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"Herausforderungen und Ziele der griechischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2003"

von Grita Berendt
Die Ratspräsidentschaft Griechenlands fällt in eine Zeit, in der sich die Europäische Union einem rasanten Prozess der Neuformierung und –strukturierung unterzieht. Mit dem 1. Mai 2004 werden Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern neue Mitglieder der europäischen „Familie“ werden. Der gemeinsame Wunsch, in Freiheit, Frieden und Wohlstand zu leben vereint diese Beitrittsländer der nächsten Erweiterungsrunde in ihrer Bereitschaft, auf wesentliche Teile ihrer staatlichen Souveränität zu verzichten. Eine erweiterte und zur gleichen Zeit gestärkte Union eröffnet die Chance, zu einem politisch und wirtschaftlich gleichrangigen Partner der USA zu werden.

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Die Erweiterung als Bewährungsprobe

Die Ratspräsidentschaft Griechenlands fällt in eine Zeit, in der sich die Europäische Union einem rasanten Prozess der Neuformierung und –strukturierung unterzieht. Mit dem 1. Mai 2004 werden Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern neue Mitglieder der europäischen „Familie“ werden. Der gemeinsame Wunsch, in Freiheit, Frieden und Wohlstand zu leben vereint diese Beitrittsländer der nächsten Erweiterungsrunde in ihrer Bereitschaft, auf wesentliche Teile ihrer staatlichen Souveränität zu verzichten. Eine erweiterte und zur gleichen Zeit gestärkte Union eröffnet die Chance, zu einem politisch und wirtschaftlich gleichrangigen Partner der USA zu werden.

Im Grunde besteht somit Anlass zur Zuversicht und Vorfreude auf einen Umbruch, der – anders als in der Vergangenheit – ohne Blutvergießen verläuft.

Doch die Realität sieht nüchterner aus: Skepsis, zum Teil sogar Furcht sind kennzeichnend für die momentane Stimmungslage sowohl unter den jetzigen als auch den künftigen Mitgliedsländern. Tatsache ist, dass sich nach Jahren und Jahrzehnten der Spaltung ein Gefühl der Fremdheit zwischen den europäischen Völkern entwickelt hat, das es zu überwinden gilt. Mithin stellen sich folgende Fragen: Können die EU-Organe in ihrem Versuch, sich einer Strukturreform zu unterziehen, mit dem Tempo Schritt halten, das ihnen der Erweiterungs- und Integrationsprozess diktiert? Und vor allem: Ist die Union der 15 überhaupt aufnahmebereit - von einem institutionellen ebenso wie von einem emotionalen Standpunkt aus?

Aufgaben und Ziele der griechischen Ratspräsidentschaft

Am 1. Januar 2003 übernahm Griechenland turnusgemäß zum Beginn eines neuen Halbjahres die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Es ist das vierte Mal, dass dieses Land den Ratsvorsitz innehat. Mit Amtsantritt stellten die Hauptvertreter der griechischen Regierung die Prioritäten ihres Landes vor. Das Arbeitsprogramm der Präsidentschaft steht unter dem Motto Shaping the Future in a Community of Values (Die Zukunft innerhalb einer Wertegemeinschaft gestalten). Die Griechen, deren Geschicke von Ministerpräsident Kostas Simitis und Außenminister Giorgos Papandreou gelenkt werden, stehen vor großen Herausforderungen in den folgenden vier Themenbereichen:

1. Erweiterung und institutionelle Reformen

Im Hinblick auf die Erweiterung stellen sich der griechischen Ratspräsidentschaft zwei parallel zu bewältigende Aufgaben: Zum einen muss die Strukturreform vollendet werden, die eine neue Kompetenzverteilung und überarbeitete Entscheidungsverfahren in den einzelnen EU-Organen beinhaltet. Zum anderen hat die Förderung der Bürgernähe höchste Dringlichkeit. Nur so kann besser auf die Sorgen und Erwartungen der Menschen eingegangen und dadurch auch die Diskussion um die Osterweiterung emotional entschärft werden.

Zu den Höhepunkten der griechischen Ratspräsidentschaft zählt die Unterzeichnung der Verträge und Protokolle in Athen am 16. April. Zuvor gilt es, einen neuen Unionsvertrag zu verfassen und die Stellungnahme der Europäischen Kommission sowie die Zustimmung von Parlament und Rat einzuholen. In der Phase zwischen Unterzeichnung und Ratifikation der Verträge haben die zehn Kandidatenländer die Möglichkeit, als aktive Beobachter an den Verfahren im Rat teilzunehmen. Währenddessen wird die EU-Kommission die Annahme und Umsetzung des Acquis weiter kontrollieren. Der Beitritt erfolgt schließlich durch Ratifikation der Verträge im Einvernehmen mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der heutigen und der zehn künftigen EU-Mitglieder.

Die Beitrittsverhandlungen sollen auch mit Bulgarien und Rumänien vorangetrieben werden. Griechenland setzt sich das Ziel, die neue, erweiterte Heranführungsstrategie für diese beiden Staaten umzusetzen, damit sie der Union im Jahr 2007 beitreten können. Einen weiteren Höhepunkt stellt das Gipfeltreffen am 20./21. Juni in Thessaloniki dar. Dort soll der EU-Konvent für die Zukunft der Europäischen Union einen Verfassungsvorschlag für die Union unterbreiten, um diese „fit" für die Zukunft zu machen.

2. Wettbewerb, Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und nachhaltige Entwicklung

Hierbei handelt es sich um einen Themenkomplex, der für die griechische Ratspräsidentschaft ebenfalls höchste Priorität genießt. Beim Frühjahrstreffen des Rates am 21. März wird der Fortschritt bei der Wirtschafts- und Sozialreform seit der Verabschiedung der Strategie von Lissabon bewertet. Insbesondere die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit steht im Mittelpunkt der Anstrengungen. Die Ratspräsidentschaft hat sich in diesem Zusammenhang einer ganzen Reihe wirtschaftspolitischer Reformen verschrieben, die im folgenden erläutert werden sollen:

·Die Lancierung makroökonomischer Initiativen zugunsten einer glaubwürdigeren Wirtschaftspolitik der EU.

· Die Förderung des Unternehmergeistes im allgemeinen sowie kleiner und mittelständischer Unternehmen im besonderen durch die Umsetzung der Europäischen Charter für Kleinunternehmen und des Grünbuchs zum Unternehmertum.

·Die Schaffung des weltweit größten wissensbasierten Wirtschaftsraums bis zum Jahr 2010 auf der Grundlage der Erforschung von Spitzentechnologien (z.B. Bio- und Rüstungstechnologie), der Forschung und technologischen Investitionen im Privatsektor, der Entwicklung des Europäischen Gemeinschaftspatents, neuer Gesetze zur Regulierungsreform in der Telekommunikation sowie der Entstehung einer Informationsgesellschaft für alle, insbesondere durch die e-Europe-Initiativen.

·Die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Dienstleistungen im Rahmen der zunehmenden Vernetzung (z. B. Einheitlicher Europäischer Luftraum, transeuropäische Energie- und Verkehrsnetze, Aktionsprogramme für Finanzdienstleistungen und Risikokapital) und basierend auf Reformen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Fusionskontrolle.

·Eine engere Abstimmung der nationalen Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik, um die Stabilitätsprogramme zu prüfen. Schließlich hat die nachlassende Haushaltsdisziplin nun auch in Deutschland und Frankreich – ehedem Verfechter einer möglichst strengen Auslegung des Euro-Stabilitätspakts – Einzug gehalten und ist dort zu einem öffentlich diskutierten Politikum geworden ist.

·Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bzw. Neuverteilung der finanziellen Lasten mit Blick auf die Erweiterung. Hier stellt sich die Frage, ob eine interne Restrukturierung der GAP-Ausgaben im Sinne einer Verschiebung vom ersten in den zweiten Pfeiler möglich und sinnvoll wäre. Ferner ist zu überlegen, ob die Direktbeihilfen von der Produktion entkoppelt werden sollen, wie es einige Mitgliedsstaaten fordern.

·Die Förderung der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts, u.a. mit Hilfe einer Modernisierung wesentlicher wirtschafts- und sozialpolitischer Instrumente und aller entsprechenden Verfahren bis zum Frühjahrsgipfel, einer Bestandsaufnahme des Prozesses der sozialen Integration sowie einheitlicher Ansätze in den Bereichen Gesundheit, Renten und Soziales, um die Sozialschutzpolitik besser planen, kontrollieren und bewerten zu können.

3. Immigration und Migration

Bei den bisherigen Gipfeltreffen hat es noch keinen Durchbruch in den Gesprächen über einen wirksameren Schutz der EU-Außengrenzen und eine gerechtere Lastenverteilung unter den Mitgliedsstaaten in Bezug auf das Thema Einwanderung gegeben. Die Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedsstaaten ist nicht eindeutig geklärt. Dies liegt vor allem daran, dass sich die einzelnen Staaten nicht einig sind, ob eine gemeinsame Strategie in diesem Bereich vorteilhaft und anwendbar ist. Doch steht auch in diesem Halbjahr die Zusammenarbeit bei der Grenzkontrolle sowie im Kampf gegen die illegale Einwanderung auf dem Arbeitsprogramm der Ratspräsidentschaft. Ausschlaggebend sind folgende drei Bereiche:

·Der operative Umgang der Immigration und Migration sowie die Schaffung von Synergien, ausgehend von nationalen Anstrengungen. Dies betrifft nicht nur die Überwachung der Landes-, sondern vor allem der Meeresgrenzen sowie eine europaweite Datenbank für die Vergabe von Visa.

·Politische Instrumente zur Vermeidung von und zum Kampf gegen die illegale Immigration im Rahmen einer gemeinsamen integrierten Asyl- und Einwanderungspolitik. Dies schließt auch die wirtschaftliche und technische Unterstützung der Herkunftsländer ein, um die Auswanderung zu verringern. Zusätzlich sollen Entschädigungsprogramme sowie einheitliche politische Strategien und Praktiken entwickelt werden, um die Betroffenen besser vor Menschenhandel und anderen Formen der Ausbeutung zu schützen.

·Die Anerkennung der Migration als Folge der Globalisierung und eine entsprechende Auseinandersetzung mit diesem Thema. In diesem Zusammenhang zielen die Griechen auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Kontrolle der Außengrenzen ab. Dabei gelte es, laut griechischer Regierung, stets darauf zu achten, dass legale Einwanderer angemessen in die Zielländer integriert und innerstaatliche sozialpolitische Themen wie Beschäftigung und Familienzusammenführung behandelt werden. Natürlich müssten auch in diesem Bereich die Prinzipien der Subsidiarität und der einzelstaatlichen Verantwortung bei der Ausformulierung einer angemessenen Politik Anwendung finden.

4. Außenpolitik und auswärtige Beziehungen

Griechenland sieht seine Hauptaufgabe in der Förderung eines Europas der Demokratie und der gemeinsamen Werte sowie der politischen und sozialen Rechte. Gleichzeitig ist es sich aber auch der externen Einflussmöglichkeiten einer gestärkten Union bewusst. Europa müsse, so Außenminister Papandreou, seine Bedeutung als internationaler Stabilitätsfaktor und gleichwertiger Partner weiter herausarbeiten. Konkret bedeutet dies nach Ansicht Papandreous, dass Europa als Wertegemeinschaft nicht vor den neu entstehenden Außengrenzen der EU halt machen dürfe. Vielmehr müssten noch engere Beziehungen zu den Balkanländern, dem Kaukasus, Moldawien, Russland, der Ukraine und Weißrussland entstehen.

In seiner Mitteilung vom 31. Dezember 2002 betonte der griechische Außenminister außerdem die globale Verantwortung der Europäer. Er bezog sich dabei auf die Bereitstellung humanitärer Hilfe, die Achtung des Völkerrechts sowie die Stabilisierung von Krisen- und Kriegsgebieten. Mit Bezug auf die letztgenannten Arbeitsbereiche verwies er auf die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern, den sich zuspitzenden Irak-Konflikt und die angespannte Lage auf der koreanischen Halbinsel. Auch könne die EU die internationale Gemeinschaft mobilisieren, um Armut und AIDS in den Staaten Afrikas zu bekämpfen sowie die weltweiten Umwelt- und Klimaprobleme anzugehen. Kurz gesagt müsse die EU in internationalen Beziehungen präsenter sein und auf Augenhöhe mit dem strategischen Partner USA agieren, so Papandreou.

Griechenlands Glaubwürdigkeit: Ein Verdienst George Papandreous

George Papandreou gilt als glaubwürdiger Repräsentant der Regierung. Er gestaltete die griechische Außenpolitik seit dem Rücktritt seines umstrittenen Amtsvorgängers Pangalos im Februar 1999 transparenter und vertrauenswürdiger. Besondere Anerkennung erwarb er sich, indem er Griechenland aus der Isolation herausführte und die Außenpolitik auf die langfristigen Interessen seines Landes ausrichtete. Zudem bewies er im Dialog mit der Türkei Augenmaß und Taktgefühl und verschaffte sich auch durch sein Engagement im Nahen Osten internationalen Respekt. Des weiteren unterstützte Papandreou die Demokratiebewegung im ehemaligen Jugoslawien und schloss sich aktiv der weltumspannenden Koalition gegen den Terrorismus an. So stellte er den Vereinigten Staaten eine Militärbasis auf Kreta zur Verfügung. Gerade dieser Punkt ist erstaunlich, da die Erinnerung an die amerikanische Kollaboration mit der griechischen Militärdiktatur noch nicht ausgelöscht ist.

Die Diktatur herrschte von 1967 bis 1974. In dieser Phase war Makarios III. Präsident Zyperns. Er förderte die Neutralität und Unabhängigkeit seines Landes. Doch dies missfiel nicht nur den griechischen Militärs, die in Zypern einen unverzichtbaren Bestandteil Griechenlands sahen und Makarios daher 1974 durch einen Putsch stürzten, sondern auch den US-Amerikanern. Diese wandten sich gegen den zypriotischen Präsidenten, weil er freundschaftliche Beziehungen zu der Sowjetunion anstrebte und das amerikanische Embargo gegen Nordvietnam nicht mittragen wollte.

Trotz dieser Vorgeschichte ist Papandreou bereit, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu normalisieren. Schließlich ist ihm das Land alles andere als fremd. Er wurde 1952 in St. Paul/Minnesota geboren und studierte u. a. auch in Harvard.

Zwar hat Papandreou die Weichen der griechischen Außenpolitik neu gestellt, doch stehen ihm und seinen Kollegen mit der EU-Ratspräsidentschaft noch etliche Hindernisse bevor.

Die Zypern-Frage: Ist eine Lösung in Sicht?

Die Zypern-Frage ist und bleibt ein Hauptanliegen der außenpolitischen Bemühungen Griechenlands. Ein wirklicher Dialog ist bis zum heutigen Zeitpunkt jedoch ausgeblieben, nicht zuletzt weil die Konfliktparteien verschiedenen Sprachräumen und Religionsgemeinschaften angehören. Der Konflikt dauert mittlerweile seit rund 43 Jahren an. Nach der offiziellen Unabhängigkeitserklärung Zyperns am 16. August 1960 hat es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen türkischen und griechischen Zyprioten gegeben. Die einen riefen stets nach einer Teilung der Insel in zwei selbständige Staaten, die anderen forderten einen einzigen, von ihnen regierten Staat. Allerdings handelt es sich bei diesem Konflikt nicht nur um die politische Auseinandersetzung zwischen Volksgruppen, sondern auch um einen Streit um kostbare Bodenschätze. Fiele der nördliche Teil Zyperns beispielsweise an die Türkei, würden nicht nur die Rohstoffe zugunsten der Türkei neu verteilt, sondern sich das türkische Hoheitsgebiet auf See erheblich ausweiten.

Heute stehen sich auf Zypern immer noch die beiden erfahrenen Gegenspieler Glafkos Klerides (83) und Rauf Denktasch (79) gegenüber. Trotz 59-maligen Treffens allein im Jahr 2002 haben sie sich noch nicht einigen können. Die Situation scheint festgefahren, seitdem Denktasch 1993 im nördlichen Teil der Insel die „Türkische Republik Nordzypern“ ausrief und sie für unabhängig erklärte – eine Provokation für die griechischen Zyprioten, die bis dato diese Republik nicht anerkannt haben. Die beiden Staaten existieren politisch und wirtschaftlich vollständig getrennt voneinander. Doch kommt es wiederholt zu Spannungen und bewaffneten Auseinandersetzungen, denen nur durch UNO-Truppen Einhalt geboten werden kann.

Eine Wiederbelebung des Aussöhnungsprozesses zwischen den bei den Landesteilen ist im Grunde nur noch eine Frage der Zeit. Zwar drängt Denktasch sein Inselgebiet weiterhin Richtung Türkei, doch nimmt in den eigenen Reihen der Druck auf ihn zu. Der Großteil der Türkischzyprioten will im Verbund mit den Griechischzyprioten EU-Mitbürger werden. Auch Klerides möchte – nicht zuletzt wegen seines fortgeschrittenen Alters – zügig handeln und seine politische Laufbahn mit einer historischen Tat krönen.

Nach Vorlage eines Friedensplanes durch UNO-Generalsekretär Kofi Annan und in Verbindung mit einem Aufruf des Weltsicherheitsrates zu konstruktivem Verhalten wurde ein neues Datum für die Problemlösung festgelegt. Bis zum 28. Februar sollen sich die Konfliktparteien wenigstens bezüglich der allgemeinen Fragen zur Wiedervereinigung der Insel einigen, die seit 1974 geteilt ist. Die Details, die im Plan Kofi Annans enthalten sind, sollen von zwei paritätisch besetzten juristischen Ausschüssen geklärt werden. Zu den Themen gehören u.a. die Kopplung der Zahl griechischzypriotischer Rückkehrer an die Zahl türkischzypriotischer Siedler, die Stationierung von griechischen, türkischen und UNO-Soldaten sowie die Besetzung des Verfassungsgerichts auch mit ausländischen Richtern. Die Ausschussmitglieder sind aufgerufen, in 24 Kapiteln die rechtlichen Grundlagen für einen gemeinsamen Staat im Einklang mit dem Acquis zu klären.

Unabhängig von den Verhandlungsergebnissen wird die Republik Zypern mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages am 16. April neues EU-Mitglied werden und völkerrechtlich die gesamte Insel vertreten. Sollte bis April keine Entscheidung der Türkischzyprioten über die Zugehörigkeit zur Republik vorliegen, würde der Acquis gemäß Gipfeldokument von Kopenhagen im nördlichen Teil nicht in Kraft treten. Sollte bis dahin doch eine Lösung zustande kommen, so müssten die Kapitel des Acquis von Vertretern beider Volksgruppen in Brüssel neu erörtert werden.

Vieles liegt nun an der Entscheidung der Türken und ihrer Zustimmung zu einer potentiellen Konfliktlösung. Die neugewählte Regierung unter Ministerpräsident Abdullah Gül hat tatsächlich kurz nach Übernahme des Ratsvorsitzes durch die Griechen Entgegenkommen signalisiert. Ankara deutete die Bereitschaft zu einem Kompromiss im Einvernehmen mit den Vereinten Nationen und unter Berücksichtigung der griechischen Interessen an. Ohnehin würde die türkische Regierung mit einer fortdauernden Verzögerungstaktik lediglich den Eindruck erwecken, als wollte sie durch dieses Druckmittel eine möglichst schnelle Aufnahme der eigenen EU-Beitrittsverhandlungen erwirken. Doch offensichtlich sind sich die politischen Entscheidungsträger in der Türkei sehr wohl des entscheidenden Vorteils beschleunigter Verhandlungen bewusst: Sie würden somit ihre eigene außenpolitische Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen.

Fazit

Nach einer detaillierten Auseinandersetzung mit den wesentlichen Herausforderungen für die griechische Ratspräsidentschaft sind Bedenken angebracht, ob die Präsidentschaft der Arbeitslast tatsächlich Herr werden kann. Viele der im Arbeitsprogramm genannten Punkte und Ziele sind wahrlich nicht neu, denn bisher hat noch jede Präsidentschaft erhebliche Abstriche in ihrem selbst auferlegten Arbeitspensum machen müssen.

Entscheidend für das Selbstverständnis der Union von morgen werden ohnehin weniger die wirtschafts- oder sozialpolitischen Details sein. Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Bemühungen des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union von Erfolg gekrönt sein werden und bis zum Gipfeltreffen in Thessaloniki ein für alle Seiten zufriedenstellender Entwurf vorliegt.

Die Agenda und die Termine stehen fest. Es liegt nun am Verfassungskonvent und an den Organen selbst, ob sie rechtzeitig die notwendigen strukturellen Reformen auf den Weg bringen, um die Union de facto - nicht nur de jure - aufnahmefähig zu machen.

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