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Fünf Jahre griechische Staatsschuldenkrise: Ein Lagebericht aus Athen

von Kai Zenner

Dinner Discussion

Die Berichterstattung über die griechische Schuldenkrise wird seit längerem von den widersprüchlichen Äußerungen und kontraproduktiven Maßnahmen der neuen griechischen Regierung dominiert. Die tatsächliche Lage vor Ort und die Auswirkungen der Krise auf Gesellschaft und Wirtschaft rücken dabei in den Hintergrund. Der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, Professor Dr.-Ing Athanassios Kelemis, gelang es zusammen mit MEP Werner Langen die Gäste fundiert und aus erster Hand über die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation vor Ort zu informieren.

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Fünf Jahre griechische Staatsschuldenkrise: Ein Lagebericht aus Athen

22. Juni 2015 | 19.00 - 21.00 Uhr | Europabüro Brüssel

Die Berichterstattung über die griechische Schuldenkrise wird seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Januar 2015 von widersprüchlichen Äußerungen und kontraproduktiven Maßnahmen der neuen griechischen Regierung dominiert. Die tatsächliche Lage vor Ort und die Auswirkungen der Krise auf Gesellschaft und Wirtschaft rücken dabei oft in den Hintergrund. Um aus erster Hand mehr über die Situation in Griechenland zu erfahren, lud das Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einer 'Dinner Discussion' mit dem Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, Professor Dr.-Ing Athanassios Kelemis, ein. Für die Darlegung des Standpunkts der Europäischen Institutionen und insbesondere der EVP konnte der Abgeordnete Werner Langen (Ausschuss für Wirtschaft und Währung) gewonnen werden.

Da die Diskussion gemäß Chatham House Rules stattfand, wird im Folgenden nur auf den einführenden Vortrag von Herrn Professor Kelemis eingegangen. Als geborener Grieche, der an der TU Berlin promovierte und seit 2002 in Griechenland beruflich tätig ist, kennt Herr Kelemis sowohl Griechenland als auch Deutschland sehr gut und war folglich in der Lage ausgewogen über die aktuelle Situation in Athen zu berichten.

Prof. Kelemis erklärte, dass sich Griechenland nun schon seit sechs Jahren in der Rezession befinde und die Armut inzwischen auch die Mitte der Gesellschaft erreicht habe. Seit Beginn der Schuldenkrise sei das Bruttoinlandsprodukt um 25% gefallen und insbesondere die Jugend leide unter einer extrem hohen Arbeitslosigkeit von 49,8%. Die Gründe für die Schwere der Krise seien vielfältig: So fehle es dem Land an den notwendigen Strukturen, um wirklich vom europäischen Binnenmarkt profitieren zu können. Wirtschaft und Politik würden zudem unter dem starken Einfluss einiger weniger Oligarchen sowie einem ausgeprägten Klientelismus leiden. Schließlich produzierten die griechischen Unternehmen kaum hochwertige Industriegüter, die exportiert werden könnten.

Die infolge der Schuldenkrise durchgeführten Reformen hätten versucht, viele der strukturellen Probleme des Landes zu beheben. Professor Kelemis verwies beispielsweise auf die beeindruckende Haushaltskonsolidierung der griechischen Regierungen bis 2014. Darüber hinaus seien der Arbeitsmarkt und der Kündigungsschutz reformiert, der Mindestlohn und die Lohnnebenkosten gesenkt sowie der Staatsapparat verschlankt worden. Durch den Wegfall vieler wettbewerbshemmenden Bestimmungen und Zustände war eine langsame Erholung der griechischen Wirtschaft zu beobachten. Da sich aber zugleich die Lage vieler Bürger nicht merkbar verbesserte, wurden die Spar- und Reformmaßnahmen von einem immer größeren Teil der Öffentlichkeit abgelehnt. Auf Grundlage dieser starken Unzufriedenheit gewann im Januar 2015 die Protestpartei SYRIZA die vorgezogenen parlamentarischen Neuwahlen.

Professor Kelemis erklärte, dass die neue Regierungspartei für einen politischen Stimmungswandel hinsichtlich Sparprogramm und Troika stehe. So machte sie auch die meisten der dringend notwendig strukturellen Reformen rückgängig und gab die stabile Finanzpolitik der Vorgängerregierungen auf. Ihre mangelnde Regierungserfahrung sei nicht nur international sondern auch national deutlich erkennbar gewesen. Nach nur wenigen Wochen schrumpfte die griechische Wirtschaft wieder und die Schuldenkrise eskalierte erneut. Professor Kelemis stellte fest, dass das Land auf Dauer nur durch echte Strukturreformen genesen könne. Ziel müsse ein Haushaltsprimärüberschuss sein. Ebenso müssten die Verwaltungsreformen beschleunigt, das Steuersystem vereinfacht, Investitionen in innovative Projekte gefördert und neue Finanzierungswerkzeuge entwickelt werden.

Professor Kelemis ging am Ende seines Vortrages auch kurz auf die deutschen Unternehmen in Griechenland ein. Trotz der andauernden Schuldenkrise seien diese größtenteils im Land geblieben, was sehr positiv zu bewerten sei. Nach Zahlen der Griechischen Industrie- und Handelskammer seien insgesamt 119 Unternehmen in Griechenland ansässig. Diese würden 29.000 Angestellte beschäftigen und dabei jährlich circa 7 Milliarden Euro Umsatz (= 3% des griechischen BIP) erzeugen. Neben der Türkei und Italien ist Deutschland damit einer der größten Handelspartner Griechenlands. Besonders einträchtig seien für deutsche Unternehmen noch immer die Tourismus- und Schifffahrtsbranche sowie die Agrarwirtschaft. Daneben bieten aber auch der Energie-, Pharma-, Abfall-, Logistik- sowie ICT-Sektor gute Geschäftsmöglichkeiten. Damit deutsche und europäische Unternehmen aber wieder im großen Maße in Griechenland investieren, müssten zunächst die Schuldenkrise und vor allem die damit verbundene politische sowie wirtschaftliche Ungewissheit aufgehoben werden.

Die Deutsch-Griechische Industrie- und Handelskammer hat am 1. Juli 2015, also nur wenige Tage nach der Veranstaltung im Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung, eine Stellungnahme zur erneuten Verschärfung der Schuldenkrise veröffentlicht. Sie finden diese unter dem folgenden Link: http://griechenland.ahk.de/fileadmin/ahk_griechen-land/news_bilder/Stellungnahme_AHK-GR-01072015.pdf

Johanna Schworm / Kai Zenner

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