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Das Blaue Gold des Guarani-Aquifer

von Janine Pößneck

Ein Beispiel internationaler Kooperation in Fragen der Ressourcenverteilung grenzüberschreitender Wassersysteme

Wasser. Das blaue Gold. Das Wirtschaftsmagazin “Fortune” schreibt: “Wasser wird für das 21. Jahrhundert, was Erdöl für das 20. Jahrhundert war.” Laut UN-Angaben werden bereits im Jahr 2025 so viele Menschen auf der Erde leben, dass das verfügbare Trinkwasser nicht mehr für alle ausreichen wird. Im Juli 2010 haben die Vereinten Nationen Wasser offiziell zum Menschenrecht erklärt.

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Über 90 Prozent der weltweiten Süßwasservorräte sind unterirdisch in Grundwasserleitern gespeichert. Eines dieser Grundwasserreservoirs, der sogenannte Guarani-Aquifer, ist eines der größten Lateinamerikas und verläuft unter den Staatsgebieten von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, was einen hohen Koordinierungsbedarf zwischen diesen Ländern erfordert, um möglichen Konflikten vorzubeugen.

Der Guarani-Aquifer

Unter einem Aquifer versteht man einen Grundwasserleiter. Einfach ausgedrückt besteht dieser aus Gesteinen, die wie ein großer Schwamm Wasser in ihren Poren und Rissen aufnehmen. Mehr als 270 der weltweit bekannten Aquifer sind grenzüberschreitend.

Das weltweit größte Süßwasserreservoir soll sich im Norden Brasiliens unter den Territorien der Bundesstaaten Amazonas, Pará und Amapá befinden. Der Aquifer Alter do Chão wurde 2010 entdeckt. Er soll ein Fassungsvermögen von 86.000 Kubikkilometern besitzen und bereits ein Drittel der Bevölkerung in der Millionenstadt Manaus mit Trinkwasser versorgen. Damit ist er vom Volumen mehr als doppelt so groß wie der sogenannte Guarani-Aquifer im Süden des Landes. Doch das unterirdische Süßwasserreservoir, welches nach dem Volk der Guarani benannt wurde, das bis zur Ankunft der Europäer in diesem Gebiet ansässig war, überschreitet mehrere Staatsgrenzen und ist daher von besonderer geopolitischer Bedeutung.

Unter den Territorien von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay verbirgt sich ein wahrer Schatz. Mit einer Ausdehnung von fast 1,1 Millionen Quadratkilometern (entspricht mehr als der doppelten Fläche Frankreichs) und einem Gesamtvolumen von etwa 30.000 Kubikkilometern gehört der Guarani-Aquifer zu den größten, unterirdischen Süßwasserreservoirs der Welt. Schätzungen zufolge befinden sich davon über 60 Prozent unter brasilianischem Staatsgebiet. Allein der Bundesstaat São Paulo versorgt bereits 65 Prozent seiner Stadtgebiete ganz oder teilweise mit dem Grundwasser des Guarani-Aquifers.

Das Wasser ist von hervorragender Qualität, da es erst durch die Felsen geologisch gefiltert und schließlich von dem darunter liegenden Sandstein schwammartig aufgesogen wird. Die dabei natürlich ablaufenden chemischen und biologischen Reaktionen tragen zur Reinigung bei. Das System wurde bereits vor 200 bis 132 Millionen Jahren geformt. Schon lange Zeit nutzten es die Anrainerstaaten unabhängig voneinander als Trinkwasserquelle, für Landwirtschaft und Industrie sowie für touristische Zwecke (durch die Vermarktung von Thermalquellen). Doch Anfang der 1990er Jahre stellte man fest, dass es sich um ein und denselben Grundwasserleiter handelt. Dieser Aspekt der Grenzüberschreitung stellt eine besondere Herausforderung an die Kooperation der betreffenden Länder dar.

Gefahren für den Guarani-Aquifer

Grundwasservorkommen können allgemein durch Verschmutzung, Übernutzung und den Klimawandel gefährdet werden. Der Guarani-Aquifer ist bisher von noch keinem der drei Faktoren direkt betroffen. Doch an den Stellen, wo sich das Wasser nah an der Oberfläche befindet oder an den sogenannten „Auffüllbereichen“ sind bereits erste Fälle von Verschmutzung durch die Landwirtschaft, insbesondere durch den Anbau von Soja, bekannt geworden. Die Weltbank schrieb in einem Bericht von 2009, dass die Nutzung des Wassers aus dem Guarani-Aquifer vor allem im Gebiet um Riberão Preto stark zugenommen habe. Die jährliche Auffüllrate des Grundwasserleiters durch Regenwasser beträgt ca. 166 Kubikkilometer. Experten glauben jedoch, dass eines Tages mehr Wasser entnommen wird, als nachkommen kann.

Größer scheinen allerdings die Gefahren von außen zu sein. Obwohl es oft für unbegründet gehalten wird, haben Teile der Bevölkerungen in den vier Staaten, die sich den Guarani-Aquifer teilen, Angst vor einer Privatisierung des Wasservorkommens (wie zum Beispiel in Cochabamba/ Bolivien). Erste Prozesse in diese Richtung laufen bereits. Laut der Defensoria da Água (brasilianische Organisation zum Schutz des Wassers) haben sich die Konzerne Nestlé und Coca-Cola schon wichtige Informationen zu günstigen Wasserentnahmestellen beschafft und Land in diesen Gebieten gekauft. Man befürchtet, dass sich diese und andere multinationale Konzerne Wissen über den Guarani-Aquifer aneignen könnten, um es für privatwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Eine Privatisierung des Wassers könnte einen Anstieg der Wasserpreise bedeuten und das blaue Gold wäre an sich kein öffentliches Gut mehr.

Nicht nur Privatkonzerne zeigen reges Interesse an der Region der Tríplice Fronteira, dem Dreiländereck zwischen Brasilien, Argentinien und Paraguay, sondern auch Drittstaaten. Die USA begründet ihr strategisches Interesse an dem Gebiet, in dem sie möglichst eine Militärbasis errichten möchte, mit der dortigen Präsenz arabischer Einwanderergruppen, welche Verbindungen zu Hisbollah, Hamas und Al-Qaida haben sollen. Die Anrainerstaaten sehen das wahre Interesse der USA jedoch als eines an der strategisch wichtigen Süßwasserreserve. Das Dreiländereck wird als potentieller künftiger Konfliktherd gesehen. Argentinien simulierte während eines Militärmanövers 2007 bereits einen Krieg ums Wasser.

Grenzüberschreitende Gewässer

Gewässer (über- oder unterirdisch), die sich über mehrere Landesgrenzen erstrecken, sind oftmals Ausgangspunkte für Spannungen zwischen den beteiligten Gesellschaften. Je knapper die Ressource wird, umso größer ist die Konkurrenz. Allerdings muss man diesen Aspekt der Ressourcenverknappung in einem größeren Zusammenhang betrachten. Andere wichtige Faktoren wie die Angst um die nationale Sicherheit, ökonomische Aussichten, die ökologische Nachhaltigkeit und ein fairer Umgang miteinander dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Doch grenzüberschreitende Gewässer müssen nicht zwangsläufig zu Konflikten führen, sondern können auch verbindend wirken. Im Laufe der Geschichte gab es erst eine kriegerische Auseinandersetzung um Wasser vor 4.000 Jahren im Süden des heutigen Irak . Es ist wichtig, dass die beteiligten Staaten zusammenarbeiten und gemeinsam Strategien für den Umgang mit der Ressource entwickeln. Der Mensch selbst sollte im Mittelpunkt dessen stehen.

Bei der gemeinsamen Nutzung von Grundwasser ergeben sich besondere Herausforderungen. Aufgrund von Messproblemen ist es schwierig festzustellen, wie viel Wasser tatsächlich entnommen wurde. Grundwasser kann auch ohne Probleme privat mittels Pumpen entnommen werden, was die Gefahr der Übernutzung erhöht. Wird beispielsweise in einem Land sehr viel Wasser abgepumpt, sodass der Grundwasserspiegel sinkt, sickern nach und nach Salzwasser sowie Arsen, Nitrate und Sulfate ein. Das kann unter Umständen dazu führen, dass das Grundwasser in einem oder mehreren der benachbarten Länder nicht mehr nutzbar ist.

Zwei Aspekte spielen daher eine Rolle beim Umgang mit grenzüberschreitenden Gewässern: nachhaltiges Wassermanagement und die Kooperation der beteiligten Länder, damit keiner der Anrainerstaaten Nachteile aus der gemeinsamen Nutzung des Gewässers zieht.

Das „Guarani Aquifer“ - Projekt

Im Jahr 2003 wurde von der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) und unterstützt durch den GEF (Global Environmental Facility) ein Projekt zum Umweltschutz und der nachhaltigen Entwicklung des Guarani Aquifer-Systems (GAS), umgangssprachlich auch GEF-Projekt genannt, ins Leben gerufen. Es lief unter der Aufsicht der Weltbank und endete im Januar 2009. Begleitet wurde es von GW-MATE (Groundwater Management Advisory Team) – einer Expertengruppe der Weltbank, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der Regierung der Niederlande.

Die Gesamtkosten des Projekts beliefen sich auf 26,8 Millionen US-Dollar, wovon die Hälfte vom GEF finanziert wurde. 12 Millionen US-Dollar kamen zu jeweils gleichen Teilen von den vier Anrainerstaaten. Der Rest wurde in Form von technischer Unterstützung gezahlt. Über 80 Prozent der Kosten wurden in Forschung, Analyse und Management des Guarani-Aquifers investiert. 14 Prozent kamen Pilotprojekten zugute, die während der Projektphase in allen vier Ländern gestartet wurden.

Ziel des Projektes war es, die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay bei der Ausarbeitung und Einführung eines institutionellen und technischen Rahmens für das Management und die Erhaltung des Guarani-Aquifers in der Gegenwart und für zukünftige Generationen zu unterstützen. Der Umgang mit Wasserreserven war bis dato in allen beteiligten Staaten rechtlich und institutionell unterschiedlich geregelt. Nach Angaben des GEF könne nur Brasilien eine rechtliche Grundlage vorweisen, die als Vorbild für die anderen Länder dienen könnte. Es sollten daher Rahmenbedingungen geschaffen werden, um unter Berücksichtigung der nationalen Unterschiede und Besonderheiten die jeweiligen Gesetze bezüglich des Grundwasserressourcenmanagements der Anrainerstaaten einander anzupassen. Die Regierungsinstitutionen standen dem Projekt sehr positiv und mit großer Unterstützung gegenüber. Einige Nichtregierungsorganisationen befürchteten jedoch, dass sich in der Beteiligung der Weltbank das Interesse der USA an einer Privatisierung des Wasserreservoirs widerspiegelt.

Im Rahmen des Projektes wurden grundlegende (technische) Daten über den Aquifer selbst erhoben. Man richtete zudem ein Informationssystem ein. Des Weiteren fanden Trainings für Manager und Mitarbeiterschulungen statt. Da keine akuten Probleme im Zusammenhang mit dem Guarani-Aquifer diskutiert werden mussten, besaß das Projekt in erster Linie einen präventiven Charakter. Man tauschte Wissen über den Grundwasserleiter aus, erstellte einen gemeinsamen Managementplan und entwickelte Methoden, um eine Verschmutzung jeglicher Art des Wassers zu vermeiden.

Im Laufe des Projektes haben die beteiligten Länder und Institutionen erkannt, welche Schwachstellen es vor allem in der Zusammenarbeit und im gegenseitigen Verständnis gibt. Das Ergebnis war schließlich ein strategisches Handlungsprogramm für den Guarani-Aquifer (SAP – Guarani Aquifer Strategic Action Program), in dem festgelegt wurde, dass die Kooperation zum Schutz des GAS fortgesetzt wird und jeder der vier Anrainerstaaten die Verantwortung dafür trägt, die benötigten Instrumente und Mittel zur Verfügung zu stellen. Ebenso sollen die Aktivitäten im Rahmen der Pilotprojekte wie in Riberão Preto fortgeführt werden. Weiterhin will man die SAG-Datenbank (SISAG) weiterentwickeln, um auch in Zukunft einen regelmäßigen Austausch von Daten und Erfahrungen garantieren zu können. Zusätzlich soll ein „Forschungs-Forum“ gefördert werden und man will weitere, neue Forschungsprojekte gemeinsam in Angriff nehmen.

Die „Guarani Aquifer“ - Vereinbarung

Als bisherigen Höhepunkt der Zusammenarbeit in Bezug auf den Guarani-Aquifer kann man wohl die Unterzeichnung der „Guarani Aquifer“-Vereinbarung am 2. August 2010 bei einem Treffen der Staatschefs der vier Anrainerstaaten im argentinischen San Juan sehen.

Während bereits Experten im Rahmen des vorgestellten GEF-Projektes zusammenkamen, trafen sich im gleichen Zeitraum auch die Mitglieder der Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten der vier Länder, um einen Vertrag für das Management des GAS auszuhandeln. 2004 wurde vom Rat des Gemeinsamen Marktes des Mercosur eine sogenannte „Guarani Aquifer High Level Group“ gegründet, um einen entsprechenden Vereinbarungsentwurf zu erarbeiten. 2005 gab es bereits einen recht gut entwickelten Verhandlungstext, einschließlich eines Anhangs, der sich mit einer möglichen Entscheidungsinstanz im Fall von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens beschäftigte. Zu diesem Artikel (19) konnte im Laufe der Gespräche jedoch keine Einigung erlangt werden und damit endeten die Verhandlungen zunächst im Jahr 2005.

In der Zeit bis zur Unterzeichnung der Vereinbarung im August 2010 wurde das GEF-Projekt fertig gestellt (2009) und die Völkerrechtskommission (UNILC) setzte Artikelentwürfe für ein Gesetz zu grenzüberschreitenden Grundwasservorkommen fest (2008). Im Juni 2010 kamen die Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay schließlich erneut zusammen und unterzeichneten schon zwei Monate später das „Guarani Aquifer“-Abkommen – diesmal ohne besagten Artikel 19, was die Verhandlungen maßgeblich erleichterte. Damit ist diese Vereinbarung der erste internationale Vertrag zum Management eines grenzüberschreitenden Grundwasservorkommens, der nach dem Erlass der Resolution durch die UNILC geschlossen wurde und diese somit auch in seiner Präambel erwähnt.

Zu den Schlüsselelementen der Vereinbarung zählen die nationale Souveränität (Art. 1-3), die Verpflichtung zu gegenseitiger Kooperation sowie die Grundlagen eines institutionellen Rahmens für das gemeinsame Management des GAS. Die Souveränität der Staaten darf allerdings nicht als absolut gesehen werden. Sie unterliegt in jeder Hinsicht den Bestimmungen des internationalen Rechts. Kooperation ist besonders in den Fällen wichtig, wo ein Land etwas unternimmt, was negative Auswirkungen auf ein Nachbarland haben könnte. (Art. 6 und 7) Die Zusammenarbeit aller beteiligten Parteien ist außerdem von großer Bedeutung für den Austausch wissenschaftlicher Studien (Art. 8) im Sinne des GEF-Projekts. Dafür sollen, unter anderem, entsprechende Kooperationsprogramme (Art. 12) eingeführt werden. Als institutioneller Rahmen ist laut Artikel 15 eine Kommission vorgesehen, welche die Kooperation zwischen den Parteien koordinieren soll, um die in der Vereinbarung festgelegten Prinzipien möglichst effektiv umzusetzen.

Das Abkommen ist noch nicht perfekt, aber ein guter Anfang. Es ist in seiner Auslegung recht flexibel und daher nur bedingt bindend. Der Verzicht auf eine Streitinstanz, welche den Vertrag verbindlich auslegen könnte, birgt diesbezüglich Konfliktpotenzial und wohl das Erfordernis, den Vertrag in Zukunft fortzuentwickeln. Der nächste wichtige Schritt ist nun die Ratifizierung der Vereinbarung in allen beteiligten Staaten.

Ausblick

Die Übernahme des Abkommens in die nationale Gesetzgebung der einzelnen Länder forderten auch die Teilnehmer einer Konferenz, die unter dem Titel „Das Management des Guarani Aquifer-Systems – Ein Beispiel der Kooperation“ stand und vom 21. bis 23. September 2011 in São Paulo stattfand.

Neben der bereits genannten Ratifizierung als wichtigste Forderung, appellierte man an die Fortsetzung der gemeinsamen Aktivitäten gemäß dem SAP. Außerdem wird die Entwicklung eines internetbasierten Informations- und Datensystems in Form eines Web-Portals empfohlen und von den Regierungen der vier Anrainerstaaten wird Unterstützung gefordert, damit derlei Konferenzen regelmäßig (alle zwei Jahre) in jeweils einem anderen der vier Staaten stattfinden können.< p>

Die Kooperation der Länder Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay im Rahmen des Guarani-Aquifers kann als positives Beispiel für das nachhaltige Management anderer grenzüberschreitender Gewässer in der Welt dienen.

Die Ressource Wasser entwickelt sich weltweit zu einem knappen Gut. Wasser ist lebensnotwendig für alle Lebewesen auf diesem Planeten und einzigartig, da es durch nichts ersetzt werden kann. Eine zunehmende Zahl von Experten glaubt, dass zukünftige Auseinandersetzungen um Süßwasserreserven eine realistische Bedrohung darstellen. Aus diesem Grund ist eine enge internationale Kooperation in diesem Bereich von hoher Wichtigkeit, um eine nachhaltige Trinkwasserversorgung sicherzustellen und gewaltvolle Auseinandersetzungen um diese Ressource zu vermeiden.

Lesen Sie hier die komplette Publikation in PDF-Version.

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Guarani-Aquifer Free
Gaurani-Aquifer (©Pablo Etchevers, www.welcomeargentina.com) Pablo Etchevers (http://www.welcomeargentina.com/mercedes/guarani-aquifer.html)
Gaurani-Aquifer None

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