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Hintergründe der Proteste sind die Skandale im Kabinett der Staatspräsidentin Dilma Rousseff. Angefangen hatten diese mit einem Artikel der „Folha de São Paulo“ vom 15.05.2011. Dem Magazin zufolge habe sich das Vermögen von Dilmas Kabinettschef Antonio Palocci während seiner Abgeordnetenzeit verzwanzigfacht. Rund zwei Wochen später erschien ein Bericht über Palocci im Wochenmagazin „VEJA“. Dieses berichtete über den Kauf einer Immobilie in São Paulos Nobelviertel Moema. Palocci konnte auf Nachfrage keine zufriedenstellende Rechtfertigung für die Herkunft des Geldes geben. Er trat am 7. Juni von seinem Posten zurück. Die Generalstaatsanwaltschaft, die wegen illegaler Bereicherung ermittelte, stellte das Verfahren noch am selben Tag ein. Dieser war der erste von einer Reihe von Skandalen, die bis heute vier Ministern und unzähligen Beamten das Amt gekostet haben.
Ein Attitüdenwechsel
Schon in Lulas Wahlkampf 2002 war die Bekämpfung der Korruption ein großes (und wahlentscheidendes) Thema der PT (Arbeiterpartei Brasiliens). Während seiner Amtszeit jedoch wurden über 200 Beamte wegen Geldwäsche, passiver und aktiver Korruption, Steuerhinterziehung, gefälschter Dokumente und weiterer Delikte vor Gericht gestellt. Lulas Strategie war es stets passiv zu bleiben und seine Beteiligung an den Skandalen zu leugnen.
Die Politik Dilmas unterscheidet sich hier stark. Obwohl die Untersuchungen anfangs durch die Medien angestellt wurden, hat die Aufdeckung des Skandals um Palocci eine Änderung in der Herangehensweise bei der Bekämpfung der Korruption zufolge. Die Reaktion der Regierung war die „faxina“, das „Hinauskehren“ der korrupten Politiker aus dem Kabinett. Betroffen waren unter anderem Landwirtschaftsminister Rossi und Transportminister Nascimento mitsamt 26 weiterer Beamter des Ministeriums. Weiterhin wurden 35 Be-amte des Tourismusministeriums entlassen. In den brasilianischen Leitmedien herrscht eine positive Grundstimmung angesichts dieses Attitüdenwechsels. Jedoch kommt diese mit einem unangenehmen Beigeschmack.