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Länderberichte

Auf dem Prüfstand

von Joscha Ritz

Beitrittsperspektiven für die Eurozone

Trotz der Krise in der Eurozone sprechen sich mehr Bürger der ost- und mitteleuropäischen Beitrittskandidaten für als gegen eine Euroeinführung aus. Dies zeigt eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie zur Erweiterung der Eurozone vom Juli 2010. Demnach äußerten sich 48% glücklich darüber, dass der Euro ihre jeweilige nationale Währung ersetzen wird.

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42% zeigten sich darüber unglücklich. Die Euroeinführung wird jedoch eher mittel- und langfristig als kurzfristig gewünscht: 39% streben sie erst nach einer gewissen Zeit, 32% zum spätest möglichen Zeitpunkt und nur 24% so schnell wie möglich an. Die Eurozonenkrise hat diese grundsätzlich positive Haltung zur Euroeinführung nur geringfügig beeinträchtigt, wie der Vergleich mit den Vorjahrsergebnissen verdeutlicht. Seit 2004 hat die Unterstützung für die Gemeinschaftswährung zudem insgesamt zugenommen.

Keiner der Beitrittskandidaten – mit Ausnahme Estlands - erfüllt jedoch gegenwärtig alle Voraussetzungen für einen Eurobeitritt, wie aus dem Konvergenzbericht der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Mai 2010 hervorgeht. Entweder sind erhebliche Anstrengungen notwendig, um die selbst definierten Beitrittsdaten einzuhalten, oder diese wurden gleich ganz verschoben.

Grundsätzlich sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union vertraglich dazu verpflichtet, den Euro einzuführen. Ausschließlich Großbritannien und Dänemark verfügen über eine entsprechende Opt-Out-Klausel. Mithin werden die EU-Mitgliedstaaten, die noch nicht der Eurozone beigetreten sind – Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechische Republik, Ungarn und Schweden – im Lissabon-Vertrag als Mitgliedstaaten bezeichnet, für die eine Ausnahmeregelung gilt. Um der Eurozone beitreten zu dürfen, müssen diese Staaten einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreichen. Dieser wird durch vier Konvergenzkriterien operationalisiert, die in Artikel 140 AEUV niedergelegt und im Protokoll 13 des Lissabon-Vertrags spezifiziert werden.

  • Preisstabilität: Die Inflationsrate darf nicht um mehr als 1,5% über der Inflationsrate der drei Mitgliedstaaten liegen, die in dem Jahr vor der Prüfung auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Der entsprechende Referenzwert lag im maßgeblichen Beobachtungszeitraum (April 2009 – März 2010) bei 1,0%.
  • Öffentliche Finanzen: Die Finanzlage der öffentlichen Hand muss dauerhaft tragbar sein, d.h. grundsätzlich darf das Haushaltsdefizit 3% und die öffentliche Schuldenquote 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten.
  • Wechselkursmechanismus: Der fragliche Mitgliedstaat muss seit zwei Jahren am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (WKM II) teilgenommen haben. In diesem Zeitraum müssen die normalen Bandbreiten ohne starke Spannungen eingehalten und die nationale Währung darf nicht gegenüber dem Euro abgewertet worden sein. Nur die baltischen Staaten - Estland, Lettland und Litauen - sind bereits Mitglieder des WKM II.
  • Langfristige Zinsen: Die langfristigen Nominalzinssätze dürfen nicht mehr als 2% oberhalb der Sätze der drei Mitgliedstaaten liegen, die in dem Jahr vor der Prüfung auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Für den maßgeblichen Beobachtungszeitraum (April 2009 – März 2010) betrug der entsprechende Referenzwert 6,0%.
Im Folgenden werden der Stand wirtschaftlicher Konvergenz, die politischen Zielsetzungen sowie das Stimmungsbild in der Bevölkerung der Beitrittskandidaten beleuchtet.

Bulgarien: Die öffentlichen Finanzen Bulgariens präsentieren sich in vergleichsweise gutem Zustand. Zwar liegt gegen Bulgarien ein Beschluss des Rates wegen eines übermäßigen Haushaltsdefizits vor. Dieses betrug jedoch 2009 relativ geringe 3,9% und soll Schätzungen der Kommission zufolge bereits 2010 mit 2,8% wieder die Konvergenzkriterien erfüllen.

Zudem verfügt Bulgarien – nach Estland – über die niedrigste öffentliche Schuldenquote der Beitrittskandidaten: Während diese 2009 bei 14,8% rangierte, wird sie – Angaben der Kommission zufolge – 2010 auf 17,4% ansteigen. Entsprechend werden die bulgarischen Staatsfinanzen im Tragfähigkeitsbericht 2009 der Kommission als mit geringen Risiken belastet eingestuft. Darüber hinaus überschritt die Inflationsrate mit 1,7% nur knapp den Referenzwert, der bulgarische Lew blieb im Rahmen der 1997 beschlossenen Currency-Board-Regelung trotz Finanzkrise stabil und die langfristigen Zinsen lagen nur 0,9% oberhalb des Referenzwertes.

Trotz vergleichsweise guter Wirtschaftsdaten hat die Regierung von Ministerpräsident Boyko Borissov das Ziel aufgegeben, 2010 dem WKM II und 2013 der Eurozone beizutreten. Ein neues Beitrittsdatum wurde noch nicht definiert. Als Grund wird die Nichterfüllung der Konvergenzkriterien genannt. Finanzminister Simeon Djankov verwies in diesem Zusammenhang auf das unerwartet hohe Haushaltsdefizit seines Landes, das Folge von Beschaffungsverträgen sei, welche die sozialdemokratische Vorgängerregierung signiert habe.

Die Bevölkerung Bulgariens steht einer Euroeinführung derweil mehrheitlich positiv gegenüber. So zeigen sich 51% glücklich darüber, dass der Euro den Lew ersetzen wird.

Einzig 37% sind darüber unglücklich. Dabei werden mit dem Eurozonenbeitritt hohe Erwartungen verbunden: 91% bzw. 88% der Bulgaren rechnen damit, dass es einfacher wird, in Euroländer zu reisen bzw. einzukaufen und es werden tendenziell positive Auswirkungen auf Preisstabilität, öffentliche Finanzen, Wachstum und Beschäftigung sowie auf die Entwicklung von Zinsen und Schuldlasten erwartet. Die größte Sorge besteht darin, dass es im Rahmen der Währungsumstellung zu Preiserhöhungen kommen könnte: 79% erwarten hier Missbrauch. Eine Minderheit befürchtet hingegen einen Verlust über die Kontrolle nationaler Wirtschaftspolitik (27%) bzw. nationaler Identität (37%).

Lettland: Zwar lag die Inflationsrate im Referenzzeitraum bei nur 0,1%. Die EZB gibt sich jedoch skeptisch hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz. Zudem befinden sich die öffentlichen Finanzen in schlechtem Zustand: 2009 lag das Haushaltsdefizit bei 9,0%. Bis 2012 soll das Defizit wieder unterhalb der 3%-Marke liegen. Zudem geht die Kommission davon aus, dass die öffentlichen Schulden deutlich von 36,1% 2009 auf 48,5% 2010 ansteigen werden. Obwohl Lettland sich bereits im WKM II befindet, kam es in den letzten zwei Jahren zu starken Spannungen, die nur durch das Finanzhilfeprogramm unter Führung von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) abgemildert werden konnten. Die langfristigen Zinsen lagen mit 12,7% deutlich oberhalb des Referenzwertes, was – gemäß EZB – auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und der Staatsfinanzen zurückzuführen ist.

Die Regierung von Premierminister Valdis Dombrovskis strebt – trotz zahlreicher wirtschafts- und finanzpolitischer Probleme infolge der Finanzkrise – 2014 eine Euroeinführung an. Um dieses Ziel erreichen zu können, müsste Lettland jedoch nicht nur die Haushaltskonsolidierung energisch vorantreiben, sondern auch Inflationsrisiken im Rahmen eines festen Wechselkursregimes begegnen sowie die Glaubwürdigkeit der Anbindung des lettischen Lats an den Euro stärken.

Die Bevölkerung Lettlands steht einer Euroeinführung kritisch gegenüber: 56% der Letten sind unglücklich darüber, dass der Euro die nationale Währung ersetzen wird. Nur 31% zeigen sich darüber glücklich. Die meisten Letten (43,7%) streben einen Eurobeitritt zum spätest möglichen Zeipunkt an. Während die praktischen Vorteile einer Euroeinführung durchaus wahrgenommen werden – 95% bzw. 88% gehen davon aus, dass das Reisen bzw. das Einkaufen in Euroländern einfacher wird –, werden positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes – z.B. auf öffentliche Finanzen oder Wachstum und Beschäftigung – von einer Mehrheit nicht erwartet. Neben der Sorge vor Preiserhöhungen im Rahmen der Währungsumstellung, befürchten besonders viele Letten einen Verlust an Kontrolle über die Wirtschaftspolitik (55%) und nationaler Identität (61%).

Litauen: Als Mitglied im WKM II konnte Litauen im zweijährigen Beobachtungszeitraum einen stabilen Wechselkurs ohne fremde Unterstützung vorweisen. Eine besondere Herausforderung stellt jedoch ein Haushaltsdefizit von 8,9% 2009 dar. Bis 2012 soll das Defizit wieder unterhalb der Marke von 3% liegen. Gemäß einer Prognose der Kommission werden die öffentlichen Schulden deutlich von 29,3% in 2009 auf 38,6% in 2010 ansteigen. Ferner waren die Inflationsrate mit 2,0% und die langfristigen Zinsen mit 12,1% im Referenzzeitraum zweimal so hoch wie die zulässigen Referenzwerte. Das hohe Niveau langfristiger Zinsen ist jedoch vor dem Hintergrund geringer Liquidität des Sekundärmarkts im Beobachtungszeitraum mit Vorsicht zu bewerten.

Der litauische Premierminister Andrius Kubilius hält an dem Ziel fest, 2014 den Euro einzuführen. Damit zeigt sich Litauen weitgehend unbeeindruckt von der Ablehnung seines Antrags auf Eurozonenbeitritt aus dem Jahre 2006. Das Land hatte das Preisstabilitätskriterium nur um 0,1% verfehlt. Bis 2014 gilt es nun insbesondere, den eingeschlagenen Sparkurs entschlossen weiter zu verfolgen.

Die litauische Bevölkerung ist über die Euroeinführung geteilter Meinung: Während 43% darüber glücklich sind, stehen 47% dem Euro kritisch gegenüber. Die praktischen Vorteile einer Euroeinführung werden dabei vergleichsweise schwach wahrgenommen: So erwarten beispielsweise 78% der Litauer, dass das Einkaufen in den Euroländern einfacher wird – der niedrigste Wert aller Beitrittskandidaten. Mögliche praktische Nachteile wie Preiserhöhungen im Zusammenhang mit der Währungsumstellung werden hingegen besonders befürchtet: 75% fürchten hier Missbrauch. Über politische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile einer Euroeinführung ist die Bevölkerung geteilter Meinung.

Polen: Problematisch ist insbesondere der Anstieg des Haushaltsdefizits auf 7,1% im Jahre 2009. Polen hat nunmehr bis 2012 Zeit, seinen Haushalt zu konsolidieren und unterhalb der 3%-Marke zu bleiben. Die Kommission nimmt an, dass die öffentliche Schuldenquote von 51% 2009 auf 53,9% 2010 ansteigen wird. Ferner fiel die Inflationsrate mit 3,9% vergleichsweise hoch aus. Polen ist nicht Mitglied des WKM II. Im Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise verlor der Zloty gegenüber dem Euro zudem deutlich an Wert, wodurch jedoch die Wettbewerbsfähigkeit polnischer Exporte zunahm: Polen war der einzige EU-Mitgliedstaat, der im Krisenjahr 2009 mit 1,8% wuchs. Die langfristigen Zinsen rangierten mit 6,1% nur knapp oberhalb des Referenzwertes.

Die Regierung von Premierminister Donald Tusk hat die ursprünglich für 2012 geplante Euroeinführung vorerst von ihrer Prioritätenliste genommen. Ein offizielles Datum besteht nun nicht mehr. Allgemein wird 2015 als frühest möglicher Zeitpunkt gehandelt. Als Grund wurden Unsicherheiten hinsichtlich des Ausgangs der Krise und der Reform der Eurozone angeführt. Darüber hinaus zögert die Regierung Tusk, die ebenso notwendigen wie schwierigen Reformen zur Erreichung der Konvergenzkriterien noch vor den Parlamentswahlen im Oktober 2011 durchzuführen.

In der polnischen Bevölkerung halten sich Befürworter (45%) und Gegner (45%) einer Euroeinführung die Waage. Nur 15,3% der Polen streben einen Eurobeitritt zum frühest möglichen Zeitpunkt an, während 43,8% einen mittelfristigen Beitritt und 37,8% einen spätest möglichen Beitritt wünschen. Hoch sind die Erwartungen hinsichtlich praktischer Vorteile – 94% bzw. 89% rechnen mit Erleichterungen beim Reisen bzw. Einkaufen in Euroländern – ebenso wie die Sorge vor Preiserhöhungen bei der Währungsumstellung: 83% der Polen erwarten hier Missbrauch – der höchste Wert aller Beitrittskandidaten. Ein geteiltes Meinungsbild besteht über positive Auswirkungen einer Euroeinführung auf die polnische Wirtschaft. Sorgen vor dem Verlust der Kontrolle über die Wirtschaftspolitik bzw. nationaler Identität werden nur von einer Minderheit geteilt.

Rumänien: Die rumänische Wirtschaft leidet insbesondere an hoher Inflation: Mit 5,0% Inflation im Referenzzeitraum verfügte Rumänien über die höchste Inflationsrate unter den Beitrittskandidaten. Zudem lag das Haushaltsdefizit 2009 mit 8,3% deutlich oberhalb der zulässigen 3,0%. Schätzungen der Kommission zufolge wird die öffentliche Schuldenquote von 23,7% im Jahre 2009 auf 30,5% im Jahre 2010 ansteigen. Die Abwertung des rumänischen Leu gegenüber dem Euro konnte erst durch ein 20 Milliarden schweres Finanzhilfeprogramm unter Führung von EU und IWF gestoppt werden. Zudem spiegeln langfristige Zinsen in Höhe von 9,4% nicht nur die Risikoaversion der Anleger, sondern auch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der langfristigen Wirtschaftsaussichten Rumäniens.

Rumänien hält offiziell am Ziel eines Eurozonenbeitritts 2015 fest. Der Leiter der rumänischen Zentralbank Mugur Isarescu hat jedoch bereits angedeutet, dass sich die Umstellung auf die Gemeinschaftswährung um ein bis zwei Jahre verschieben könnte. Als Grund wird die Notwendigkeit genannt, der Eurozone gut vorbereitet beizutreten. Angesichts erheblicher wirtschaftlicher Probleme Rumäniens erscheint ein Beitrittsdatum 2015 zwar als wichtiger Reformanreiz, jedoch wenig realistisch. Dass der Beitritt zum WKM II wie geplant 2012 erfolgen wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich.

Obwohl ein zügiger Eurobeitritt unwahrscheinlicher geworden ist, begrüßt die rumänische Bevölkerung auch weiterhin eine Euroeinführung: 55% der Rumänen sind glücklich darüber, dass der Euro den Leu ersetzen wird – der höchste Wert aller Beitrittskandidaten. Dabei wünschen die meisten Befragten (43,4%) eine Euroeinführung so schnell wie möglich. Die Erwartungen praktischer Vorteile fallen jedoch vergleichsweise schwach aus. So nehmen beispielsweise 82% der Rumänen an, dass das Reisen in andere Euroländer erleichtert wird – der niedrigste gemessene Wert. Es werden jedoch positive Auswirkungen auf öffentliche Finanzen, Preisstabilität, Zinsen und Schuldlasten sowie auf Wachstum und Beschäftigung erwartet. Ferner sorgen sich nur 59% der Rumänen um Preissteigerungen im Rahmen der Währungsumstellung: der niedrigste gemessene Wert. Ängste vor dem Verlust der Kontrolle über die Wirtschaftspolitik und nationaler Identität sind zudem besonders schwach ausgeprägt.

Tschechische Republik: Tschechien erfüllt aktuell zwei Konvergenzkriterien: Sowohl die Inflationsrate (0,3%) als auch die langfristigen Zinsen (4,7%) blieben unterhalb der Referenzwerte. Problematisch stellt sich jedoch der Zustand der öffentlichen Finanzen dar. Gegen Tschechien liegt ein Beschluss des Rates wegen eines übermäßigen Defizits von 5,9% 2009 vor. Tschechien wurde nun eine Frist bis 2013 gesetzt, um sein Defizit wieder unter die 3%-Marke zurückzuführen. Die Kommission erwartet, dass die grundsätzlich niedrige Schuldenquote von 35,4% in 2009 auf 39,8% in 2010 ansteigen wird. Ferner hat Tschechien noch keinen Antrag auf Aufnahme in den WKM II gestellt und die tschechische Krone befindet sich gegenüber dem Euro in einem freien Wechselkursregime.

Der neue tschechische Ministerpräsident Petr Necas machte im Rahmen seines Antrittsbesuchs bei Bundeskanzlerin Merkel im August deutlich, Tschechien strebe keine schnelle Euroeinführung an. Als Gründe nannte er neben der Nichterfüllung der Konvergenzkriterien die Vorteile eines flexiblen Wechselkurses zum Inflationsschutz, eine gesunkene Bereitschaft der Euroländer zur Aufnahme neuer Staaten in die Währungsunion sowie Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Struktur der Eurozone.

Die tschechische Bevölkerung steht einer Euroeinführung ebenfalls kritisch gegenüber: Nur 39% der Tschechen sind glücklich darüber, dass der Euro an die Stelle der tschechischen Krone treten wird, 58% zeigen sich darüber unglücklich. Folglich streben die meisten Tschechen (46,8%) einen Eurobeitritt zum spätest möglichen Zeitpunkt an. Diese grundsätzlich ablehnende Haltung spiegelt sich auch in der Perzeption von Vor- und Nachteilen einer Euroeinführung. Besondere Skepsis besteht gegenüber möglichen positiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes: 51% erwarten keine solideren öffentlichen Finanzen, 56% keine niedrigere Inflation, 59% keine niedrigeren Zinsen und Schuldlasten und 59% keine Stärkung von Wachstum und Beschäftigung – allesamt gemessene Höchstwerte. Zudem fallen die Erwartungen praktischer Vorteile vergleichsweise verhalten aus. Ferner sind neben der Sorge um Preissteigerungen Ängste vor einem Verlust der Kontrolle über die Wirtschaftspolitik und nationaler Identität relativ weit verbreitet.

Ungarn: Die Inflationsrate lag mit 4,8% sehr deutlich oberhalb des Referenzwertes. Obwohl das Haushaltsdefizit 2009 mit 4,0% vergleichsweise gering ausfiel, ist Ungarn zudem der einzige Beitrittskandidat, dessen öffentliche Schuldenquote mit 78,3% 2009 und prognostizierten 78,9% 2010 die 60%-Marke bereits deutlich überschreitet. Im Rahmen eines freien Wechselkursregimes wertete der ungarische Forint von Mitte 2008 bis März 2009 stark gegenüber dem Euro ab. Erst ein Milliarden schweres Finanzhilfeprogramm unter der Leitung von EU und IWF konnte den Abwärtsdruck aufhalten. Die langfristigen Zinsen erfüllten mit durchschnittlich 8,4% ebenfalls nicht das Kriterium für einen Eurobeitritt.

Die geplante Euroeinführung 2015 erscheint vor diesem Hintergrund wenig realistisch. Insbesondere der ungarische Sparkurs hat unter der Regierung des neuen Premierministers Viktor Orbán an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die Förderung des Wirtschaftswachstums wird in Budapest aktuell gegenüber der Erfüllung der Beitrittskriterien bevorzugt. Entsprechend lehnte Ungarn im Juli 2010 in Kreditgesprächen mit EU und IWF weitere Sparanstrengungen ab und schwächte dadurch zusätzlich das Vertrauen in die eigene Volkswirtschaft.

Die Bevölkerung Ungarns steht einer Euroeinführung derweil weiterhin besonders positiv gegenüber: 54% der Ungarn zeigen sich glücklich darüber, dass der Euro die nationale Währung ersetzen wird. Nur 36% sind darüber unglücklich. Dabei sehen die Ungarn dem Euro mit den höchsten Erwartungen aller Beitrittskandidaten entgegen. So rechnen beispielsweise 96% bzw. 94% damit, dass das Reisen bzw. das Einkaufen in anderen Euroländern einfacher wird. Zudem werden mehrheitlich positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung erwartet. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass 70% der Ungarn, d.h. 24% mehr als der Durchschnitt aller Beitrittskandidaten, von solideren öffentlichen Finanzen infolge einer Euroeinführung ausgehen. Zudem fallen die Ängste vor der Einführung der Gemeinschaftswährung besonders gering aus: 70% bzw. 72% sorgen sich nicht um einen Verlust an Kontrolle über die Wirtschaftspolitik bzw. nationaler Identität. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass – trotz Spannungen in der Eurozone – mögliche Vorteile einer Euroeinführung noch klarer perzipiert werden und Sorgen weiter abgenommen haben.

Schweden: Die Wirtschaftsentwicklung in Schweden ist im Vergleich zu den ost- und mitteleuropäischen Beitrittskandidaten bereits weit fortgeschritten. Mithin lag die Inflation zwar mit 2,1% oberhalb des Referenzwertes, erweist sich jedoch langfristig als weitgehend stabil. Infolge einer entschlossenen Konsolidierung der Staatsfinanzen lag das Haushaltsdefizit 2009 bei nur 0,5% und die öffentliche Schuldenquote von 42,3% 2009 wird – nach Schätzung der Kommission – 2010 nur um 0,3% ansteigen. Folge solider Haushaltspolitik und eines geringen Inflationsdrucks ist ein niedriges Niveau langfristiger Zinsen von 3,3%. Im Rahmen eines flexiblen Wechselkursregimes verlor die schwedische Krone in den letzten zwei Jahren rund 3,0% gegenüber dem Euro.

Schweden hat einen Eurozonenbeitritt in der Vergangenheit dadurch hinausgezögert, dass es keinen Antrag auf Beitritt zum WKM II gestellt und damit nicht die Konvergenzkriterien erfüllt hat. Obwohl das Land nicht über eine formale Opt-Out-Klausel verfügt, entschied das schwedische Parlament 1997, die Beitrittsfrage im Rahmen eines Referendums zu entscheiden. Das schwedische Volk lehnte daraufhin 2003 einen Eurozonenbeitritt mit 55,9 % der Stimmen ab. Ein neuerliches Votum steht – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Eurokrise – nicht auf der Agenda.

Resümee

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise die Beitrittskandidaten in ihren Vorbereitungen auf eine Euroeinführung zum Teil deutlich zurückgeworfen hat. Dennoch betrachten einzig die Regierungen Polens, Tschechiens und Ungarns eine Euroeinführung nicht mehr als wirtschafts- und finanzpolitische Priorität. Das Stimmungsbild in der Bevölkerung der sieben ost- und mitteleuropäischen Beitrittskandidaten bleibt überwiegend positiv, obwohl deutliche Divergenzen bestehen. Vorrangig jedoch ist es nun Aufgabe der Eurostaaten, die Eurozone durch eine Stärkung wirtschafts- und fiskalpolitischer Steuerung wieder auf ein tragfähiges Fundament zu stellen.

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