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Dokument zur Geschichte der CDU

Berliner Programm (1. Fassung)

Beschlossen beim 16. Bundesparteitag am 4. bis 7. November 1968 in West-Berlin

Nie zuvor war eine inhaltliche Entscheidung von der CDU mit so hoher Beteiligung vorbereitet worden: Insgesamt 24 Kommissionen hatten den Entwurf des Berliner Programms erarbeitet, in allen Verbänden, Vereinigungen und Fachausschüssen der Partei war er diskutiert worden. Das Programm erfüllte schließlich zwei Funktionen: Zum einen diente es als Wahlkampfplattform für die kommenden Wahlentscheidungen, zum anderen übernahm es die Rolle eines Integrationsfaktors für die Union.

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Mitte der 1960er Jahre befand sich die CDU zwar weiterhin in Regierungsverantwortung, doch regierten die Christdemokraten seit Dezember 1966 in einer Großen Koalition mit der SPD. Mit der Erarbeitung eines „Aktionsprogramms“ wollte CDU-Generalsekretär Bruno Heck – das Parteiamt wurde erst 1967 neu geschaffen – das inhaltliche Profil der CDU für die kommende Bundestagswahl schärfen.

Das Berliner Programm wurde auf dem 16. Bundesparteitag verabschiedet, der vom 4. bis 7. November 1968 in West-Berlin stattfand. Es bestand aus 106 Positionen, unterteilt in einen deutschland- und einen außenpolitischen (Nr. 1–23) sowie in einen umfangreicheren innenpolitischen Teil (Nr. 24–106). In der Präambel bezeichnet sich die CDU als „moderne Volkspartei“, die Männer und Frauen aller Schichten umfasse, die nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit strebten. Dabei orientierten sich ihre Mitglieder und Amtsträger „am christlichen Glauben und Denken“. Die Deutschlandpolitik wurde besonders hervorgehoben: „Wir lehnen die Anerkennung des totalitären Herrschaftssystems im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands ab. Keiner der beiden Teile Deutschlands darf für einen Deutschen Ausland werden.“ In der Außen- und Sicherheitspolitik wurde die Bedeutung guter Beziehungen sowohl zu den USA als auch zu Frankreich hervorgehoben, ein Thema, das – als „Atlantiker-Gaullisten-Kontroverse“ bekannt – jahrelang für innerparteilichen Streit gesorgt hatte. In der Innenpolitik wiederholte die CDU ihre Befürwortung des Mehrheitswahlrechts bei Bundestagswahlen, dessen Einführung die SPD – anders als bei Bildung der Großen Koalition vereinbart – im Frühjahr 1968 verhindert hatte. Auch die Studentenunruhen und das zunehmend radikale politische Klima fanden im Berliner Programm Berücksichtigung, indem das „kritische Engagement“ der Jugend zwar generell begrüßt, zugleich aber betont wurde, dieses müsse sich „im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung entfalten.“ 

Generell spiegelte sich im innenpolitischen Teil des Programms noch der Fortschrittsoptimismus und die Planungseuphorie der 1960er Jahre wider, als mit Modernisierung, Förderung, Konzeption und Planung alle Probleme lösbar zu sein schienen. Die staatlichen Strukturen sollten entsprechend an die Bedürfnisse einer „modernen Gesellschaft“ angepasst werden, etwa durch eine umfangreiche Förderung des Bildungswesens und eine bessere Planung im Bereich der Verkehrs- und Raumordnung.

In ihrem „Berliner Programm“ schaute die CDU, wiewohl bereits fast zwanzig Jahre an der Macht, kaum zurück, sondern sie gab sich modern und „stellte sich den Anforderungen der siebziger Jahre“, wie es im Schlusswort hieß. Die Aufzählung von 106 Themen wirkte etwas kleinteilig und bürokratisch, war aber Ausdruck der planungsfreudig-optimistischen Grundstimmung zur Zeit der Großen Koalition, deren politisches Handeln vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ihren sichtbaren Niederschlag im Programm fand. 

 

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