Asset-Herausgeber

Wie reden Linksextremisten über ihre Fernziele?

Asset-Herausgeber

„Anarchie“ und „Kommunismus“ haben in den Ohren der meisten Menschen keinen guten Klang. Linksextremisten wählen für ihre Fernziele deshalb gerne harmlos klingende Bezeichnungen: „Anarchie“ heißt dann „herrschaftsfreie Gesellschaft“, „Kommunismus“ wird zu „Sozialismus“ oder zu einer Gesellschaft mit völliger sozialer Gerechtigkeit und Harmonie. Viel öfter aber reden sie gar nicht über ihre Endziele und stattdessen über politische Etappenziele, die für sich betrachtet auch Demokraten richtig finden können.

Anarchisten in Deutschland – das sind meistens Autonome – wollen für sich und ihre Lebensweise maximale „Freiräume“ schaffen – und dies möglichst umsonst (siehe auch Was heißt Anarchismus? und Die Welt der Autonomen). Ihre Forderungen nach „Autonomie“ von Versammlungsräumen, Jugendzentren, nach jederzeitigem Recht, überall gegen alles zu demonstrieren, und nach dem Nulltarif, z.B. im öffentlichen Nahverkehr, klingen zunächst attraktiv, lassen aber durchweg die Frage unbeantwortet, wer denn diese Einrichtungen aufbauen und in Betrieb halten soll. Autonome denken dabei, oft insgeheim, zuerst an „Staatsknete“, was bedeutet, dass andere Leute mit ihrer Arbeit die „Freiräume“ der Autonomen finanzieren sollen. „Freiräume“ soll es auch nicht für jedermann geben; das Recht, wo und wann auch immer zu demonstrieren, gestehen Autonome politischen Gegnern zum Beispiel grundsätzlich nicht zu. Ihre Forderung nach „Freiräumen“ wollen sie üblicherweise mit dem gewaltsamen „Kampf gegen das Schweinesystem“ – also gegen alle, die ihre Ansichten nicht teilen wollen – durchsetzen (siehe auch Wie stehen Linksextremisten zur Gewalt als Mittel der Politik?). Weil sie auf eine Beteiligung an Parlamentarismus, Mehrheitsentscheidungen und Rechtsstaatlichkeit keinen Wert legen, müssen sie ihre Absichten auch nicht besonders bemänteln. Dass ihr Verständnis von „Autonomie“ sehr viel mit Gewalt gegen Andersdenkende zu tun hat, kann man ihren Blättern und Internetseiten deshalb fast immer entnehmen – verständlich, dass sie gerne darauf verzichten, persönlich mit Namen für ihre Politik einzustehen (siehe auch Was Linksextremisten lesen).

Bei Kommunisten ist die Sache komplizierter. Als nach 1989 die Massenverbrechen der Kommunisten ans Tageslicht kamen, verzichteten viele frühere kommunistische Parteien auf ihren bisherigen Namen. Wer ihn behielt, hatte auch keine Schwierigkeiten, sich zum Kommunismus als Fernziel zu bekennen (1). Man bezeichnet solche Parteien als traditionskommunistisch, je nach Ausrichtung als stalinistisch, trotzkistisch oder maoistisch (siehe auch Was ist Kommunismus?).

Unter jenen, die sich umbenannten, gab es unterschiedliche Motive. Manchmal geschah das aus Entsetzen über die kommunistischen Massenverbrechen und ging mit einer Abkehr von bisherigen Fernzielen einher. Manchmal geschah es aus taktischen Gründen, um öffentlicher Ächtung zu entgehen. In diesem Fall muss man solche Parteien sehr genau untersuchen, um festzustellen, ob sie sich tatsächlich demokratisch gewandelt haben. Dafür ist es entscheidend, ob sie sich beispielsweise von antidemokratischen Ideen wie jenen Lenins (siehe auch Falsche Vorbilder: Wladimir Iljitsch Lenin) distanzieren und ob sie die aktuellen und die historischen kommunistischen Diktaturen tatsächlich vorbehaltlos ablehnen. Postkommunistische Parteien, die sich nicht wirklich demokratisiert haben, werden für Dinge, die sie mit ihren kommunistischen Wurzeln verbinden, neue Begriffe erfinden. Sie werden statt von Kommunismus vielleicht von „demokratischem Sozialismus“ oder von „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ reden. Auch das Wort Revolution werden sie ersetzen, vielleicht durch „grundlegender Bruch mit den herrschenden Verhältnissen“ oder „Transformation des Kapitalismus“. Im Einzelfall mag das damit Gemeinte sich durchaus von ihrer Praxis in den Jahren vor 1989 unterscheiden, entscheidend bleibt aber, dass sie weiterhin zu Maßstäben der Demokratie allenfalls ein distanziertes oder sogar instrumentelles Verhältnis haben.

Ein weiteres, unter Linksextremisten bewährtes Verfahren ist, sich zu politischen Endzielen gar nicht zu erklären. Stattdessen stellen sie allgemein geachtete politische Anliegen wie Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in den Vordergrund. Solche Anliegen und Forderungen werden für sich betrachtet auch Demokraten akzeptabel finden. Allerdings verbinden Extremisten mit solchen Zielen andere Inhalte als Demokraten (mit „sozialer Gerechtigkeit“ z.B. nicht Chancengleichheit und Hilfe in sozialen Schieflagen, sondern völlige Gleichheit im Sinne der kommunistischen Utopie). Darüber hinaus sind solche Anliegen für Extremisten kein Selbstzweck, sondern Instrumente und Etappenziele, mit denen sie einerseits Akzeptanz bei Demokraten erreichen und andererseits langfristig das „System“ überwinden wollen (siehe auch Wie unterscheiden sich Linksextremisten von linken Demokraten?).

Rudolf van Hüllen

 

(1) So z.B. die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). In ihrem 2006 verabschiedeten Programm verkündet sie: „Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus.“ (S. 2). Auch die Vorsitzende der Partei Die Linke spekulierte im Januar 2011 über „Wege zum Kommunismus“.

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Kontakt

Felix Neumann

Felix Neumann

Extremismus- und Terrorismusbekämpfung

felix.neumann@kas.de +49 30 26996-3879