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Das neue brasilianische Waldschutzgesetz (Código Florestal)

von Fabian Federl

Modifikation und mögliche Konsequenzen

Am 24. Mai diesen Jahres wurdenÄnderungen im aus 1934 stammendenWaldschutzgesetz (CódigoFlorestal) vorgenommen. Das Gesetzwurde im Laufe der Zeit mehrfachüberarbeitet, doch die 2011vorgeschlagenen Änderungen sindumstritten. Trotz fehlendem Halt inder Bevölkerung wurde es mit 410zu 63 (und einer Enthaltung) verabschiedet.

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Die Gesetzesänderung ist kritischer Meinungen nach ein Rückschlag für die letztlich immer stärker verfolgten Nachhaltigkeits- und Umweltbestrebungen Brasiliens und wurde von zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen, Parteien, Umweltorganisationen, der katholischen Kirche und sogar der eigenen Regierung kritisiert. Auf der anderen Seite stehen die „Ruralistas“, einer Gruppe von Landwirten und Großgrundbesitzern, die Eigentumsrechte verteidigen wollen, sowie einige kleinere Landwirtschaftsorganisationen und Aktivisten.

Die Geschichte des Código Florestal ist geprägt durch die Opposition zwischen wirtschaftlichen Interessen und Naturschützern, ihr Ursprung jedoch liegt anderswo. Als unter der Regierung Getúlio Vargas (1930-45) das Gesetz erstmals aufgesetzt wurde, ging es um den Schutz der Energiezufuhr. Zu dieser Zeit wurde die überwältigende Mehrheit der Energie für Haushalte aus Holz und Kohle gewonnen. Die stadtnahen Wälder wurden für die Energiegewinnung benutzt. Doch als Brasilien in den 30er Jahren einen Boom der Kaffeeindustrie im hoch bevölkerten Südosten des Landes erlebte, wurden stadtnahe Wälder zugunsten von Kaffeeplantagen abgeholzt. Dadurch verlängerten

sich die Transportwege des für die Energiezufuhr der Städte nötigen Holzes. Dies führte zum Anstieg der Holzpreise in den urbanen Gebieten. Daher wurde ein Gesetz verabschiedet, um die stadtnahe Waldpopulation zu sichern und somit auch die Energiezufuhr. Dieses Gesetz besagte, dass ein Viertel allen Landes, das ein Bürger besitzt, seine ursprüngliche Vegetation zu behalten habe. Falls der Landbesitzer seinen Boden für die Holzproduktion benutzte, musste dieser mit heimischen Bäumen wiederbepflanzt werden.

In den 60er Jahren gab es dann Diskussionen um die Änderung dieses Gesetzes, motiviert durch Ängste, der brasilianische Staat könnte seinen Souveränitätsanspruch auf das Amazonasgebiet verlieren. Gekoppelt war dies mit Bestrebungen nach Erschließung des Regenwaldes und Sicherung der Grenzen im Norden. Die Quote des zu erhaltenden Landes wurde von 25% auf 50% erhöht. 50% des Gebietes eines Landgutes würden damit unter „Naturschutz“ stehen. Die Regierung rechnete damit, dass Grundbesitzer so mehr Land erwerben würden, um ihre Nutzfläche gleich groß zu belassen. Dies würde dann effektiv das von Brasilianern besessene Land vergrößern und vor Eigentumskonflikten an den damals verwaschenen Staatsgrenzen schützen. In diesem überarbeiteten Gesetz fanden sich aber auch erstmals „echte“ Naturschutzregeln, wie der Einführung von „Áreas de Prevervação Permanente“ (APP).

In den 80er und 90er Jahren wurden weltweit die Rufe nach Umweltschutzmaßnahmen lauter. Auch der Umweltgipfel ECO92 in Rio brachte die Frage des Naturschutzes auf die Agenda der brasilianischen Politik. 1996 kam es zu einer weiteren Überarbeitung der Legislatur. Die Schutzflächen wurden von 50% auf 80% erhöht, weitere Änderungen vorgenommen und eine Kommission eingerichtet. Diese Kommission sollte die Umsetzung des Gesetzes sicherstellen und möglicherweise neu anfallende Anpassungen diskutieren. Vorsitzender dieser Kommission war Moacir Micheleto, welcher bei den Änderungen 2011 auch mitgewirkt hat.

Antonio Donato Nobre des INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) merkte an wie die Gesetzesänderung ohne Berücksichtigung der Wissenschaft gemacht wurde. Nobre hatte zusammen mit anderen Forschern für die Brasilianische Gesellschaft für den Fortschritt der Wissenschaften (Sociedade Brasileira para o Progresso da Ciência, SBPC) eine Studie veröffentlicht, in der Probleme im Gesetzesentwurf entdeckt und Verbesserungsvorschläge gemacht wurden. Die Forschungsergebnisse wurden allen Abgeordneten im Parlament und einigen Ministern vorgelegt. Einige der Kritikpunkte sind zum Beispiel die Freigabe der Fluss- und Seenufer, welche einen großen Teil des Nährstoffflusses ausmachen, die Wasserqualität bedeutend beeinflussen und vor Erosionen schützen. Diese standen zuvor fast komplett unter Naturschutz. Ein weiterer Punkt ist die Regelung, dass von Landwirten benutzte Flächen an anderen Orten kompensierend wieder aufgeforstet werden müssen. Der neue Gesetzesentwurf schreibt nicht mehr vor, wo diese Aufforstungen zu sein haben. Dies mache es möglich große Landstriche mitten im Regenwald abzuholzen und die Aufforstung an Orten mit nährstoffärmeren Böden, unterschiedlicher Flora etc. durchzuführen. Somit würde keine ökologische Äquivalenz erreichet. Besonders problematisch ist hier der Vorschlag der Amnestie für Landwirte mit bis zu vier „módulos fiscais“ (in Brasilien verwendete Einheit der Landwirtschaft: 80 bis zu 1200 Hektar Land, je nach Lokalisation). Die Amnestie befreit diese Landwirte von der Strafe für nicht betriebene Aufforstung und macht diese zukünftig nicht mehr obligatorisch. Der Bericht der SBPC ruft auf zu mehr gesellschaftlicher Mitsprache und sieht als Hauptaufgabe des Código Florestal ein stimulierendes Naturschutzgesetz, dass eine sozial, ökonomisch und umweltlich nachhaltige ländliche Wirtschaft möglich macht. Weiterhin bemerkte Nobre, dass die Gesetzesänderung durch den Lobbyismus der „Ruralistas“ entstanden sei. Seine Meinung ist, dass der neue Código Florestal ein großer Schritt zurück sei, auch für die Landwirtschaft...

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