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Was unterscheidet Links- und Rechtsextremismus voneinander?

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Die Unterscheidung zwischen Rechts- und Linksextremismus geht auf die Französische Revolution von 1789 zurück, wo die alte, bis in die Antike zurückreichende Gegenüberstellung „extremer“ und „gemäßigter“ Positionen mit der neuen, die politische Lagerverteilung bald prägenden Unterscheidung zwischen „rechts“ und „links“ verknüpft wurde. Schon 1791 findet man die Unterscheidung zwischen „extrémité gauche“ (extreme Linke) und „extrémité droite“ (extreme Rechte). Allerdings haben sich die Inhalte dieser Unterscheidung im Laufe der folgenden Jahrhunderte ständig verändert.

Auf der äußersten Rechten trat die ursprünglich emanzipatorische, dann nach innen und außen aggressiv zugespitzte Ideologie des Nationalismus („integraler Nationalismus“ – siehe auch Was ist Nationalismus?) an die Stelle der bedingungslosen Verteidigung dynastischer Interessen. Auf der äußersten Linken gewannen sozialistische und kommunistische Lehren an Boden und orientierten sich bald an wechselnden Regimebildungen. Rechte und Linke beeinflussten sich gegenseitig: Die NS-Bewegung fügte nach dem Ersten Weltkrieg Bausteine sozialistischer Herkunft in ihr rassistisch-imperiales Ideengebäude ein. Die Bolschewiki beuteten unter Stalin die integrativen, gemeinschaftsstiftenden Wirkungen nationalistischer und antisemitischer Lehren für die Stabilisierung des Sowjetstaates aus.

Wer die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten des heutigen Rechts- und Linksextremismus herausarbeiten will, kann auf begriffliche Unterscheidungen zurückgreifen, die der Turiner Rechtsphilosoph Norberto Bobbio vorgenommen hat. Er differenziert wie in einem zweidimensionalen Koordinatensystem eine Gleichheits- und eine Freiheitsachse. Auf der Gleichheitsachse kommt der Hauptunterschied zwischen „rechten“ und „linken“ Positionen zum Ausdruck: Linke oder „Egalitarier“ sind nach Bobbio all jene, die Ungleichheiten zwischen Menschen (etwa an Fähigkeiten) keineswegs ignorieren, aber bei der Übertragung von Rechten und Pflichten dem höhere Bedeutung beimessen, was sie gleich statt ungleich macht. Rechte oder „Nichtegalitarier“ hingegen sind all jene, die bei der Übertragung von Rechten und Pflichten denjenigen Eigenschaften, die Menschen ungleich erscheinen lassen, größere Bedeutung zuerkennen. Während also die Linke geneigt sei, Ungleichheiten als Folge veränderbarer sozialer Zustände zu interpretieren und auf ihre Beseitigung zu dringen, zeige sich die Rechte viel eher bereit, Überkommenes, Gewachsenes, Naturhaftes, Traditionelles als solches zu akzeptieren.

Ein zentraler Punkt ist das Verhältnis beider Extremismen zum Ethos fundamentaler Menschengleichheit, also der Überzeugung von der Gleichwertigkeit der Menschen: Während Linksextremisten dieses Ethos im Grundsatz bejahen, weist es der Rechtsextremismus zurück, sofern er die Unterschiede zwischen den Nationen, Völkern, Ethnien, „Rassen“ betont und seinen politischen Entwürfen zugrunde legt.

 

Uwe Backes

 

Lesetipps:

  • Uwe Backes, Politische Extreme. Eine Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, Göttingen 2006.
  • Norberto Bobbio, Rechts und Links. Gründe und Bedeutung einer politischen Unterscheidung, Berlin 1994.

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Felix Neumann

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