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Veranstaltungsberichte

Holocaust-Gedenktag: „Antisemitismus heute – etwas Neues und etwas Altes?“

von Tina Mercep
In der 2005 verabschiedeten UN-Resolution 60/7 wurde festgelegt, dass am 27. Januar jedes Jahres der Internationale Holocaust-Gedenktag stattfindet, um der Verfolgung, Deportierung und Auslöschung jüdischen Lebens auf europäischem Boden zu gedenken. Am Vorabend des diesjährigen Gedenktags lud die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem AJC Transatlantic Institute und der Botschaft Israels bei der Europäischen Union zu einer Frühstückdiskussionsrunde ein.

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In der 2005 verabschiedeten UN-Resolution 60/7 wurde festgelegt, dass am 27. Januar jedes Jahres der Internationale Holocaust-Gedenktag stattfindet, um der Verfolgung, Deportierung und Auslöschung jüdischen Lebens auf europäischem Boden zu gedenken. Am Vorabend des diesjährigen Gedenktags lud die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem AJC Transatlantic Institute und der Botschaft Israels bei der Europäischen Union zu einer Frühstückdiskussionsrunde ein.

Die Resolution 60/7 solle dem Jahrestag der Trauer und dem Gedenken der Opfer des Nazi-Regimes gewidmet sein. Gleichzeitig gilt die Resolution der Generalversammlung als ein Aufruf an alle Länder, Bildungsprogramme zu etablieren. Dementsprechend soll die Erinnerung an die grausamen Verbrechen an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Der Holocaust selbst gilt auch als historischer Wendepunkt, der sich in dem Mahnruf „Nie wieder!“ verwirklicht. Somit hatte die Resolution zwei Leitgedanken: Die Erinnerung an die vergangenen Verbrechen sowie deren Prävention.

Trotz der Bemühungen der Internationalen Gemeinschaft ist das Thema Antisemitismus heute erneut von erschreckender Aktualität. Unter diesem Leitgedanken sollte die Veranstaltung am 26. Januar alte und neue Verhaltensweisen gegen Juden in Europa kritisch reflektieren.

Das Panel setzte sich aus dem Europaparlamentarier Heinz K. Becker, Dr. Robert Rozett, Direktor des Dokumentationszentrums Yad Vashem sowie Katharina von Schnurbein, Kommissarin gegen Antisemitismus und Viviane Teite-baum, Abgeordnete des Brüsseler Parlaments zusammen. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Herrn Daniel Schwammenthal, dem Direktor des Transatlantischen Instituts AJC in Brüssel.

In seinem Vorwort betonte der Botschafter der Israelischen Vertretung bei der EU, David Walzer, dass das Ende des 2. Weltkriegs den Antisemitismus nicht besiegen konnte. Im Gegenteil – 71 Jahre nach der Befreiung von Ausschwitz – verbreitet sich in Europa eine neue Form des Antisemitismus, kombiniert mit postmodernen Aspekten. Hierbei finden sich vormals unversöhnliche Stimmen aus rechts- wie linksradikalen Lagern zusammen, um offen den Zionismus anzuprangern oder die Isolierung des Staates Israels einzufordern. Verbreitet über Soziale Medien finden derartige Meinungsbilder Zuspruch.

Robert Rozett, beobachtet ebenfalls eine große Tendenz zur „legitim“ gewordenen Anfeindung von Juden und Israelis: „Anti-semitism is far from dead. Ihm zufolge leben die Stereotype und Vorurteile gegenüber Juden weiterhin inmitten unserer Gesellschaft fort. Obgleich manche Klischees einen Funken Wahrheit beinhalten können, sei es unerlässlich, dass derjenige, der sie ausspricht, über ausreichend Wissen verfügt. So könne die Diffamierung anhand von Intelligenz und Wissen überprüft werden. Er befürchte allerdings, dass die gegenwärtigen Aufwiegler nicht mit diesen wertvollen Attributen ausgestattet sind. Doch woher entstammen die postmodernen Züge des Antisemitismus?

Ist die Ursache in der Gebräuchlichkeit vieler muslimischer Länder, die Politik Israels offen zu kritisieren, zu suchen? Gefährlich wird dies, so Rozett, wenn die Vorwürfe über eine möglicherweise auch legitime Regierungskritik hinausgehen bis hin zur Infragestellung der Existenz jüdischen Lebens oder des Staates Israels. Migrationsströme aus diesen Ländern tragen ihm zufolge dieses Gedankengut nach Europa. Nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland komme es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen gegenüber Juden, die offen ihre Religionszugehörigkeit zeigen. Die Täter kommen aus extremistischen muslimischen, linken sowie rechten Randgruppen.

Dr. Rozett betonte auch, dass der postmoderne Antisemitismus in Europa hausgemacht sei. Der Holocaust ist zweifelsohne dem Nazi-Regime zuzuschreiben. Demnach stehen die Verbrechen immer in einer besonderen Verantwortung für heutige wie zukünftige Generationen Deutschlands. Schul-besuche zu Dokumentationszentren und Konzentrationslagern bezeugen die Aufklärungs- und Präventionsarbeit der Bundesrepublik. Bei der Aufarbeitung der Vergangenheit haben viele Länder der EU, aber auch global, weiterhin Nachholbedarf.

Die Zeit lässt eine historische Distanz zum Dritten Reich entstehen, sodass alter wie neuer Antisemitismus erneut alltagsgebräuchlich erscheint. Laut Rozett ist es deshalb auch nicht überraschend, wenn weltweit israelische Schulen, Organisationen und Stiftungen besonders geschützt werden müssen.

In der nachfolgenden Diskussion wurde schnell deutlich, wie gravierend die derzeitige Lebenssituation für Juden in Europa geworden ist. So betonte Viviane Teitelbaum, dass sie es selbst nicht für möglich gehalten hätte, dass im Jahr 2015 so eine große Welle des Antisemitismus über Europa schwappen würde. Droh- und Schmähbriefe sowie Holocaust-Leugnungen, Hitlersprüche und Grabschändungen auf jüdischen Friedhöfen seien keine Seltenheit mehr. Ihrer Ansicht nach ist Antisemitismus ein Problem für die gesamte Demokratie, nicht nur eines der Juden. Was ist also zu tun? Dr. Robert Rozett zufolge liegt der Schlüssel in ausreichender Bildung. Es bedürfe auch politischer Statements, die der breiten Masse als Vorbild dienen. Dabei zitierte er den französischen Premierminister Valls, der nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo sagte: „Today we are all Charlie, we are all policemen, we are all French Jews“. Der Tweet „Pray for Israel“ der weltweit bekannten Sängerin Katy Perry aus dem Jahr 2011 sei ebenfalls ein positives Beispiel einer offen symbolisierenden pro-israelischen Haltung.

Der Europaabgeordnete Heinz K. Becker wendete ein, dass dies nicht genug sei. Er forderte, dass auch in den Sozialen Medien verstärkt gegen Rassismus und Extremismus vorgegangen werden müsse. Obwohl bereits gesetzlich verankert, werden Hassreden im Internet in vielen EU-Staaten nur selten aktiv verfolgt. Die neu ernannte Anti-Semitismus-Koordinatorin der Europäischen Kommission, Katharina von Schnurbein, pflichtete Becker bei. Aus Sicht der Kommission gebe es bereits die rechtlichen Voraussetzungen. Doch nicht nur die Implementierung von Gesetzen, auch die Schulbildung sei Aufgabe der Mitgliedsstaaten, wobei dies in Deutschland sogar Ländersache ist. Die EU kann hier lediglich anhand von finanziellen Anreizen fördernd und unterstützend wirken. Äußerst beunruhigend wirkte dabei das Beispiel, dass in manchen Schulen Frankreichs der Holocaust nicht mehr unterrichtet werde, um keine negativen Reaktionen der muslimischen Schüler zu provozieren. Die Belgierin Teitelbaum bewertet dieses Vorgehen als sehr besorgniserregend. Man müsse die Lehrer moralisch unterstützen, damit sie auch weiterhin pädagogische Aufklärungsarbeit leisten können. Frau von Schnurbein bekräftigte dieses Votum: Werte, die in der Europäischen Union hochgehalten werden, dürfen nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Das gelte auch für den Umgang mit der Geschichte. MdEP Becker fügte abschließend hinzu: „Learn from history and make it better“.

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