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Völkische Siedler und Siedlerinnen

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Ländliche Räume, die oft von Abwanderung betroffen sind, erhalten im Kontext von völkischen Siedlern und Siedlerinnen eine neue Bedeutung. Die gezielte Ansiedlung in ruralen Gebieten dient dem Ziel eines Lebens, möglichst ohne viele äußere Einflüsse.

Ideologisch zugrunde liegt das völkisch-nationalistische Denken, welches auf der „Blut und Boden“- Ideologie beruht. Zentral ist hierbei die „rein deutsche“ Abstammung von Personen, welche dieser Auffassung nach dem „deutschen Volk“ zugeordnet werden können. Darauf zurückzuführend werden alle Personen außerhalb dieser genetischen Abstammung als „Fremde“ und somit als nicht gleichwertig angesehen. Neben dieser genetischen und personellen Verbundenheit, geht auch eine territoriale Vorbestimmtheit und Fokussierung einher. Der den Personen „von Natur aus zugewiesene“ Lebensraum kann als vorbestimmtes Anrecht verstanden werden und bringt davon ausgehend die Gefahr einer „Überfremdung“ oder „Bedrohung“ vor dieser einher, die im schlimmsten Falle einen „Volkstod“ mit sich ziehen kann (Schmidt 2014, S. 6). Weitere zentrale Elemente sind das klassische Freund-Feind-Denken, ein biopolitisches Verständnis und die Priorisierung der Gemeinschaft gegenüber dem einzelnen Individuum. Im Vergleich zur ursprünglichen Herkunft aus dem Nationalsozialismus und der Verwendung des Begriffs „Rasse“, wird im heutigen Diskurs in diesem Zusammenhang von „Ethnien“ gesprochen. Der damit korrespondierende Ethnopluralismus besagt, dass jede Ethnie einen ursprünglichen Lebensraum, eine Identität, Tradition und Kultur inne hat, welche in dieser Form bewahrt werden sollen (Röpke und Speit 2019, 7f). Diese propagandierte kollektive Identität gilt es vor anderen äußeren Einflüssen zu „schützen“ und kann somit lediglich ein neues Framing der alten Auffassung verstanden werden.

Die territoriale Fokussierung auf ländliche Räume beruht auf der Hoffnung, dort eine von urbanen, pluralistischen Einflüssen ungestörte Lebensweise realisieren zu können. Mitentscheidend für die Standortwahl sind auch Faktoren wie geringere Grundstückspreise, höhere Handlungsspielräume und ein oft  geringerer Anteil an Personen mit Migrationshintergrund (Schmidt 2014, S. 7).
Einzelpersonen oder, Familien die dieser Erscheinungsform zuzuordnen sind, streben meist keinen vollständigen Rückzug aus der Gesellschaft an, sondern forcieren eine Integration in die lokalen (Dorf-) Gemeinschaften. Wie Röpke darlegt, wurden Familien in vielen Orten zunächst als heimatverbunden und bodenständig wahrgenommen und auch ihr ehrenamtliches Engagement in verschiedenen Bereichen der Gemeinschaft als positiv angesehen. Mittels der anfänglichen Zurückhaltung ihrer ideologischen Überzeugungen wollen sie durch die Integration Akzeptanz und schleichende Normalisierungsprozesse für sich nutzen (Röpke und Speit 2019, S. 6; Röpke 2020, 4f). Resultierend aus beiden Elementen kann die strategische Ansiedlung als angestrebter Raumgewinn auf territorialer und sozialer Ebene verstanden werden.

Diese Strategie der Ansiedlung im ländlichen Raum findet ihre Ursprünge bereits in der Ansiedlung von NS-Personen nach 1945 im ländlichen Raum, um dort möglichst ungestört ihre Ideologie an nachfolgende Generationen weitergeben zu können (Röpke 2020, S. 5).

Neben der Zielsetzung von völkischen Siedlern und Siedlerinnen möglichst ungestört in ihren Strukturen zu leben, kann darüber hinaus die Unabhängigkeit von größeren ökonomischen und ökologischen (Versorgungs-) Strukturen herausgestellt werden. Oft gehen damit eine zumindest teilautarke Selbstversorgung und die Aneignung von handwerklichen Fähigkeiten einher. Laut Schmidt (2014) hat die Landwirtschaft einen bedeutenden Zweck, da diese als Arbeit mit „deutschem Boden“ die Existenz des „deutschen Volkes“ sichere (Schmidt 2014, S. 9) und sie in einer Notlage die Basis für selbstgesteuerte Exklusionsprozesse in der Nahrungsverteilung und einer damit einhergehende Machtposition kreiert werden kann. Wie bei allen Phänomenbereichen ist jedoch auch hier zu betonen, dass es sich um eine von vielen möglichen Ausprägungsformen handelt und Personen, die den völkischen Siedlern und Siedlerinnen zuzuordnen sind, nicht zwingend darin kategorisiert werden können.

Diese langfristige Ausrichtung der Zielsetzung spiegelt sich auch in Punkten wie der Familienkonzeption wider. Grundsätzlich ist die geschlechtsbinäre Rollenverteilung stereotypisch mit dem Mann als arbeitende Person außerhalb des Hauses und der Frau als Zuständige für Kindererziehung und Haushalt gegliedert. Familie gilt als kleinste und wichtigste Einheit des „Volkes“, innerhalb derer die zugeschriebene Rolle der Frau als Mutter gleichermaßen verpflichtend und wertschätzend verstanden wird (Röpke und Speit 2019, 58f; Schmidt 2014, 10f). Von Bedeutung ist weiterhin der Austausch und die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, sowie die Organisation und Durchführung von Brauchtumsveranstaltungen. Hierbei liegt der Fokus oft auf dem nordisch germanischem Brauchtum, zu dem Feste wie die Sommer- und Wintersonnwenden, Julfeste oder Erntedankfeste zählen (Röpke und Speit 2019, S. 27; Schmidt 2014, 13f).
In diesen Strukturen aufwachsende Kinder und Jugendliche werden bereits von Beginn an mit der ideologischen Ausrichtung sozialisiert. „Im Kern geht es auch hier darum, Kinder möglichst früh geschlechtergetrennt zu ‚richtigen deutschen Müttern‘ und Soldaten für Deutschland zu erziehen.“ (Lehnert 2020, S. 45) Von Kindesalter an nehmen sie verstärkt an Angeboten von Jugendverbänden, wie beispielsweise der heute verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ teil. Allgemein bestünden sie aus einer Mischung von Drill, Unterwerfung und der Idee von völkischem Leben (Lehnert 2020, S. 47), deren Ziel sei es, die Kinder und Jugendlichen gegenüber der Gesellschaft zu „immunisieren“ (Röpke und Speit 2019, S. 33).

Zwei bekannte Beispiele für Gruppierungen die völkische Siedlungstendenzen vertreten, sind die „Anastasia-Bewegung“ und die mittlerweile verbotene „Artgemeinschaft“. Erstere ist vom Bundesamt des Inneren als extremistischer Verdachtsfall eingestuft, da sie versucht, ihr Außenwirkung aus Ökologie und Esoterik mit gruppenbezogenen menschenfeindlichen Ansichten zu kombinieren (Bundesministerium des Innern 2025, S. 84). Dahingegen wurde „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ bereits 2023 verboten. Grundlage stellte die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus und die Ablehnung der Gedanken der Völkerverständigung dar (Bundesministerium des Innern und für Heimat 2024, S. 84). Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von aktiven und inaktiven Gruppierungen, deren genaue Zahl aufgrund der Dunkelziffern nicht sicher zu bestimmen ist.

Die Erscheinungsform der völkischen Siedler und Siedlerinnen birgt aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung, der generell eher zurückgezogenen Lebensweise und der Vernetzung innerhalb der Szene ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial. Begonnen bereits mit der Sozialisation, der Schaffung und Verstärkung der Wir-Sie-Konstruktionen in Kombination mit der Exklusion nicht dazugehöriger Personen, demokratischer Werte und Einflüsse, wird versucht die eigenen Strukturen möglichst über viele Generationen zu etablieren.

 

Literaturverzeichnis

Bundesministerium des Innern (2025): Verfassungsschutzbericht 2024. Berlin. Online verfügbar unter https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2025-06-10-verfassungsschutzbericht-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=6.

Bundesministerium des Innern und für Heimat (2024): Verfassungsschutzbericht 2023. Berlin.

Lehnert, Esther (2020): völkische Siedler*innen, Erziehungsvorstellungen und Gender. In: Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e.V. (Hg.): Naturliebe und Menschenhass. Völkische Siedler/innen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern. Erfurt, S. 44–47.

Röpke, Andrea (2020): Ideologie und Geschichte der völkischen Bewegung. In: Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e.V. (Hg.): Naturliebe und Menschenhass. Völkische Siedler/innen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern. Erfurt, S. 4–9.

Röpke, Andrea; Speit, Andreas (2019): Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos. 2. Auflage. Berlin: Ch. Links Verlag. Online verfügbar unter https://ebookcentral.proquest.com/lib/kxp/detail.action?docID=5985698.

Schmidt, Anna (2014): Völkische Siedler/innen im ländlichen Raum. Basiswissen und Handlungsstrategien. Berlin: Amadeu Antonio Stiftung

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Kontakt Felix Neumann
Felix Neumann
Referent Extremismus- und Terrorismusbekämpfung
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