlüsse, die in einigen Provinzen Argentiniens bereits weit verbreitet sind, bilden sich entweder „von unten“ dank des Engagements der Bürgermeister einzelner Kommunen, oder „von oben“ infolge von Beschlüssen der Provinzregierung. Letzteres ist etwa in der Provinz Chaco der Fall. Auch wenn die Mikroregionen noch immer vor zahlreichen Herausforderungen stehen und sich insbesondere mit personellen, organisationalen sowie Führungsproblemen auseinandersetzen müssen, haben sie sich als geeignetes Werkzeug im Kampf gegen die strukturellen und funktionalen Probleme der argentinischen Städte und Kommunen gezeigt: In den Mikroregionen verzeichnet man tatsächlich mehr Produktion und Wachstum.

Im zweiten Teil ihrer Unterrichtseinheit befasste sich Fratondi näher mit dem wohl wichtigsten Akteur der sozioökonomischen Entwicklung: der Kommune, die die Rolle des „Entwicklungsmotors“ übernimmt. Um lokalpolitische Projekte erfolgreich zu entwickeln und durchzuführen, müssen die beteiligten Lokalpolitiker zunächst die aktuelle Situation der Kommune analysieren: Welches wirtschaftliche Profil hat meine Kommune: Ist es klar definiert oder krisengeschüttelt? Welches Potenzial hat meine Region in der nahen und mittleren Zukunft? Und ebenso wichtig: Welches Verwaltungsmodell liegt vor? Mit wem kann ich innerhalb der Lokalregierung kooperieren und strategische Partnerschaften knüpfen? Ausgehend von der Situationsanalyse können Stadträte daraufhin an die besondere wirtschaftliche Situation angepasste Projekte entwickeln und diese möglichst sozial und nachhaltig gestalten. Auf die rege Nachfrage der Kursteilnehmer – größtenteils Angestellte der Gemeindeverwaltungen Córdobas – formulierte Fratondi an dieser Stelle einige praktische Tipps, die die Kursteilnehmer in ihrer täglichen Arbeit anwenden können.

„Wohlstand für alle“

Im Rahmen der öffentlichen und mit rund 50 Gästen sehr gut besuchten Konferenz, die am Nachmittag des 20. August in der Stadtverwaltung Córdobas stattfand, referierte der in Lüneburg promovierte Ökonom Carlos F. Vittar über das Wirtschaftsmodell Deutschlands: die soziale Marktwirtschaft, die oft als Quelle der deutschen Wirtschaftskraft bezeichnet wird.

Mit einem kurzen historischen Abriss der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges führte Vittar ins Thema ein und erklärte, wie die größtenteils zerstörte Wirtschaft sich dank geschickter Politik und ausländischer Hilfe überraschend schnell erholte. „Wohlstand für alle“, die berühmte Forderung des zweiten Bundeskanzlers Ludwig Erhards, prangte dabei bunt an der Wand. „In dieser Zeit baute man den funktionierenden deutschen Sozialstaat aus“, erklärte Vittar. Dessen Wurzeln liegen jedoch weiter zurück: Bereits unter Otto von Bismarck hatte es erste sozialstaatliche Reformen gegeben. Später wurde das Konzept unter dem Namen Plan Beweridge in Großbritannien adaptiert. Heute ist der Sozialstaat in der deutschen Verfassung verankert.

Anschließend präsentierte Vittar die zentralen Charakteristiken der sozialen Marktwirtschaft: In Abgrenzung sowohl zum freien Markt als auch von der kommunistischen Planwirtschaft beruht der Sozialstaat auf dem Prinzip der Umverteilung. Auch wenn die Umverteilung mitunter negative Nebeneffekte haben könne, zeigte sich Vittar enthusiastisch: „Auch ich habe als Student von der Umverteilung profitiert. Ich kam in Deutschland mit einem einzigen Koffer an und konnte in ein vollausgestattetes Studentenwohnheim ziehen. Niemand brauchte Kapital, um studieren gehen zu können.“ Insbesondere die insgesamt siebzehnjährige Erfahrung an den Universitäten in Tübingen, Hamburg und Lüneburg bereicherte den Vortrag Vittars stark. So bestand auch sein Fazit nicht in theoretischer Analyse, sondern aus einer persönlichen Feststellung: „Der Sozialstaat vermag es, eine Vertrauenskultur zu schaffen. Und auch die ist nötig für die sozioökonomische Entwicklung.“

Sabine Volk

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