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von Karin Prien

Sicherheitspolitik und Militär als Themen in den Schulen

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Artikel anhören! 8:50 Min, gelesen von Stefanie Gladisch

Im Zuge multipler Bedrohungen haben wir in den Schulen in Deutschland unsere Anstrengungen in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert, Medienkompetenz zu schulen und die Demokratiebildung zu stärken. In den Schulen muss aber auch für eine stärkere Auseinandersetzung mit dem militärischen Teil internationaler Sicherheitsfragen gesorgt werden. Nur so können wir unsere liberale Demokratie langfristig schützen.

Dass die Ukraine seit fast zwei Jahren Russlands täglichen Angriffen standhalten kann, liegt nicht an unseren Waffenlieferungen oder den Solidaritätsadressen aus europäischen Hauptstädten. Ihre Durchhaltekraft verdankt die Ukraine ihrem Willen, die Freiheit des Landes zu verteidigen. Die Zeitenwende in der europäischen Sicherheit und ihre Auswirkungen auf die Anforderungen an Landes- und Bündnisverteidigung sind nicht nur ein Thema für Militärstrategen und Haushälter. Auch die Bildungspolitik muss sich die Frage stellen, wie sie das Bewusstsein für Themen schärfen kann, mit denen sich junge Menschen in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen müssen.

Die Gefahren für das freie Europa durch Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, Huthi-Rebellen, die im Roten Meer Frachtschiffe angreifen, Satelliten, die unsere Windräder steuern und von Russland gestört werden, oder chinesische Übergriffe gegen Taiwan oder die Philippinen sind real. Sie gefährden nicht nur das Leben der Opfer von Krieg und Gewalt in den Krisenregionen vor Ort, sondern auch unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand. Die Krisen der Welt stellen vieles von dem infrage, was unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten als natürlichen Lauf der Dinge erachtet hat: dass die Welt insgesamt friedlicher wird, weiter zusammenwächst und Konflikte der internationalen Kooperation weichen. Dabei wissen wir, dass unsere Gesellschaft resilienter werden muss. Wir müssen notgedrungen über Krieg und Frieden sprechen – in den Parlamenten, in den Kirchen, in den Parteien und Vereinen, im privaten Umfeld und insbesondere auch in den Schulen. Die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Zukunft Deutschlands und Europas kann leider nicht mehr ohne die Gefahr von Kriegen gedacht werden.

 

Kein Ausblenden militärischer Bedrohungen

 

Die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland hat sich seit Ende des Kalten Krieges mit der Friedensdividende bequem eingerichtet. Militärisches und auch die Bundeswehr verschwanden mehr und mehr aus den Stadtbildern und mit dem Ende der Wehrpflicht aus dem Bewusstsein einer gesamten Generation. Der öffentliche Blick auf den Einsatz von Streitkräften wurde weitgehend auf die beiden Stichworte „Sandsäcke“ und „Brunnenbohren“ reduziert. Wo früher in der Schule die Frage unter Schülern „Gehst du zum Bund oder machst du Zivildienst?“ sicherstellen konnte, dass Landesverteidigung und die zumindest oberflächliche Frage, ob man bereit sei, im Krieg einen anderen Menschen zu töten, für Diskussionen und Gespräche sorgte, ist das Thema gänzlich aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden. Krieg schien für die Europäer seit der Jahrtausendwende ein Thema der Vergangenheit zu sein. Mit dem Ausblenden militärischer und existenzieller Bedrohungen ging auch ein Bewusstseins- und Verständnisverlust einher.

Das merken wir auch, wenn wir heute in die Schulen schauen. Die Friedensdividende macht sich auch in der Schule bemerkbar. Wenn heute in Schulen über Sicherheitspolitik als etwas Abstraktes, Fernes gesprochen wird, ist das das Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Wir müssen uns allerdings aktiv um Impulse bemühen, die Fragen von Krieg und Frieden sowie das Wissen über die Sicherheitspolitik und die internationale Ordnung mit all ihren Facetten in die Bildung der Schülerinnen und Schüler einfließen lassen. In einer Welt, in der staatlich gelenkte Desinformation aus Russland täglich versucht, Kinder und Jugendliche zu manipulieren, in einer Welt der multiplen Krisen dürfen unsere Schulen Kinder und Jugendliche nicht vor den Gefahren für Frieden und Sicherheit abschirmen, sondern müssen konsequent und offensiv diese Themen in den Unterricht integrieren. Schule ist ein Schutzraum, darf aber kein von der Wirklichkeit abgeschirmter Raum sein. Ohnehin sind die Schülerinnen und Schüler in Deutschland seit Ausbruch des Krieges mit dem Leid ihrer Klassenkameraden konfrontiert worden, die als Geflüchtete aus der Ukraine kamen.

 

Impulse zu Fragen von Krieg und Frieden

 

Die Schulgesetze der Länder fordern von Schulen bereits heute deutlich mehr als nur die Kompetenzvermittlung, die auf ein späteres Berufsleben hinwirkt. In Paragraf 4 des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes heißt es: „Die Schule soll jungen Menschen kulturelle und gesellschaftliche Orientierung vermitteln. Sie soll dazu ermuntern, eigenständig zu denken und vermeintliche Gewissheiten und gesellschaftliche Strukturen auch kritisch zu überdenken. Die Schule soll die Bereitschaft zur Empathie und die Fähigkeit fördern, das eigene Weltbild in Frage zu stellen und Unsicherheiten selbstvertrauend auszuhalten.“ Und weiter: „Die Schule soll Kenntnisse gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und historischer Zusammenhänge vermitteln, Verständnis für Natur und Umwelt schaffen und die Bereitschaft wecken, an der Erhaltung der Lebensgrundlagen von Pflanzen, Tieren und Menschen mitzuwirken“ sowie „Zum Bildungsauftrag der Schule gehört die Erziehung des jungen Menschen zur freien Selbstbestimmung in Achtung Andersdenkender, zum politischen und sozialen Handeln und zur Beteiligung an der Gestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

Das ist eine schwierige Aufgabe, wenn wir bedenken, dass auch Lesen, Schreiben und Mathematik dringend und mehr unterrichtet werden müssen. Forderungen nach neuen Schulfächern oder zusätzlichen Stunden für dieses und jenes – zweifelsohne wichtige – Thema scheitern regelmäßig an den Möglichkeiten und begrenzten Ressourcen in Schulen. Die Lösung kann daher nur lauten, Impulse zu geben, damit Kinder und Jugendliche im Schutzraum Schule verstärkt mit Fragen von Krieg und Frieden im Hier und Jetzt konfrontiert werden.

Diese Impulse, also die Befassung mit Konflikten, vergangenen und aktuellen, darf dabei nicht zu abstrakt erfolgen. Ein Zitat des Philosophen Walter Benjamin von 1926, „Wer aber den Frieden will, der spreche vom Krieg“, ist heute in großen Lettern im Deutschen Panzermuseum Munster zu sehen. Ralf Raths, Direktor des Panzermuseums, schrieb im November 2023 in der Zeitung des deutschen Kulturrates: Eine „Zentrierung auf die Opfer der Maschinen [Panzer, Anm. d. Red.] ist wichtig für eine empathisch unterfütterte Erinnerungskultur. Nur wer neben technischen Höchstleistungen und historischen Kontexten auch diese Dimension des Panzers wahrgenommen hat, kann beginnen, wirklich umfassend über den Panzer als Gewaltmaschine und seine Rolle in Geschichte, Gegenwart und Zukunft nachzudenken und den Frieden dabei in den Mittelpunkt zu rücken.“ Politische Bildung, die zum Ziel hat, den Frieden in Europa zu sichern, muss also zwangsläufig direkte Bezugspunkte für die Lernenden schaffen.

 

Kooperationsvereinbarung mit den Jugendoffizieren

 

In den Schulen gelingt uns eine empathisch geleitete Befassung mit dem militärischen Aspekt internationaler Sicherheit zum Beispiel durch den Einsatz der Jugendoffiziere der Bundeswehr. Schleswig-Holstein hat durch die Kooperationsvereinbarung mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr im Jahr 2021 einen wichtigen Baustein für mehr sicherheitspolitische Bildungsimpulse in den Schulen vorgelegt. Dabei fördern wir nicht nur, dass mehr Jugendoffiziere an die Schulen kommen. 2023 haben wir auch erstmals die Chance genutzt und Jugendoffiziere aus drei Bundesländern durch unser Lehrkräfteausbildungsinstitut, das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holsteins, im Sinne einer besseren Ansprache von Schülerinnen und Schülern trainieren lassen.

Kritiker aus dem politischen Spektrum links der Mitte haben uns vorgeworfen, wir würden eine Militarisierung der Gesellschaft betreiben. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Durch Vermittlung von sicherheitspolitischer Kompetenz, durch Kontakt zu Soldatinnen und Soldaten, durch Verständnis verschiedener Bedrohungsszenarien können wir die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von morgen darauf vorbereiten, am Frieden zu arbeiten. Unsere Gesellschaft benötigt die Auseinandersetzung mit diesen Themen, die öffentliche Debatte und das Bewusstsein für die sicherheitspolitischen Notwendigkeiten. Nur so werden wir das Erbe von Konrad Adenauer und Helmut Kohl, Freiheit und Frieden in Europa, bewahren können.

 

Karin Prien, geboren 1965 in Amsterdam, seit 2017 Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands.

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