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"Barroso als neuer Kommissionspräsident ernannt"

von Dr. Peter R. Weilemann †

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Barroso als neuer Kommissionspräsident ernannt

In einer Sondersitzung am 29. Juni hat der Europäische Rat den portugiesischen Ministerpräsidenten Durão Barroso offiziell als neuen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten nominiert. Die Nominierung kam nicht ganz überraschend. Über die Kandidatur Barrosos wurde in der Presse zuvor wenig spekuliert. In Brüssel aber, insbesondere im Umfeld der EVP-ED, gehörte er seit langem zu dem engeren Kandidatenkreis.

Barroso wurde von Bertie Ahern als Kandidat vorgestellt, nachdem sowohl dem von Frankreich und Deutschland unterstützten Guy Verhofstadt als auch dessen Gegenkandidaten Chris Patten die nötige Zustimmung unter den Staats- und Regierungschefs fehlte.

Der 1956 geborene Barroso (ausführlicherer Lebenslauf in der Anlage) studierte Jura, Politik und European Studies und war später als Dozent und Professor in Lissabon und Washington tätig. Seine politische Karriere begann sehr früh. 1986 wurde er als 29-Jähriger für die liberal-konservative PSD - Mitglied der EVP - ins Parlament gewählt und wurde Staatssekretär im Innenministerium. Von 1987 bis 1992 war er Staatssekretär im Außenministerium. 1992 wurde er portugiesischer Außenminister (bis 1995). 1999 wurde er zum Vorsitzenden seiner Partei gewählt. Drei Jahre später löste er bei den Wahlen im April 2002 den sozialistischen Premier Guterres ab, der wegen seiner schlechten Wirtschaftsbilanz von den Wählern abgestraft worden war. Zu Beginn seiner Amtszeit als Premierminister musste er wegen des zu hohen Haushaltsdefizits seines Vorgängers einen blauen Brief aus Brüssel entgegen nehmen. Dem Stabilitätspakt verpflichtet, senkte er das Defizit innerhalb von acht Monaten von 4.4% auf 2.7%. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament musste er sicherlich für diesen harten Sparkurs bei gleichzeitig wachsender Arbeitslosigkeit zahlen. Möglicherweise spielte für das schlechte Abschneiden aber auch eine Rolle, dass der PSD eine gemeinsame Liste mit dem europakritischen Partner der Regierungskoalition PP bildete (bei den Wahlen 1999 hatte der PSD 31 Prozent erreicht, die gemeinsame Liste PSD/PP schaffte 2004 33,2 Prozent).

Der Wechsel nach Brüssel wird sicher einige Turbulenzen in der portugiesischen Innenpolitik zur Folge haben. Vor seiner Zusage ließ sich Barroso vom Staatspräsidenten die Zusicherung geben, dass es nicht zu Neuwahlen kommt, wie von der Opposition gefordert – was für sein politisches Geschick spricht. Aber innerhalb seiner eigenen Partei ist der Machtkampf um seine Nachfolge schon entbrannt.

Barrosos bisherige Stärke ist sicherlich die Außenpolitik, wo er über große praktische Erfahrung verfügt, aber auch wissenschaftliche Reputation als Lehrer, Autor und Herausgeber erworben hat. Barroso ist überzeugter Europäer und engagierter Atlantiker – sein Verhalten in der Irakkrise (Azoren-Gipfel) dürfte einigen Staats-und Regierungschefs die Zustimmung nicht leicht gemacht haben. In Brüssel aber wird er neben seiner außenpolitischen Expertise andere Qualitäten zum Tragen bringen müssen und können: Nicht nur Vielsprachigkeit, sondern Hartnäckigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Geduld.

Zunächst wird es darum gehen, die Struktur der neuen Kommission festzulegen. Die Zuständigkeiten für 25 Kommissare müssen zugeschnitten werden. Gleichzeitig muss das Gremium handlungsfähiger und zielorientierter arbeiten als sein Vorgänger. Einige Vorentscheidungen scheinen schon getroffen. So wird es einen Superkommissar für Wirtschaftreformen geben - das Amt soll der Deutsche Verheugen übernehmen. Frankreich - das vermutlich Jacques Barrot wieder benennen dürfte - wird Interesse am Dossier Wettbewerb nachgesagt. Großbritannien - möglicherweise Peter Mandelson - ziele auf das Binnenmarktressort etc.. Fest steht auf jeden Fall, dass der ebenfalls am Dienstagabend neu bestätigte Generalsekretär des Rates, Javier Solana , das in der Verfassung vorgesehene Amt des Europäischen Außenministers übernehmen wird und diese Position noch vor der Ratifizierung des Vertrages geschaffen werden soll; der Außenminister wird gleichzeitig Vizepräsident der Kommission sein. In einer ersten Reaktion zeigte sich Barroso von solchen Überlegungen und Spekulationen nicht sonderlich beeindruckt. Im Grunde habe er das größte Portefeuille, ironisierte er, und am Ende das letzte Wort.

Bevor es soweit ist, braucht Barroso noch die Zustimmung der Mehrheit der 732 Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Die Abstimmung ist für den 22. Juli in Straßburg geplant. Eine Mehrheit ist sehr wahrscheinlich.

Zunächst kann Barroso sich der ca. 278 Stimmen der EVP-ED Fraktion sicher sein. Ihr Vorsitzender Hans-Gert Pöttering wertete die Wahl eines Kandidaten aus der größten Fraktion im Europäischen Parlament als „positives Zeichen für die Demokratie in Europa“. Auch die Co-Vorsitzenden der deutschen Gruppe, Hartmut Nassauer und Markus Ferber, kündigten ihre Unterstützung an, verknüpften diese bereits aber in einer Erklärung mit politischen Forderungen (z.B. neue Subsidiaritätskultur, Einhalten der Stabilitätskriterien, ideologiefreie Verbraucherschutzpolitik).

Einwände kamen dagegen aus den Reihen der Sozialdemokraten. In einem gemeinsamen Brief an die Staats- und Regierungschefs noch vor der Ratssitzung, wiesen der Vorsitzende der Partei, Rasmussen, sowie der noch amtierende Fraktionsvorsitze Baron Crespo darauf hin, dass keine Partei die nötige Mehrheit besäße, einen Kandidaten zu wählen. Sie forderten Alternativen und wollen ihre Zustimmung von der Erfüllung bestimmter europapolitischer Kriterien abhängig machen - die der Kandidat Barroso bei näherem Hinsehen erfüllen dürfte.

Der Vorsitzende der liberalen Fraktion ELDR, Watson, sagte in einer ersten Reaktion, der neue Kandidat sei „hochqualifiziert“ die Führung zu übernehmen.

Die Grünen übten insbesondere wegen der Nähe Barrosos zur USA während des Irakkriegs scharfe Kritik. Daniel Cohn-Bendit drohte, falls Barroso nicht durch Inhalte überzeuge, eine Mehrheit gegen seine Ernennung zu mobilisieren. Die müsste er sich dann aber, vorausgesetzt die Sozialisten machen mit, bei den Linken à la PDS, den Europakritikern und antieuropäischen Gruppierungen zusammensuchen.

Alle drei Fraktionen bekräftigten, sich erst dann zu entscheiden, nachdem Barroso seine Inhalte und Schwerpunkte für die kommende Legislaturperiode vorgestellt habe. Das wird in der nächsten Woche geschehen.

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