Vortrag
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Kurzbericht
Das Thema, so erklärte Androulla Vassiliou zu Beginn ihres Vortrags, sei 2006 angestoßen worden, als die Kommission die Konsultationen zu gemeinsamen Maßnahmen der EU im Gesundheitsbereich startete, habe sich doch die Situation von grenzüberschreitenden Gesundheitsleistungen für EU-Bürger als derart kompliziert herausgestellt. Der Reformprozess sei auch im Lichte eines zunehmenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen sowie einer Migration von Gesundheitsfachkräften von Ost nach West zu sehen. Ziel sei es, den Patienten bessere Leistungen anbieten zu können, egal, in welchem EU-Mitgliedsstaat sie sich aufhalten, ohne jedoch die nationalen Gesundheitssysteme grundlegend zu verändern.
Die Mitgliedsstaaten sollten weiterhin selbst entscheiden können, welche Behandlungen den Patienten angeboten würden. Durch die Kampagne „Europa für Patienten“ seien die EU-Bürger aufgefordert, ihr Recht auf Mobilität zu nutzen, und könnten überall in der EU Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, die bestimmten Standards entsprächen. Die verschiedenen Standards zu harmonisieren, sei nicht das Ziel der EU, betonte Vassiliou, wohl aber den Patienten mehr Klarheit über sie zu verschaffen.
Weiteres Ziel der vorgeschlagenen Direktive sei es, einen neuen Rahmen für eine Kooperation der EU-Staaten in bestimmten Bereichen der Gesundheitspolitik zu setzen, ohne jedoch neue Bürokratie zu schaffen. Die Rolle der EU in der Gesundheitspolitik unterscheide sich von der der einzelnen Staaten, beide Ebenen wirkten komplementär und könnten Synergieeffekte erzeugen.
Drei konkrete Ergebnisse solle die neue Direktive erbringen: Erstens sollten diejenigen Prinzipien, die alle nationalen Gesundheitssysteme gemein hätten, bestätigt werden, so wie es die europäischen Gesundheitsminister 2006 beschlossen hätten. Eines dieser Prinzipien sage beispielsweise aus, dass sichergestellt werden müsse, dass
Bürger eines anderen Mitgliedsstaats und eigene Bürger gleichbehandelt werden (trotzdem könnten EU-Ausländer bestimmte Behandlungen verweigert werden, wenn keine Kapazitäten vorhanden seien).
Zweitens würden neue Prinzipien geschaffen, um die Mitgliedsstaaten bei der Anwendung der gesetzlichen Patientenrechte zu leiten. Der bestehende Rechtsrahmen werde aber nicht verändert, stattdessen liefen die
Rechtsvorgaben beider Ebenen nebeneinander.
Wenn jemand beispielsweise im EU-Ausland ins Krankenhaus gebracht werden müsse, würden die Kosten von seinem Heimatstaat voll erstattet. Außerdem könne ein Patient im EU-Ausland aus jedem beliebigen Grund Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, jedoch würden ihm diese dann nur bis zu dem Betrag erstattet, den er im Heimatland für dieselbe Leistung erstattet bekäme. Manche fürchteten, dass es durch die EU-Regelungen zu
einer Abwanderung von Patienten ins EU-Ausland komme. Dies betreffe jedoch nur ein Prozent der Patienten, zudem bevorzuge ein Patient sowieso, Gesundheitsleistungen in seinem eigenen Land zu nutzen, dessen Sprache er spreche und in dem seine Familie lebe. Den einzelnen Mitgliedsstaaten werde ein „Sicherheitsnetz“ angeboten, um ihre Gesundheitssysteme zu schützen.
Drittens müsse ein neuer Rahmen für die Kooperation der Mitgliedsstaaten in Schlüsselbereichen, vor allem im Bereich Forschung und Technologie, aufgebaut werden. Das Fachwissen von europäischen Forschern müsse
gebündelt werden. Da ein Gesundheitssystem eines Landes niemals alle Krankheiten abdecken könne, müssten auf europäischer Ebene „Exzellenznetzwerke“ aufgebaut werden. Kostenaufwendige Technologien müssten effizient genutzt werden. Frau Vassiliou hob besonders den verstärkten Einsatz von „E-Health“, also computer- und Internet-gestützten
Anwendungen im Gesundheitsbereich, hervor.
Zu Beginn der anschließenden Diskussion informierte Frau Vassiliou über den aktuellen Stand der Verhandlung der Direktive: Sie befinde sich gerade im Mitentscheidungsverfahren. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft
zeige sich laut Vassiliou beim Thema Gesundheit sehr engagiert. Beim Ratstreffen der Gesundheitsminister im Juni werde man zumindest einen Fortschrittsbericht vorlegen. Die Gesundheitskommissarin hielt es für weniger wichtig, dass die Direktive so schnell wie möglich beschlossen werde, es solle vielmehr den Mitgliedsstaaten umso mehr Zeit gegeben werden, ihre neue Verantwortung zu „verdauen“.
Befürchtungen, dass die neue Gesundheitsrichtlinie ähnlich wie die „Bolkestein-Richtlinie“ verwässert werde, trat Vassiliou entgegen. Mit dieser Richtlinie habe die EU eine große Chance, zu zeigen, was sie für ihre Bürger tun könne.