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Vortrag

„Zum Vertrag über eine Verfassung für Europa“

Am 25. November lud das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema „Zum Vertrag über eine Verfassung für Europa“ mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof.Dr.Hans-Jürgen Papier, ein.

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Vortrag

Am 25. November lud das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einer Vortragsveranstaltung zum Thema „Zum Vertrag über eine Verfassung für Europa“ mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, ein.

Nachfolgend finden Sie den Redetext von Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier abgetruckt.

Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, hier im Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einigen Aspekten des „Vertrags über eine Verfassung für Europa“ Stellung nehmen zu können. Der Verfassungsvertrag wurde bekanntlich vor einem knappen Mo-nat, am 29. Oktober 2004, in Rom von den Staats- und Regierungschefs der 25 Mit-gliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet; er steht nun zur Ratifikation durch die Mitgliedstaaten an. Ich kann in diesem Rahmen selbstverständlich nur auf einige ausgewählte Punkte dieses umfangreichen Normenwerks eingehen, das immerhin 448 Artikel sowie eine ganze Reihe von Protokollen und Erklärungen umfasst.

I. Eine Verfassung für Europa?

Lassen Sie mich mit einer ganz grundsätzlichen Frage beginnen: Kann eine zwi-schenstaatliche, völkerrechtliche Einrichtung wie die Europäische Union überhaupt eine Verfassung, und zwar eine Verfassung im juristischen Sinne, haben? Ich meine: Ja. Der souveräne, alle seine Entscheidungen selbst verantwortende Nationalstaat entspricht als Leitbild immer weniger der Realität. Wenn deshalb heute öffentliche Gewalt nicht mehr nur von den Staaten ausgeübt wird, sondern auch durch die Organe eines supra-nationalen „Staatenverbundes“, so bedarf diese Hoheitsgewalt in gleicher Weise der Legitimation und der Begrenzung. In diesem Sinne verfügt die Europäische Union be-reits heute über eine Grundordnung, die alle wesentlichen Verfassungsfunktionen erfüllt. Erst recht lässt sich ein Vertrag, der diese Grundordnung zusammenzufassen, zu ratio-nalisieren und zu systematisieren sucht, als „Verfassung für Europa“ bezeichnen.

II. Annahme und Änderung des Verfassungsvertrags

Löst man die traditionelle Verbindung zwischen Staat und Verfassung auf, so muss man sich allerdings auch vor Fehlschlüssen in umgekehrter Richtung hüten. Aus der Tatsache, dass sie eine Verfassung hat, folgt dann eben nicht, dass die Europäische Union ein Staat oder Bundesstaat ist oder dass sie sich zwangsläufig dahin entwickeln müsste. Die Europäische Union beruht nach wie vor auf einer völkerrechtlichen Grund-lage. Das kommt auch in den Vorschriften über die Annahme und die Änderung des Verfassungsvertrags zum Ausdruck. Erforderlich ist danach die Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten gemäß ihren nationalen verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Mit-gliedstaaten bleiben also die „Herren der Verträge“.

Problematischer wäre eine andere, anfangs verfolgte Idee gewesen, nämlich die ei-ner Zweiteilung des Verfassungsvertrags in einen „Basisvertrag“ einerseits und in „übri-ge Vertragsbestimmungen“ anderseits. Danach wäre nur für die Änderung des Basisver-trags die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich gewesen, während die übrigen Bestimmungen durch die Organe der Union selbst hätten geändert werden können. Da unter die übrigen Bestimmungen wohl die Vorschriften über die Politikbereiche und die Arbeitsweise der Union gefallen wären, hätte die Union künftig ihre Kompetenzen auto-nom erweitern können, jedenfalls in dem durch den Basisvertrag abgesteckten Rahmen. Hintergrund dieser Konzeption ist die – nicht ganz unberechtigte – Befürchtung, dass es bei der gewachsenen Zahl von Mitgliedstaaten in Zukunft immer schwieriger wird, die Grundordnung der Europäischen Union noch fortzuentwickeln, wenn die Zustimmung jedes einzelnen Mitgliedsstaats erforderlich ist. Dennoch: Die Idee des „zweigeteilten Verfassungsvertrags“ widerspräche der klaren Aussage des Bundesverfassungsgerichts im Maastricht-Urteil, wonach das Grundgesetz die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in einer Union verbietet, die selber ihre Zuständigkeiten festlegen kann, also über eine sog. Kompetenz-Kompetenz verfügt. Der Konvent war deshalb gut beraten, diese Konzeption nicht weiter zu verfolgen und sich auf kleinere, verfassungsrechtlich unproblematische Erleichterungen im Vertragsänderungsverfahren zu beschränken.

III. Struktur und Rechtspersönlichkeit der Union

Lassen Sie mich damit zu den inhaltlichen Regelungen des Verfassungsvertrags und deren Bewertung kommen. Ich beginne mit einigen allgemeinen Fragen, die die Struktur der Union und die Verteilung der Kompetenzen betreffen. Der Verfassungsver-trag beseitigt die bisherige sog. „Tempel-“ oder „Säulenarchitektur“ der Union. Die der-zeit bestehenden drei „Säulen“ – also die „erste Säule“, die sich ihrerseits in die Europä-ische Gemeinschaft, die Euratom sowie die inzwischen ausgelaufene Montanunion (EGKS) gliedert, die „zweite Säule“ der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die „dritte Säule“ der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) –, alle diese „Säulen“ und ihre Untergliederungen gehen nunmehr in der einheitlichen Form der Europäischen Union auf. Zugleich erhält die Europäische U-nion eine eigene Rechtspersönlichkeit. In alledem liegt eine wesentliche, nicht nur opti-sche Vereinfachung und Verbesserung.

IV. Kompetenzkategorien und Kompetenzverteilung

Der Verfassungsvertrag führt ferner erstmals klare Kompetenzkategorien ein, näm-lich die Kategorien der ausschließlichen Zuständigkeit der Union, der zwischen Union und Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit sowie der sog. Unterstützungs-, Koordinie-rungs- und Ergänzungsmaßnahmen der Union. Alle nicht der Union zugewiesenen Zu-ständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten. Mit diesen Vorgaben wäre die Grund-lage für eine wirkliche Kompetenzverfassung gelegt, wie sie seit langem gefordert wird. An dieser Stelle bricht der verfassungspolitische Elan des Vertrags allerdings ab. Zwar sind den einzelnen Kategorien Kataloge von Politikbereichen beigefügt. So unterfallen der zwischen Union und Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit etwa die Bereiche des „Binnenmarktes“, des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ oder des „Verbraucherschutzes“. Diese Politikbereiche sind jedoch, wie die Beispiele zeigen, rela-tiv unbestimmt umschrieben und auch gar nicht abschließend aufgezählt. Vor allem aber muss man, um zu erfahren, über welche Zuständigkeiten die Union konkret verfügt, in den mehr als 200 Artikeln des Teils III nachschlagen, in denen die einzelnen Kompeten-zen der Union zusammengetragen und sortiert sind. Die Forderung nach Vereinfachung und mehr Transparenz in der Kompetenzordnung der Europäischen Union ist damit nur unzureichend erfüllt. Soweit ersichtlich wird nach dem Verfassungsvertrag auch keine einzige Kompetenz von der Union auf die Mitgliedstaaten zurück übertragen ﷓ dies ob-wohl die Regierungskonferenz von Laeken dem Verfassungskonvent ausdrücklich auf-getragen hatte, auch die Möglichkeit einer solchen Rückübertragung von Kompetenzen zu prüfen. Man kann die umfängliche und detaillierte Kompetenzregelung allerdings in gewissem Grade auch positiv sehen: Sie ist Ausdruck des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung und damit ein Beleg dafür, dass sich die Mitgliedstaaten nach wie vor sehr genau überlegen, welche Hoheitsrechte sie in welchem Umfang auf die Euro-päische Union übertragen wollen.

V. Subsidiaritätsprinzip

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zum Subsidiari-tätsprinzip anfügen, das den Vorrang der kleineren vor der größeren Einheit, also den Vorrang der Mitgliedstaaten vor der Union, sicherstellen soll. Der Verfassungsvertrag ergänzt diese Regel durch ein prozedurales Schutzkonzept. Es sieht Begründungspflich-ten für die Kommission vor, an die sich ein sog. Frühwarnmechanismus anschließt. Die nationalen Parlamente und ihre Kammern – in Deutschland sind das Bundestag und Bundesrat ﷓ können in einer Stellungnahme darlegen, weshalb der Regelungsvorschlag ihrer Auffassung nach nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Bei Erreichen eines bestimmten Quorums hat die Kommission daraufhin ihren Vorschlag nochmals zu überprüfen. Schließlich ist vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten auf Verlangen und im Namen ihres nationalen Parlaments oder einer Kammer desselben, für Deutschland al-so wiederum Bundestag oder Bundesrat, Klage zum Europäischen Gerichtshof wegen einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips erheben können.

Eine Bewertung dieser Regelung fällt aus meiner Sicht zwiespältig aus. So wird et-wa die Klagemöglichkeit zum EuGH so lange eine stumpfe Waffe sein, als das Subsidia-ritätsprinzip weiterhin so unbestimmt und wenig justitiabel bleibt wie bisher, wenn also zwar eine Klage erhoben werden kann, diese jedoch mangels griffiger Prüfungsmaßstä-be zumeist erfolglos bleiben wird. Als wirkungsvoller könnte sich hingegen das Früh-warnsystem erwiesen, weil es noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu einer politischen Sensibilisierung für Subsidiaritätsfragen führen kann. Ein speziell deutsches Problem wird schließlich die Verknüpfung des Subsidiaritätsprinzips mit der bundes-staatlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes darstellen. Denn in bekannter, aber nicht unbedingt bewährter Manier fällt hier dem Bundesrat eine zentrale Rolle zu. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Querelen und Lähmungserscheinungen unseres in-nerstaatlichen Verbundföderalismus nicht nachteilig auf die Handlungsfähigkeit der deutschen Vertreter in den europäischen Organen auswirken werden.

VI. Demokratische Legitimation

Ein weiterer zentraler Auftrag an den Verfassungskonvent bezog sich auf die Stär-kung der demokratischen Legitimation der europäischen Organe und Institutionen. Be-kanntlich stützt sich die Europäische Union auf eine doppelte parlamentarisch-demokratische Legitimationsbasis, zum einen unmittelbar über das Europäische Parlament, zum anderen mittelbar über die Verantwortlichkeit der Vertreter der Mitgliedstaaten in den europäischen Organen gegenüber ihren jeweiligen nationalen Parlamenten. Der Verfas-sungsvertrag stärkt jede dieser beiden Wurzeln. Dem Europäischen Parlament soll künf-tig neben dem Ministerrat eine gleichberechtigte Stellung im Gesetzgebungsverfahren zukommen; außerdem soll es den Kommissionspräsidenten wählen. Hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Legitimationsschiene ist vor allem auf das „Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union“ hinzuweisen; es begründet In-formationsrechte der Parlamente und versetzt diese so in die Lage, frühzeitig auf die nationalen Regierungen Einfluss zu nehmen. Beides entspricht im übrigen den Vorga-ben des Bundesverfassungsgerichts, das im Maastricht-Urteil gefordert hatte, die demo-kratischen Grundlagen der Union schritthaltend mit der Integration auszubauen.

Mit in diesem Zusammenhang zu nennen ist im übrigen das Prinzip der doppelten Mehrheit, wonach bei bestimmten Abstimmungen nicht mehr nur die Zahl der Mitglied-staaten, sondern auch der von ihnen repräsentierte Bevölkerungsanteil in der Union maßgeblich ist. Mit diesem Prinzip der doppelten Mehrheit geht es keineswegs um ein machtpolitisches Kalkül, sondern um elementare demokratische Grundsätze. Je mehr die Europäische Union vom Prinzip der Einstimmigkeit auf das Prinzip der Mehrheitsent-scheidung übergeht ﷓ mit der Folge, dass bei einzelnen Entscheidungen eben die Zu-stimmung der überstimmten Staaten fehlt ﷓, desto wichtiger ist es, dass die Mehrheits-entscheidung im Rat auch von einer die Entscheidung legitimierenden Mehrheit der eu-ropäischen Bürger gedeckt ist.

VII. Institutionelle Neuerungen

Gewichtige Neuerungen ergeben sich für den Europäischen Rat. Bislang nur nach Art. 4 EU-Vertrag mit Organstatus versehen, rückt er nun verfassungssystematisch an die zweite Stelle hinter das Europäische Parlament. Der Europäische Rat wählt sich ei-nen für zweieinhalb Jahre amtierenden Präsidenten und fungiert als – mit zahlreichen Kompetenzen ausgestattetes ﷓ zentrales intergouvernementales Beratungsgremium. Für die Außenvertretung der Union wird ihm ein ﷓ vom Europäischen Rat selbst ernannter – Außenminister der Union zur Seite gestellt. Bemerkenswert ist, dass dieser Außenminis-ter als Teilnehmer am Europäischen Rat, als Vorsitzender des Ministerrats in seiner Zu-sammensetzung als Rat für Auswärtige Angelegenheiten und schließlich als einer der Vizepräsidenten der Kommission gleich auf drei Hochzeiten tanzt. Insgesamt, soviel wird man sagen können, wird der Europäische Rat mit seinem Präsidenten und dem Außenminister ein deutlich stärkeres Gewicht im Organisationsgefüge der Union erhal-ten. Die Folgen für das institutionelle Gleichgewicht sind derzeit schwer abschätzbar.

VIII. Die Charta der Grundrechte der Union

Ich komme damit zu einem weiteren Punkt, nämlich der Aufnahme eines Grundrechtekatalogs in den Verfassungsvertrag. Der Verfassungskonvent konnte hier auf den Vorarbeiten des Grundrechte-Konvents aufbauen, der 1999/2000 unter dem Vorsitz von Roman Herzog tagte. Der Verfassungsvertrag übernimmt die dort entworfene „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ und inkorporiert sie, formal und inhaltlich un-verändert, als Teil II in das neue Vertragswerk. Während der Grundrechte-Charta bisher – ungeachtet ihrer feierlichen Proklamation durch den Europäischen Rat – keine rechtli-che Verbindlichkeit zukommt, könnte die Union mit der Annahme des Verfassungsver-trags erstmals in ihrer Geschichte über einen verbindlichen geschriebenen Grundrech-tekatalog verfügen. Was die Bewertung der Grundrechtsbestimmungen anbelangt, so erstreckt sich das ganz überwiegend positive Urteil, das die Arbeit des Herzog-Konvents gefunden hat, naturgemäß auch auf die entsprechenden Regelungen des Verfassungs-vertrags. Für eine Einzelkritik ist hier nicht der Raum. Nicht vergessen werden sollte al-lerdings, dass der Herzog-Konvent nicht die Aufgabe hatte, Grundrechte neu zu schaf-fen oder zu fordern, sondern eine Bestandsaufnahme und Zusammenfassung der be-stehenden Grundrechte vorzunehmen und für deren – wie es der Europäische Rat for-mulierte ﷓ „sichtbare Verankerung“ zu sorgen. Auch wenn die Grundrechte-Charta des-halb keine großen Neuheiten oder Überraschungen birgt, sondern nur das geltende Recht verklart, kann eben auch dies die Rechtssicherheit stärken, die Rechtsdurchset-zung erleichtern und zur Integration der Bürger beitragen.

IX. Abstimmungsprobleme beim Grundrechtsschutz

Der Verfassungskonvent hat andererseits darauf verzichtet, einen grundrechtsspezi-fischen Rechtsbehelf, also gewissermaßen eine europäische Verfassungsbeschwerde zu schaffen. Mittelbar könnte sich allerdings ein spezifischer Grundrechtsbehelf gegen das Handeln von Unionsorganen dann ergeben, wenn die Union, wie sie das anstrebt, de r Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) beitreten würde. Denn in diesem Falle wird auch gegen Unionsakte die Indivi-dualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eröff-net sein. Mit dem Hinweis auf diese Rechtsschutzfragen ist zugleich ein weiterer Prob-lempunkt berührt. Ging es vor noch nicht allzu langer Zeit und geht es in Teilbereichen auch heute noch darum, Defizite im Grundrechtsschutz zu beseitigen, so wirft der er-reichte und aus verschiedenen Quellen gespeiste Grundrechtsschutz auf der anderen Seite bereits hier und da Abstimmungsprobleme auf. Das Dreiecksverhältnis zwischen dem nationalen Grundrechtsschutz, der Grundrechte-Charta der Union und der Europäi-schen Menschenrechtskonvention bedarf ebenso der Koordination wie die Zuständigkei-ten und Verfahren vor den korrespondierenden nationalen Verfassungsgerichten, dem Luxemburger Gerichtshof der Europäischen Union und dem Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte. Nur bis zu einem gewissen Maß vermag die Pluralität der Grund-rechtsordnungen den Grundrechtsschutz zu stärken. Wird dieses Maß überschritten, drohen Einbußen an Effizienz und Effektivität. Hier die richtige Feinabstimmung zu fin-den, ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

X. Die Finalität der Europäischen Union

Lassen Sie mich mit einer Frage schließen, deren Beantwortung man jedenfalls von einem Verfassungsentwurf traditioneller Prägung erwartet hätte: Hat der Prozess der europäischen Integration mit der „Verfassung für Europa“ sein Ziel erreicht? Oder wer-den darüber hinaus weitergehende Integrationsschritte angestrebt und ﷓ wenn ja ﷓ mit welcher Perspektive? Der Verfassungsvertrag spricht in seiner Präambel einerseits von einem „nunmehr geeinten Europa“, andererseits von der Entschlossenheit der Völker Europas, „die alten Trennungen zu überwinden und immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam zu gestalten“, was auf eine fortbestehende Dynamik hindeutet, deren Ziel allerdings im Dunkeln bleibt. Der Charakter des Prozesshaften und Dynamischen, der für das Vorhaben der europäischen Integration insgesamt kennzeichnend ist, erstreckt sich damit, so scheint es, auch auf seine Verfassung. Dennoch meine ich: Wo, wenn nicht in einer „Verfassung für Europa“, sollte geklärt werden, wohin die Europäische U-nion eigentlich steuert? Welche Politikfelder sollen künftig noch in die Union integriert werden, soll etwa am Ende ein europäischer Bundesstaat stehen? Aber auch: Wo liegen die Grenzen der Union, nicht zuletzt im geographischen Sinne? Funktion einer Verfas-sung ist es auch, dem verfassten Gemeinwesen Struktur und Stabilität zu verleihen. Der Verfassungsvertrag hätte deshalb die Frage „Europa wohin?“ zumindest im Grundsatz beantworten sollen. Dass dies versäumt wurde, ist ein nicht ganz unwesentlicher Man-gel der Verfassung und der sie begleitenden verfassungspolitischen Diskussion.

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Veranstaltungsort

Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung, Avenue de L´Yser 11, 1040 Brüssel

Referenten

  • Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier
    • Präsident des Bundesverfassungsgericht
      Kontakt

      Dr. Peter R. Weilemann †

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