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Ivo Mayr / CORRECTIV

#KASkonkret

„Wir bekommen sehr viele Hassnachrichten“

von Maximilian Nowroth

#KASkonkret_09: Wie stellen wir uns der Krise?

Alice Echtermann ist Faktencheckerin beim gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Im 9. Teil der Veranstaltungsreihe #KASkonkret sprach sie über verunsicherte Bürger, Hassnachrichten und Donald Trump.

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Je schneller sich die Welt verändert, desto unsicherer werden wir Menschen – und suchen nach Antworten, die Orientierung bieten. Im schlimmsten Fall finden wir dabei Falschinformationen und teilen diese auf sozialen Netzwerken mit Freunden und Bekannten. Am Ende ist dann nur eines sicher: Die Wahrheit hat es immer schwerer, durch den Nebel an Halbwissen, Gerüchten und Mythen durchzudringen.

 

 

Wie schafft man es, mit Fakten statt Fakes zu überzeugen? Darum ging es in Teil 9 unserer digitalen Veranstaltungsreihe #KASkonkret. Live zugeschaltet war Alice Echtermann, Faktencheckerin bei Correctiv. Die Journalistin arbeitet seit einem Jahr im Team des spendenfinanzierten Recherchezentrums. 2020 habe die Menge an Falschinformationen stark zugenommen, sagte sie zu Beginn. Mittlerweile bekomme sie täglich so viele Mails mit Hinweisen zu neuen Gerüchten wie früher in einer Woche. Meist würden diese auf Youtube, bei Facebook oder per Whatsapp verbreitet.

 

Die Correctiv-Faktenchecker haben 90 Behauptungen zu Corona geprüft

 

„Unsere Erfahrung ist, dass es häufig Privatpersonen sind, die solche Sachen teilen“, sagte die Bremerin. „Sie tun das aus dem Gefühl heraus, dass die Nachricht ihre Überzeugungen und Hoffnungen bestätigt.“ Bei der Coronakrise sei das Besondere, dass der Streit über die Frage, was man eigentlich noch glauben kann, von den Rändern in die Mitte der Gesellschaft geschwappt sei. „Die lustigste E-Mail, die ich mal bekommen habe, war von einem Mann, der sich für unsere Faktenchecks bedankt hat, da sie ihm Argumente gegen seine Frau lieferten. Anscheinend waren sie zum Thema Corona völlig unterschiedlicher Meinung.“ Solche Menschen seien keine Verschwörungstheoretiker, betonte Alice Echtermann – sondern einfach verunsichert. Dann wenden sie sich an Correctiv in der Hoffnung, gesicherte Informationen zu bekommen.

 

Seit Januar hat das Faktencheck-Team von Correctiv knapp 90 Behauptungen geprüft, die meisten davon stellten sich als teilweise oder komplett falsch heraus. Neben vier Vollzeit-Journalisten arbeiten noch drei freie Mitarbeiter für die Redaktion. Aus dem rund 60-köpfigen Publikum bei Facebook live kam in diesem Zusammenhang die Frage, wie genau ein einzelner Faktencheck entsteht. 

 

 

„Zunächst prüfe ich die Behauptung anhand von Originalquellen, prüfe den Kontext und schreibe dann einen Text, in dem ich alle Fakten aneinanderreihe. Dann liest meine Kollegin den Text, überprüft alle Quellen und klickt auf jeden einzelnen Link, den ich gesetzt habe. Wenn etwas unschlüssig scheint, recherchiert sie selber kurz nach. Zum Schluss liest eine zweite Person den Faktencheck noch einmal, bevor er veröffentlicht wird. So sind wir schon relativ sicher, dass wir keine allzu großen Fehler machen.“

 

Alice Echtermann wird auf Twitter persönlich angegriffen

 

Seit mehr als drei Jahren kooperiert Correctiv mit Facebook und prüft Beiträge auf dem sozialen Netzwerk, die tausendfach geteilt und von Nutzern als zweifelhaft gemeldet wurden. Wenn der Faktencheck ergibt, dass ein Beitrag falsche oder irreführende Informationen erhält, wird er von Facebook markiert – und alle, die ihn geteilt haben, bekommen eine Benachrichtigung. Diese Arbeit sorgt nicht nur für Dankbarkeit, sondern auch für Kritik, die teilweise sehr persönlich wird.

 

„Wir bekommen sehr viele Hassnachrichten“, sagte Alice Echtermann im Livestream bei #KASkonkret. Auch auf Twitter werde sie öfter angegriffen. „Ich versuche, dem Ganzen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu geben. Wenn es fundierte Kritik ist, gehe ich darauf ein. Bei Beleidigungen aber auf keinen Fall.“

 

Eine weitere Frage aus dem Publikum war, wie eigentlich auch journalistisch nicht vorgebildete Menschen erkennen können, ob ein Beitrag zweifelhaft ist. Dazu riet die Faktencheckerin, als Erstes immer nach den Quellen zu schauen zu fragen, wie seriös die sind. Außerdem sei eine emotionale, aufhetzende Sprache verräterisch. Und häufig versuchten die Urheber mit übertrieben reißerischen Überschriften die Facebook-Nutzer auf ihre Seite zu ziehen.

 

Welche gesellschaftliche Verantwortung tragen sozialen Netzwerke grundsätzlich? Die Debatte darüber ist nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd neu entbrannt. US-Präsident Donald Trump hat vor Kurzem in seinen Beiträgen bei Facebook falsche Angaben gemacht und gewaltverherrlichende Sprache benutzt. Unternehmenschef Mark Zuckerberg will das weiterhin unkommentiert stehen lassen.

 

„Facebook sollte auch bei Politikern wie Donald Trump Faktenchecks zulassen“

 

Dazu lieferte Alice Echtermann eine spannende Einordnung: Man müsse diese Entscheidung auch vor dem Hintergrund sehen, dass Trump ein Politiker ist und Facebook von Anfang an die Vorgabe gemacht habe, Aussagen von Politikern auf der Plattform nicht mit Faktenchecks zu bewerten. „Wir sehen das durchaus kritisch“, sagte die Correctiv-Redakteurin. Politiker würden genauso Falschaussagen tätigen wie alle anderen und sie sehe keinen Grund für diese Unterscheidung. „Wir würden begrüßen, wenn sich das ändern würde.“

 

Die Spendenfinanzierung im Allgemeinen und die Zusammenarbeit mit Facebook im Besonderen ist häufig Gegenstand der Kritik an Correctiv – unter anderem auch deshalb, weil der amerikanische Konzern dem deutschen Journalismusprojekt für seine Faktenchecks Geld überweist. Ist da noch unabhängige Arbeit möglich? „Wenn man es so sehen möchte, dass solch eine Finanzierung ein Indiz für fehlende Unabhängigkeit ist, dann können wir da wenig entgegensetzen – außer zu betonen, dass wir in unserer Arbeit völlig frei sind“, sagte Alice Echtermann. „Auch in der Kooperation mit Facebook entscheiden wir völlig allein, welche Beiträge gecheckt werden – und welche nicht. Und auch bei der Veröffentlichung redet uns keiner rein.“


Zum Schluss ging es noch um die Frage, was sich die Faktencheckerin für die Zukunft wünscht, um der Wahrheit auf sozialen Netzwerken eine starke und durchdringende Stimme zu geben. Ihre Antwort: „Ich hoffe, dass die Plattformen mehr Transparenz durchsetzen. Dass sie nicht einfach Dinge löschen, ohne zu erklären warum.“ Kommentarloses Löschen bringe demjenigen, der das Video gesehen hat, nichts – im Gegenteil: „Er glaubt dann vielleicht, da wird Zensur betrieben und da stecken irgendwelche bösen Mächte dahinter. In unseren Augen ist der beste Weg immer, den Menschen Informationen zu geben und Fakten zu liefern.“


Vielen Dank für dieses ehrliche und reflektierte Gespräch über den Kampf gegen Falschinformationen! Am Dienstag, 9. Juni sprechen wir bei #KASkonkret um 18 Uhr mit dem FAZ-Italienkorrespondenten Tobias Piller über europäische Solidarität. Wir freuen uns, wenn Sie live auf der Facebookseite der Konrad-Adenauer-Stiftung dabei sind. Bis dann, wir sehen uns!

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