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Dokument zur Geschichte der CDU

"Deutsches Volk!"

Berliner Gründungsaufruf der CDU vom 26. Juni 1945

In ihrem Aufruf "Deutsches Volk" forderten die Gründer der CDU in Berlin die Deutschen zu einem politischen Neuanfang auf der Grundlage des Rechts und zur "Sammlung aller christlichen, demokratischen und sozialen Kräfte" auf. Im Mittelpunkt aller politischen Bestrebungen sollte die Wiederbesinnung auf die Grundsätze christlicher Moral stehen.

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Schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs bildeten sich an verschiedenen Orten in Deutschland unabhängig voneinander christlich-demokratische Parteigruppierungen. Zu den Kristallisationskernen der Union gehörte auch Berlin. Dort beriet ein Gründerkreis um Andreas Hermes und Jakob Kaiser seit dem 16. Juni 1945 Charakter, Programm sowie Namen der neuen Partei und beschloss am 22. Juni den Aufruf „Deutsches Volk!“ mit dem „Notprogramm für Brot, Obdach und Arbeit“. Vier Tage später, am 26. Juni 1945, unterzeichneten die Verfasser den Gründungsaufruf im Haus von Andreas Hermes.

Der Aufruf verdammte ohne Umschweife das nationalsozialistische Regime, den Terror, die Gewaltverherrlichung, den Rassismus, die Justizwillkür und die Kriegspolitik. Die Deutschen hatten Schuld auf sich geladen und gemeinsam wolle man „den Weg der Sühne, den Weg der Wiedergeburt“ gehen.

Die Unterzeichner forderten einen freiheitlichen Rechtsstaat mit einer unabhängigen Justiz, einen „wahrhaft demokratische(n) Staat“, der das „Recht der Persönlichkeit“ und ihre „Ehre, Freiheit und Menschenwürde“ achtet. Die Freiheit des Einzelnen gegen die Machtbefugnisse des Staates sollte wiederhergestellt werden. Dazu brauchte es „geistige und religiöse Gewissensfreiheit“, eine freie Presse, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, einen von der Kirche geleiteten Religionsunterricht sowie die elterliche Erziehungsautorität. Zentrale Lebensbereiche wie die Familie sollten freiheitlich geordnet sein. Statt des anonymen Kollektivs, sei es der Staat oder das Volk, sollte der Mensch im Mittelpunkt stehen: Politische Verantwortung trägt das Individuum.

In seinen Forderungen wagte der Berliner Gründerkreis den Spagat zwischen „liberalistischem Individualismus“ und „sozialistischem Kollektivismus“: Um den Wiederaufbau zu forcieren, wurden einerseits Wirtschaft, der Staat und der Einzelne in die Verantwortung gezogen. Der Besitz von Privateigentum wird – gebunden „an die Verantwortung für die Allgemeinheit“ – befürwortet. Gleichzeitig soll die Wirtschaft planmäßig gefördert werden, Bergbauunternehmen und Bodenschätze sollen in Staatsbesitz übergehen, Wirtschaftsmonopole verhindert werden. Das ländliche Genossenschaftswesen sollte ausgebaut werden und möglichst vielen Deutschen sollte selbständige Arbeit auf der eigenen Scholle ermöglicht werden: „unter weitgehender Heranziehung des Großgrundbesitzes“. Freischaffendes Bauerntum und selbständiges Handwerk sollten gefördert werden. Zudem begrüßten es die Unterzeichner des Aufrufs, dass sich Arbeiter und Angestellte in Gewerkschaften organisieren.

Außenpolitisch wünschte sich der Gründerkreis friedliche Beziehungen zu anderen Staaten. Auf der Grundlage von „Freiheit und Gerechtigkeit“ und der Erfüllung der „Verpflichtungen aus dem verlorenen Krieg“ wollten sie wieder eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufbauen.

Die Parteigründer hatten ein Ziel: Verschiedene Stände, Konfessionen und parteipolitische Ausrichtungen wollten sie auf den genannten Grundlagen versammeln. Dieser Ansatz findet sich auch in den Biografien der Unterzeichner selbst, zu den Protestanten, Katholiken, Konservative, Liberale und Gewerkschafter gehörten. Mehr als die Hälfte der Gründer hatten dem Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime angehört.

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