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"Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolititk vor der Regierungskonferenz"

von Sebastian Dürdoth
In Kürze werden die Staats- und Regierungsoberhäupter zu einer Regierungskonferenz zusammenkommen, um den endgültigen Entwurf einer Verfassung für die EU auszuarbeiten. Im Folgenden soll der Stand der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Kontext der Beiträge der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS), der Debatte um die transatlantischen Beziehungen und des Verfassungsentwurfs dargestellt werden.

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Die Einheit und der Einfluss Europas auf der Weltbühne fielen in der Irakfrage inner-europäischen Zerwürfnissen zum Opfer. Gleichwohl sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte in der GASP erzielt worden. Mit der Begründung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) 1999 schickten sich die Europäer an, ihre Petersberger Aufgaben (humanitäre und friedenserhaltende Aufgaben, Rettungseinsätze und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung) auch unabhängig von der NATO wahrzunehmen, wozu sie in den 90er Jahren auf dem Balkan nicht im Stande gewesen waren. Zu diesem Zweck verkündete der Europäische Rat sowohl militärische Ziele (die Schaffung einer europäischen Einsatztruppe von 50.000-60.000 Soldaten bis 2003) als auch zivile Ziele (Polizei, Richter, Zivilverwaltung). Im Dezember 2002 konnte die Frage des Zugriffs der EU auf NATO-Kapazitäten durch das Einlenken der Türkei im Rahmen von Berlin-Plus beigelegt und somit die Handlungsfähigkeit der EU gestärkt werden. Im Schatten der Irakkrise wurde die EU dann tatsächlich aktiv. Zum 1. Januar 2003 übernahm sie die Polizeimission der UNO in Bosnien und Herzegowina. Im März startete sie die Operation Concordia, als sie 350 Soldaten in die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien entsandte, um dort zu Stabilität beizutragen. Die eigentliche Bedeutung dieser Operation liegt darin, dass sie die erste militärische Operation der EU überhaupt ist. Sie wird zudem mit Hilfe der NATO durchgeführt, so dass Berlin-Plus erstmalig zur Anwendung kommt. Soeben hat der Rat beschlossen, nach dem Auslaufen der Operation Concordia am 15. Dezember die Polizeimission Proxima anzuschließen. Einen weiteren wichtigen Präzedenzfall schuf die Operation Artemis: Unter der Führung Frankreichs unternahm die EU im Juni 2003 ihre erste ESVP-Operation außerhalb Europas, als sie 1.500 Soldaten im Kongo einsetzte. All dies sind kleine, aber entscheidende Schritte, die größeres zukünftiges Engagement ermöglichen.

Der Beitrag der europäischen Sicherheitsstrategie

Das erste Halbjahr 2003 sah gleich drei ESVP-Missionen, aber auch das Fehlen einer kohärenten europäischen Antwort auf die Irakkrise. An die Stelle einer gemeinsamen Analyse der Bedrohungslage trat ein Durcheinander einzelstaatlicher Positionen. Um diesem Misstand entgegenzuwirken, beauftragten die Außenminister den Hohen Vertreter der GASP Javier Solana damit, eine ESS zu entwerfen, die dieser dem Europäischen Rat von Thessaloniki im Juni vorlegte. Das Dokument ist von enormer Bedeutung, weil es europäische Interessen definiert, Prioritäten setzt und Mittel benennt. Somit ist ein Bezugspunkt für die GASP entstanden, der dem gesteigerten Willen der Europäer, sich gemeinsam zu engagieren, in Zukunft Richtung geben soll. Solana benennt drei prinzipielle Sicherheitsrisiken, denen die EU nach dem Ende des Kalten Krieges und dem 11. September in einer globalisierten Welt ausgesetzt ist: Der Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und 'gescheiterte Staaten'. Letztere leiden unter Korruption, Machtmissbrauch, schwachen Institutionen, zivilen Konflikten und der leichten Verfügbarkeit von Kleinwaffen.

Solanas erstes strategisches Ziel ist die Ausdehnung des Sicherheitsgürtels um Europa. Die Assoziierung und schrittweise politische sowie wirtschaftliche Integration der heutigen Beitrittsländer ist in dieser Hinsicht Europas große Leistung der letzten Jahre. Neben Südosteuropa nennt Solana den Mittelmeerraum und den Nahen Osten als Regionen, in denen sich die EU besonders um Stabilität bemühen soll. Das zweite strategische Ziel der ESS ist die Stärkung einer normengestützten Weltordnung, geprägt von effektivem Multilateralismus und gut funktionierenden internationalen Institutionen, getragen von gut regierten Staaten (Demokratien). Der Titel des Sicherheitspapiers sagt viel über den europäischen Ansatz aus: "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt". Somit folgt die ESS dem, was Solana und Patten seit langem vertreten. Der Feind Europas könne nicht dieses oder jenes Land sein, sondern die Verzweiflung, das Chaos und die Armut. Die Globalisierung müsse gerechter gestaltet werden, denn nur eine gerechte Welt bringe Sicherheit und erlaube eine internationale Ordnung auf Konsens zu erbauen. Unbeschadet des Zieles einer besseren Welt ist Solanas Strategiepapier pragmatisch und schließt die Anwendung von Gewalt explizit als ultima ratio mit ein. Dies ist bedeutsam. Die EU soll sowohl diplomatische, wirtschaftliche, zivile, humanitäre und polizeiliche als auch militärische Mittel nutzen, um ihren Zielen nachzugehen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Gerade in dieser Mischung der Mittel sieht Solana den "komparativen Vorteil" der EU, auf den sie beim Vorgehen gegen Gefahren, ihrem dritten strategischen Ziel, aufbauen soll. Ihr gemischtes Instrumentarium soll die EU präventiv nutzen, da Gefahren sich nur verschlimmern, wenn man sich ihrer nicht annimmt: "Daher müssen wir bereit sein, vor dem Ausbrechen einer Krise zu handeln. Konflikten und Bedrohungen kann nicht früh genug vorgebeugt werden." Solana droht jenen, die internationale Regeln brechen, Konsequenzen an. Jedoch lässt die ESS die strittige Frage der präventiven Anwendung von Gewalt offen.

Wie unterscheidet sich dieser europäische Ansatz von seinem amerikanischen Pendant?

Die Schlagworte der Europäer sind eine bessere Welt, der effektive Multilateralismus und ein gemischtes Instrumentarium. Auch die amerikanische Sicherheitsstrategie nennt das Ziel einer besseren Welt. Aber Amerika ist eine Nation im Krieg. Im Vordergrund stehen militärische Stärke und die Entschlossenheit, gegebenenfalls auch alleine zu handeln. Raum bleibt allenfalls für eine Koalition der Willigen. Der Imperativ, Amerika vor weiteren Anschlägen zu schützen, ist absolut. Die Regierung Bush setzt auf militärisches Zuvorkommen (pre-emption) und immer höhere Rüstungsausgaben (pre-eminence). Sowohl Europäer und Amerikaner nennen den Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und 'gescheiterte Staaten' als Sicherheitsrisiken. Ihre Prioritäten sind jedoch, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher geopolitischer Gegebenheiten, andere. Amerika ist das erste Ziel fundamental-religiösen Hasses und terroristischer Aktivität, nicht Europa. Europas Sicherheit ist direkter von 'gescheiterten Staaten' bedroht als die Amerikas. Die Prioritäten und Antworten sind also jenseits des Atlantiks jeweils andere.

Die ESS ist weithin gut aufgenommen worden (die USA begrüßen den "neuen Realismus") und soll im Dezember vom Rat in überarbeiteter Fassung angenommen werden. Nachdem sich einige Länder zur ESS geäußert haben, wird auch die Kommission voraussichtlich noch im Oktober detailliert Stellung beziehen. Dabei will sie im Sinne eines weit gefassten Sicherheitsbegriffs neben der Sicherheit von Staaten die Sicherheit der Bürger betonen. Es sind also Vorschläge etwa zur Versorgungssicherheit, Umweltsicherheit und Sicherheit vor sozialen Verwerfungen zu erwarten. Andere Stimmen möchten die ESS um konkrete Handlungsmuster ergänzen: Für bestimmte Arten von Situationen sollen Antworten definiert werden, die Solana dann schnell implementieren kann.

Das Verhältnis der EU zu den USA

Solana schreibt der EU einen Teil der Verantwortung für die globale Sicherheit zu. Bald wird sie ein Akteur mit 25 Mitgliedstaaten, 450 Millionen Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt gleich dem der USA sein. Die Europäer wollen mehr Einfluss und eine gewichtigere internationale Rolle. Zum einen fehlt es ihnen noch an Mitteln, um dieser Ambition gerecht zu werden. Zum anderen wird eine Debatte darüber geführt, welche Beziehung zu den USA ein außenpolitisch gestärktes Europa anstreben soll.

Mit der ESS hat Europa seine Interessen, Prioritäten und seinen Ansatz definiert. Wie passt die transatlantische Partnerschaft in dieses Bild? Unterminiert nicht der europäische Wille zu unabhängiger Handlungsfähigkeit den Zusammenhalt der NATO? Das Streben der Europäer darf nicht sein, ein Gegengewicht zu den USA aufzubauen. Patten spricht zurecht von der „unabkömmlichen Partnerschaft“, Solana von einer “Allianz von Interessen und einer Wertegemeinschaft sondergleichen in der Moderne“. Die EU muss selbstbewusst ihren eigenen Ansatz vertreten – und zwar an der Seite der USA. Die Quadratur des Kreises?

Im April 2003 haben Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg die Schaffung des Nukleus einer europäischen militärischen Führungsstruktur vorgeschlagen, um die ESVP voranzubringen. Diese Planungszentrale möchten die vier in Tervuren (außerhalb von Brüssel), also unabhängig von der NATO einrichten. Kritiker dieses Vorschlags verweisen auf Berlin-Plus, das es den Europäern erlaubt, auf NATO-Kapazitäten zurückzugreifen. Wozu also im Namen der ESVP Strukturen duplizieren? Besonders die Briten mahnen die Notwendigkeit der Kompatibilität zur NATO an. Insofern die EU NATO-Ressourcen in Anspruch nimmt, ist zu klären, inwieweit dadurch ein Mitspracherecht der NATO in der ESVP entsteht. Mittlerweile sind sich Blair, Chirac und Schröder scheinbar einig, die EU auch ohne NATO handlungsfähig zu machen. Zu diesem Zweck will man mit „interessierten Partnern“ vorangehen. Die Schaffung eines verteidigungspolitischen Kerneuropa steht also bevor. Hierzu bietet der Verfassungsentwurf des Konvents (VE) die „strukturierte Zusammenarbeit“ in der ESVP an. Fähige und willige Partner sollen unter Einbeziehung des europäischen Außenministers Missionen eigenständig durchführen können.

Des Weiteren sieht der VE vor, dass solange der Europäische Rat eine gemeinsame Verteidigung noch nicht beschlossen hat, dennoch einzelne Mitgliedstaaten eine Art militärischer Beistandsverpflichtung eingehen können. Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines der teilnehmenden Staaten könnte dieser die anderen um Hilfe ersuchen. Die "verstärkte Zusammenarbeit" soll jedoch nicht die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Staaten im Rahmen der NATO berühren.

Die institutionelle Debatte

Der VE, den Valéry Giscard d'Estaing im Namen des Konvents dem Europäischen Rat von Thessaloniki im Juni diesen Jahres vorgelegt hat, sieht auch in der GASP einige Neuerungen vor. Erklärtes Ziel der Arbeitsgruppe Außenpolitisches Handeln war es, dass die Union "auch in politischer Hinsicht als starker und glaubwürdiger Akteur auf der internationalen Bühne auftritt". Solana schloss mit der ESS die Forderung nach mehr Handlungsfähigkeit und Kohärenz an, um die strategischen Ziele der EU erreichen zu können. Die institutionelle Debatte ist vor dem Hintergrund dieser Ziele zu bewerten. Im Folgenden sollen einige zentrale Vorschläge des VE in Bezug auf die GASP dargestellt und besprochen werden.

Der europäische Außenminister

Das Amt des europäischen Außenministers soll die Funktionen des Hohen Vertreters der GASP (Solana) und des Kommissars für Außenbeziehungen (Patten) vereinen. Der Außenminister wäre also sowohl dem Rat als auch der Kommission zugehörig. Die Grundidee ist, die verschiedenen Elemente und Instrumentarien europäischer Außenpolitik zusammenzurücken. Bisher entfallen diese zum einen auf den Hohen Vertreter der GASP, zum anderen auf die Kommission, insbesondere den Kommissar für Außenbeziehungen. Die Kommission hat zwar unter der Pfeilerstruktur von Maastricht in der GASP wenig Einfluss, verfügt aber über relevante Kompetenzen etwa im Handel und in der Entwicklungshilfe. Der Außenminister hätte dank der Breite seines Mandats die Übersicht über diese verschiedenen Politikbereiche und könnte auf mehr Kohärenz hinwirken. Er soll für die GASP inklusive der ESVP zuständig sein, den Rat für Auswärtige Angelegenheiten leiten, ihm Gesetzesinitiativen unterbreiten und die Troika als Repräsentant der Union nach außen hin ersetzen. In der Kommission wäre er als Vizepräsident mit der Koordinierung der auswärtigen Politik der Union betraut. Diese Machtfülle erscheint manchen schlichtweg zu üppig und die Funktion für eine Person zu weit gesteckt. Bemerkenswert ist, dass Solana, Patten und auch ihre leitenden Mitarbeiter sich gegen den Doppelhut ausgesprochen haben. Schon aus praktischen Gründen mag die Aufgabe von einer Person kaum zu bewältigen sein. Allein Patten hatte bei der kürzlichen UNO-Ministerwoche 47 politische Termine.

Darüber hinaus sind die Folgen der Verwischung der Trennung von Zwischenstaatlichem und Gemeinschaftsmethode in der Außenpolitik unklar: Sowohl die Vergemeinschaftung als auch die Renationalisierung der Außenpolitik sind denkbar.

Ein anderes Bedenken betrifft die Zugehörigkeit des Außenministers zu zwei unterschiedlichen Institutionen: Ersetzt man den möglichen Konflikt zwischen dem Hohem Vertreter der GASP und dem Kommissar für Außenbeziehungen mit der zwangsläufigen Schizophrenie einer Person? Denn einerseits wird der Außenminister vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit unter Zustimmung des Präsidenten der Kommission ernannt und ist dem Rat verantwortlich, andererseits soll er sich kollegial in die Kommission einfügen. Von großer Bedeutung wird sein, ob der zu schaffende europäische Auswärtige Dienst dem Rat oder der Kommission angegliedert werden wird. Der Auswärtige Dienst soll Mitarbeiter des Rates, der Kommission und nationale Diplomaten zusammenbringen und den Außenminister in seiner Arbeit unterstützen. Mit der Ansiedlung des Auswärtigen Dienstes wird auch die institutionelle Zugehörigkeit des Außenministers beeinflusst. Im VE heißt es lediglich, der Rat und die Kommission sollen sich über Näheres einigen. Eine Reihe von delikaten Fragen bleibt also zunächst offen: Wie sind die Institutionen, Strukturen und Funktionsweisen von Kommission und Rat zu harmonisieren? In welcher Beziehung soll der Auswärtige Dienst zur nationalen Ebene und zum Präsidenten des Europäischen Rates stehen? Wird ein großes Außenministerium geschaffen, so dass die Kommission künftig keine Generaldirektion für Auswärtige Angelegenheiten mehr haben wird? Oder werden die betroffenen Generaldirektionen der Kommission die Konzepte eines kleinen Außenministeriums umsetzen?

Eine weitere Frage ist, ob der Außenminister und der Präsident des Europäischen Rates in Ausübung ihrer Tätigkeiten in Konflikt kommen werden. Der Außenminister „leitet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union" und der „Präsident des Europäischen Rates nimmt in dieser Eigenschaft auf seiner Ebene unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wahr.“ Da der Europäische Rat die strategischen Interessen der Union bestimmt, die Ziele der GASP festlegt und den Außenminister mit qualifizierter Mehrheit entlassen kann, ist dieser dem Präsidenten des Europäischen Rates untergeordnet. Der Außenminister ist also für die alltägliche Leitung der GASP im Sinne des Eur opäischen Rates und dessen Präsidenten zuständig. Es bleibt abzuwarten, ob er seine persönlichen Ambitionen dieser Aufgabe unterstellen wird.

Die Rolle des Europäischen Parlaments

Der VE sieht im Bereich der GASP für das Europäische Parlament kaum mehr Einfluss als bisher vor. Es soll lediglich "zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelmäßig gehört und über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten" werden. Der Außenminister ist dazu angehalten, darauf zu achten, dass die Auffassungen des Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Darüber hinaus kann das Parlament Anfragen an den Rat oder den Außenminister richten und hält zweimal jährlich eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung der GASP inklusive der ESVP ab. Zur Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments sind verschiedene Vorschläge eingebracht worden. Zum einen könnte ihm eine Mitentscheidungskompetenz zumindest in der Frage des Engagements in zivilen Krisenbewältigungsmissionen zugebilligt werden. Zum anderen könnte seine Fähigkeit seine Kontrollfunktion wahrzunehmen ausgebaut werden. Anstelle das Parlament nur zu den wichtigsten Aspekten auf dem Laufenden zu halten, könnten die Ratspräsidentschaft und der Außenminister dazu verpflichtet werden, im Detail darüber zu berichten, wie die Instrumente der GASP und ESVP im vergangenen Jahr genutzt worden sind, sowie eine Vorausschau auf das kommende Jahr zu erstellen. Zusätzlich könnte das Parlament befugt werden, Fragestunden mit kompetenten Rats- und Kommissionsmitarbeitern abzuhalten. Schließlich könnte der Zugang des Parlaments (und der Öffentlichkeit) zu den Dokumenten des Rates verbessert werden.

Das europäische Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten

Das vom VE in Aussicht gestellte Ziel einer gemeinsamen europäischen Verteidigung liegt noch in weiter Ferne. Ein Schritt in diese Richtung soll das dem Ministerrat zu unterstellende Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten sein. Es könnte dazu beitragen, die Duplikation von militärischen Kapazitäten zu vermeiden sowie auf mehr Koordinierung und Harmonisierung hinzuwirken. Eine effizientere Nutzung der für Verteidigung aufgebrachten Ressourcen ist in höchstem Maße geboten und daher die Einrichtung des Amtes zu begrüßen.

Inwieweit jedoch das Amt von den Staaten genutzt werden wird, inwieweit also der status quo einer Vielzahl von kleineren Kooperationen zwischen europäischen Partnern durch weitreichende Koordinierung abgelöst werden wird, hängt vom politischen Willen ab. Um positiven Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben und Verteidigungsminister zum Handeln anspornen zu können, ist vorgeschlagen worden, das Amt von einer bekannten Person leiten zu lassen. Weiterhin könnte ein jährlicher Fortschrittsbericht dazu beitragen, zögerliche Regierungen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, zu motivieren.

Entscheidungsmechanismen: Das ewige Veto

Der Konvent ist nicht zuletzt einberufen worden, um wichtige Reformen anzugehen, bevor die Erweiterung diese in weite Ferne rückt. Was mit 15 Mitgliedstaaten vielleicht noch möglich ist, mag mit 25 jenseits berechtigter Hoffnung liegen. Vor diesem Hintergrund ist zu bedauern, dass der VE die Beibehaltung des nationalen Vetos im Bereich der GASP vorsieht. Mehrheitsentscheidungen sind in verschiedenen Szenarien zwar durchaus möglich, ein nationaler Außenminister kann aber unter Berufung auf "ganz wesentliche Gründe der nationalen Politik" eine Entscheidung blockieren und eine einstimmige Entscheidung des Europäischen Rates zur Voraussetzung des Handelns der Union machen. Sicherlich antizipierte der Konvent Ratifizierungsschwierigkeiten bzw. Probleme bei Volksabstimmungen, die eine zu integrationsfreudige Verfassung verursachen würde. Insofern spiegelt das Manko des VE den Unwillen einiger Mitgliedstaaten und Bürger wieder. Ein Ausweg aus dem Patt könnte ein Kompromiss sein. Warum nicht das Veto zwar in Bezug auf Gesetzesinitiativen von Staaten beibehalten, aber mit qualifizierter Mehrheit auf jene des europäischen Außenministers reagieren?

Solanas ESS hat der GASP eine überzeugende Vision von der Rolle und dem Wirken der EU in der Welt zur Seite gestellt. Der Konvent hat sich über einen Zeitraum von 18 Monaten bemüht, die notwendige Kohärenz und Handlungsfähigkeit der europäischen Institutionen sicherzustellen. Jetzt liegt es an den Staats- und Regierungsoberhäuptern, eine endgültige Formulierung der Verfassung für Europa zu erarbeiten – und nur zum Guten vom VE abzuweichen.

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