Asset-Herausgeber

Angst vor der Lohn-Preis-Spirale

von Sarna Röser

Lösungsansätze aus Unternehmersicht

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Die Inflation auf Rekordniveau wird zu einer ernsthaften Gefahr für unseren Wohlstand. Und offensichtlich ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Es gibt Prognosen, die einen Anstieg der Inflation auf über zehn Prozent als möglich erachten. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass sich die Menschen von ihrem Geld immer weniger leisten können. Die Frage ist nun: Wird jetzt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt? Durch die hohe Inflation werden Forderungen nach höheren Löhnen laut, um die Inflation abzufedern. Als Reaktion darauf erhöhen die Unternehmen die Preise für Waren und Dienstleistungen, und das ganze Spiel beginnt von vorn. Die Spirale würde sich weiter nach oben drehen und wäre kaum zu stoppen.

Auch in unserem Wirtschaftsverband fürchten junge Unternehmer und Familienunternehmer eine „Lohn-Preis-Spirale“. Eine Umfrage unter unseren Verbandsmitgliedern ergab, dass 89 Prozent der befragten Familienunternehmer die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale für groß beziehungsweise für sehr groß halten.

Eine Frage ist, wie die Gewerkschaften bei den anstehenden Tarifverhandlungen reagieren werden. Der jüngste Tarifabschluss in der Chemieindustrie lässt zunächst etwas aufatmen: Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) stimmte einer Nullrunde bis zum Oktober 2022 zu, bei der statt einer Lohnerhöhung ein Überbrückungsgeld zwischen 1.000 und 1.400 Euro für die Beschäftigten vorgesehen ist. Allerdings geht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von einer zunehmenden Dynamik der Lohnforderungen im zweiten Halbjahr dieses Jahres aus.

Zusätzlich dürfte die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ab Oktober 2022 als Katalysator für eine mögliche Lohn-Preis-Spirale dienen, denn der Lohn wird sich eventuell nicht nur für viele Arbeitnehmer einfacher Tätigkeiten erhöhen; schließlich wollen die Arbeitnehmer der darüberliegenden Einkommensklassen den Lohnabstand zu den unteren Einkommensklassen vermutlich gewahrt wissen. Im Ergebnis droht eine Steigerung des gesamten Lohngefüges in den Betrieben. Auf die Unternehmen werden erheblich höhere Personalkosten zukommen. Jedenfalls hat die IG Metall angekündigt, dass sie in der anstehenden Tarifrunde für die Beschäftigten in der Stahlindustrie 8,2 Prozent mehr Lohn anstrebt, um die hohe Inflation auszugleichen. Damit wird klar, dass die Lohn-Preis-Spirale eine reale Gefahr darstellt.

 

Entlastung durch Energiepreisbonus

 

Was sind die wesentlichen Gründe für die hohe Inflation? Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Energiepreise weltweit und besonders in unserem Land. Getrieben von jahrzehntelanger strategischer Naivität auf politischer wie auch auf wirtschaftlicher Seite, haben wir uns insbesondere bei der Gasversorgung in eine große Abhängigkeit von Russland begeben, die uns nun in mehrfacher Hinsicht auf die Füße fällt.

Auch hat die Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren mit dem Zusammenbruch ganzer Lieferketten für ein Anheizen der Inflation gesorgt. Vor einigen Wochen hat China aus Angst vor dem Virus erneut weite Teile seiner Wirtschaft heruntergefahren. Wichtige Vorprodukte für die deutsche und europäische Wirtschaft bleiben deshalb aus. Das treibt den Preis weiter nach oben. Wesentliche Gründe für die steigende Inflation sind zudem die Niedrigzinspolitik und der massive Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank. Darüber hinaus zählt auch der wachsende Fachkräftemangel zu den Auslösern der Inflation. Knapp drei Viertel der Familienunternehmer befürchten, dass sie auch in Zukunft keine ausreichenden Fachkräfte finden werden. Das bestätigte sich Ende 2021 in einer Umfrage von DIE FAMILIENUNTERNEHMER und DIE JUNGEN UNTERNEHMER.

Diese Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf die Lohn-Preis-Spirale. Durch das Fehlen von Fachkräften stiegen in den vergangenen Jahren die Löhne an. Parallel stiegen dadurch auch die Arbeitskosten für Unternehmen und folglich auch die Preise für den Endverbraucher.

Mit welchen Lösungsansätzen kann man der hohen Inflation begegnen und die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale abmildern? Zunächst hat die Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit einige Entlastungspakete mit vielen Einmalzahlungen aufgelegt. Diese erzeugen zwar kurzfristige Effekte und können soziale Härten ausgleichen. Sie sind vor allem dann zielführend, wenn die Inflation innerhalb dieses Jahres wieder abflaut. Ist dies nicht der Fall und die Inflation bleibt auf dem hohen Niveau oder steigt noch weiter an, werden die Entlastungen verpuffen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Hilfsmaßnahmen mit zu viel Bürokratie aufgeladen werden.

Steuersenkungen, etwa der Mehrwertsteuer, werden ebenfalls ins Spiel gebracht. Allerdings sind viele Ökonomen davon nicht überzeugt. Einige meinen, dass beispielsweise die temporäre Absenkung der Mehrwertsteuer im Zuge der Pandemie zur Erhöhung der Inflation beigetragen hat.

Gleichwohl sehen wir Unternehmer die steigenden Belastungen der Inflation für unsere Mitarbeiter. Eine kurzfristige Lösung könnte darin bestehen, analog zum Corona-Bonus einen Energiepreisbonus zu etablieren. Jenen Unternehmen, die dazu finanziell in der Lage sind, sollte es erlaubt werden, ihren Mitarbeitern diesen Bonus steuer- und abgabenfrei auszuzahlen.

 

Ausgabendisziplin und weniger Protektionismus

 

Was könnte mittel- und langfristig helfen? Aktuell nimmt der Staat für steigende Ausgaben immer höhere Schulden auf. Wenn die Notenbanken die Wirtschaft zusätzlich mit Geld fluten, dann sorgt auch das für höhere Preise. Einem durch Lieferengpässe verknappten Angebot steht eine wachsende Menge Geld gegenüber. Das bedeutet: Der Staat muss mehr Ausgabendisziplin üben. Wir benötigen dringend eine Prioritätenliste, welche Ausgaben in der jetzigen Situation unbedingt notwendig sind und welche nicht.

Bei der Energieversorgung muss es künftig heißen: Ideologiebefreit diversifizieren! Wir Unternehmer unterstützen die Bundesregierung in ihren Bemühungen, die Abhängigkeit insbesondere von russischem Gas so schnell wie möglich zu reduzieren. Die aktuell noch vorhandenen Potenziale von Kohle und Kernkraft sollten zeitlich befristet ausgeschöpft werden.

In der internationalen Handelspolitik brauchen wir zudem weniger Protektionismus. Strafzölle und Importbeschränkungen sollten fallen. Niedrige Zölle können nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, sondern auch die Verbraucherpreise senken. Vor diesem Hintergrund sollte beispielsweise das CETA-Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement) nun zügig durch alle Länderparlamente ratifiziert werden. Auch sollte darüber nachgedacht werden, das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA wiederzubeleben. Die dahingehende Forderung des Bundesfinanzministers Christian Lindner ist absolut richtig. Allerdings scheint bei vielen anderen Politikern noch Überzeugungsarbeit vonnöten zu sein. Auch um dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern, gibt es zahlreiche Lösungsansätze. Dazu zählen die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die erleichterte Fachkräftezuwanderung und die Förderung im Bereich Bildung.

Schließlich müssen wir zu einer Normalisierung der Geldpolitik zurückkehren. Die Europäische Zentralbank ist aufgefordert, spätestens ab Sommer 2022 nach und nach die Zinsen wieder zu erhöhen.

Bei all dem bleibt die Erkenntnis: Wir können nicht nichts tun! Es ist eine Politik notwendig, die gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen setzt. Dazu gehört auch, die reale Gefahr der Lohn-Preis-Spirale zu erkennen und ihr mutig entgegenzutreten.

 

Sarna Röser, geboren 1987 in Bietigheim-Bissingen, seit 2018 Bundesvorsitzende des Wirtschaftsverbandes DIE JUNGEN UNTER NEHMER von DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V., designierte Nachfolgerin für das Familienunternehmen Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn GmbH in Mundelsheim, seit 2020 eine der jüngsten Aufsichtsrätinnen der Optikerkette Fielmann AG und Beirätin der Deutschen Bank AG, seit 2020 stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Vorstandsmitglied der Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e.V.

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