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Veranstaltungsberichte

Megaevents in Rio – Stadtplanung mit Nachhaltigkeit?

von Kathrin Zeller

Möglichkeiten der Partizipation für eine nachhaltige Umsetzung in der Regionalpolitik

„Investitionen in Infrastruktur“ sagen die einen, „Verschwendung von öffentlichen Geldern“ die anderen. Doch was wird wirklich bleiben von den Ausgaben, die in Rio de Janeiro derzeit für die Vorbereitung der anstehenden Mega-Events getätigt werden? Und wie kann die Bevölkerung bei der Gestaltung der Investitionen mitwirken? Der Beantwortung dieser Fragen wurde bei dem Seminar „Nachhaltigkeit bei Megaevents“ am 30. Oktober nachgegangen.

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Die Fußballweltmeisterschaft rückt immer näher und Rio steht bereits im nächsten Jahr mit der Austragung des Confederations Cups die erste Probe ins Haus. Bis dahin bleibt noch viel zu tun. Eduardo Paes, Bürgermeister von Rio de Janeiro, sagte jüngst, Brasilien habe die Chance bereits verspielt, sich international durch die Planung der Meisterschaft hervorzuheben. Verspätungen beim Bau der Stadien und Infrastruktur könnten so nicht dazu beitragen für Rio als lohnenden Investitionsstandort zu werben. Dennoch sieht man bereits erste Änderungen in der Stadt. Neue Korridore für Schnellbusse werden gebaut um das Verkehrsproblem anzugehen, die Kilometerzahl der Fahrradwege wurde immerhin verdoppelt, wenn dies auch, nach europäischen Standards, spärlich bleibt. Die seit langem defizitäre Infrastruktur wird durch die Vorbereitung auf die Mega-Events nun angegangen. Auf der Strecke bleiben jedoch Investitionen in jene Strukturen, die zwar für die Besucher der Weltmeisterschaft nicht relevant, jedoch für die Bevölkerung für die Bewältigung des Alltags dringend nötig sind. Dazu gehören Krankenhäuser oder Schulen, die wie im bereits prominenten Fall der Escola Municipal Friedenreich, einer Schule in der Nähe des Maracanã Stadions einem Trainingsbau weichen soll.

Meu Rio für mehr Partizipation

Die Nichtregierungsorganisation Meu Rio, Partner der Veranstaltung, arbeitet in einer Kampagne gegen die Schließung der Schule oder zumindest für einen vergleichbaren Ersatz. Durch die Bereitstellung von Informationen, die Begleitung und Unterstützung von Protestaktionen und dem Dialog mit Verantwortlichen zeigt Meu Rio damit beispielhaft, wie die Bevölkerung an der öffentlichen Meinung und damit der Planung der Stadt teilhaben kann. Diese Idee steht im Mittelpunkt der Veranstaltung, die Mittel und Wege zur Partizipation der Bevölkerung aufzeigen soll.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Felix Dane, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien und Miguel Lago, Vorsitzender von Meu Rio. Die anstehenden Events seien eine „große Chance“ für die Bevölkerung von Rio de Janeiro, jedoch hinge der Umfang des Nutzens für die Bevölkerung von der Planung und Umsetzung ab, betonte Felix Dane. Auch Miguel Lago sprach von der einmaligen Gelegenheit, Entwicklungsrückstände in Infra- und Sozialstruktur aufzuholen und Rio nach dem Verlust des Status als Hauptstadt an Brasília wieder neues Selbstbewusstsein zu schöpfen. Dafür sei es aber dringend nötig, die aktive Beteiligung der Bevölkerung und die Zusammenarbeit von Regierung und Bürgern zu verbessern.

Im offenen Dialog untereinander und mit dem Auditorium wurde im Hinblick sowohl auf die zukünftigen als auch auf die in der Vergangenheit in Rio de Janeiro stattgefundenen Megaevents über deren nachhaltige Organisation und Umsetzung diskutiert.

Was bisher Geschah – Meinungen zur Vorbereitung

Nelson Moreira Franco, Vertreter der Stadtverwaltung im Bereich Klima und Umwelt, lobte die bereits starke Beteiligung und das große Interesse seitens der Bevölkerung an der in diesem Jahr stattgefundenen UN-Konferenz „RIO+20“. Als größte Herausforderung für die erfolgreiche Umsetzung der Mega-Events schätzt er den Bereich Mobilität ein. Verglichen z.B. mit den letzten Olympischen Spielen in London, sei die Herausforderung, die Infrastruktur auf die Zahl der Besucher vorzubereiten, viel größer. Die Fläche Londons sei bedeutend geringer, habe dabei aber ein viel dichteres Verkehrssystem. Rita Lamy Freund, Vertreterin der Nichtregierungsorganisation Instituto Ethos, stand den bisherigen Vorbereitungen der anstehenden Megaevents kritisch gegenüber. Sie bemängelte vor allem, dass die Stadtverwaltung zu wenig Transparenz zeige. Sie merkte außerdem an, dass im Originalprojekt zur Austragung der Olympischen Spiele weit geringere Kosten veranschlagt worden waren als die aktuellen Zahlen und verlangte auch dazu mehr Aufklärung.

Michel Castellar, Journalist der Sportzeitschrift O lance, erläuterte, dass London und Rio de Janeiro als Schauplatz der Olympischen Spiel kaum zu vergleichen seien, da die Voraussetzung sowohl in infrastruktureller, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu unterschiedlich seien. Trotzdem könne Rio de Janeiro aus den Ereignissen in London lernen. Er machte auf die Konstruktion von Merzweckanlgen als Stadien und Sporthallen aufmerksam und verwies in diesem Zusammenhang auf die Verwendung von Photovoltaikanlagen. Die Beispiele aus der Vergangenheit solle Rio als Ansatz nehmen, um die Olympischen Spiele zu einem für die Stadt nachhaltig positiven Event zu machen.

Pedro Trengrouse von der Universität Getúlio Vargas lenkte den Fokus der Diskussion auf den Kostenaspekt. Er eröffnete seinen Vortrag mit der Frage nach den Opportunitätskosten der Ausrichtung der Olympischen Spiele und der Fußballweltmeisterschaft. Diese Events würden wie Katalysatoren für die Stadt funktionieren, sagte er, machte aber gleichzeitig auf die ungleiche Entwicklung der brasilianischen Wirtschaft und Infrastruktur aufmerksam. Er nahm die in Deutschland ausgerichtete WM 2006 als Beispiel für „Public Viewing“ und verwies damit auf die Möglichkeit zur Teilnahme aller sozialen Schichten. Zum Abschluss der zweiten Gesprächsrunde nannte Tarmo Dix, stellvertretender Generalkonsul der Bunderepublik Deutschland in Rio de Janeiro, die Chance eine Kultur des Volontariats zu stärken. Die deutsche Gesellschaft funktioniere in vielen Bereichen über die freiwillige Mitarbeit der Bürger, gerade auch in lokalen Fußballvereinen. Die Bereitschaft zur Partizipation könne anhand der Attraktivität des Engagements bei den Mega-Events gestärkt werden.

Was bleibt am Ende für die Bürger?

In der Diskussionsrunde “Und was geschieht nach den Megaevents?” kritisierte Rita Lamy Freund, dass viele Menschen keine Vorstellung von dem Rio hätten, das sie nach 2016 erwarte, da nicht klar sei, ob für die Maßnahmen, die für die Megaevents durchgeführt werden, auch nach 2016 eine Fortsetzung garantiert wird. Sie forderte eine Veröffentlichung aller Besprechungen und Pläne der Organisatoren und den Einbezug aller Stakeholder in den Planungsprozess.

Der Stadtplaner Vinícius M. Netto sah die Infrastruktur ebenfalls als schwierigste Herausforderung, die Rio de Janeiro zu bewältigen habe. Bisher sehe er jedoch keine Anstrengungen, dass die Chance, die die kommenden Megaevents böten eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, genutzt würden.

Als dritte Referentin vervollständigte Paula Serrano, vom städtischen Institut für Stadtplanung Instituto Pereira Passos, die Runde. Sie betonte nachdrücklich, dass die Mega-Events ein Gewinn und nicht Ausbeutung für die Stadt seien. Sie würden nicht nur den sozialen Zusammenhalt in der Bevölkerung stärken, sondern auch ökonomische Vorteile bringen, wie zum Beispiel einen Anstieg der Gehälter.

Mitmachen – Aber wie?

In der zweiten Diskussionsrunde an diesem Nachmittag ging es um die „Nachhaltige Vorbereitung und Möglichkeiten zur Beeinflussung politischer Entscheidungen durch die Bevölkerung“. Es begann Miguel Lago von Meu Rio mit einer Infragestellung des Begriffs der „politischen Partizipation“. Dies sei zunächst einmal eine leere Floskel, wenn sie nicht mit konkreten Möglichkeiten zu Beteiligung gefüllt werde. Die Politiker forderten von der Bevölkerung mehr Partizipation und eröffneten ihnen aber gleichzeitig keinerlei Angebote, wie diese Beteiligung denn aussehen, geschweige denn, welche Resultate sie haben könnte.

Seine Feststellungen wurden von Bernardo Brito, Koordinator des Sonderausschusses für die Olympischen Spiele und die Weltmeisterschaft im Landtag Rio de Janeiros, bekräftigt. Er wies darauf hin, dass sowohl die Olympiade als auch die Weltmeisterschaft, reine Privatveranstaltungen seien. Dies würde oft zur Rechtfertigung genommen dem brasilianischen Volk keinerlei Mitspracherecht zu gewähren, obwohl öffentliche Gelder in nicht unsignifikanter Höhe in die Vorbereitungen flössen.

Als dritter Teilnehmer der Runde führte der Autor des Blogs www.CaosCarioca.com.br, Jan Schreiber Krüger, aus, dass eine stärkere Einbindung der Gesellschaft in die Planung der einzige Weg sei, eine nachhaltige Verbesserung für die Stadt zu bewirken und sicher zu stellen, dass nicht Entscheidungen getroffen würden, die entgegen der bürgerlichen Interessen wirken. Man müsse aber sicherstellen können, dass diese Partizipationsmöglichkeiten auch nach den Megaevents bestehen blieben. Mit großer Zustimmung des Publikums wies er darauf hin, dass jegliche Verantwortung zuallererst bei jedem Einzelnen liege. Mit der Forderung nach besserer Bildung für alle Bevölkerungsschichten von Seiten des Publikums schloss die Veranstaltung.

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