Die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist in Israel im Rahmen von Gesetzen und Richtlinien festgeschrieben. Das israelische Wahlgesetz schreibt fest, dass jeder israelische Staatsbürger, jede Staatsbürgerin ab 18 Jahren das Recht hat, an der Wahl zur Knesset teilzunehmen und mit 21 auch selbst für einen Sitz zu kandidieren. In der Knesset waren und sind 102 unter den 120 Abgeordneten immer wieder auch Politiker und Politikerinnen mit Behinderungen. Im Wahlgesetz ist außerdem festgeschrieben, dass es in jedem Wahllokal mindestens eine Wahlkabine geben muss, die auch für Wählerinnen und Wähler mit eingeschränkter Mobilität zugänglich ist. In größeren Ortschaften muss pro 10.000 Einwohner mindestens eine barrierefreie Wahlkabine vorhanden sein. Bei den Wahlen zur 25. Knesset 2022 gab es so insgesamt 5.265 Wahlkabinen, in denen Personen mit eingeschränkter Mobilität eigenständig wählen konnten. Außerdem sind 2.979 Wahllokale ausgewiesen, die speziell barrierefrei konzipiert sind. In Krankenhäusern gibt es extra eingerichtete Wahllokale, um auch dort gewährleisten zu können, dass das Wahlrecht in Anspruch genommen werden kann.
Dabei gibt es dieselben oder mindestens ähnliche Diskussionen um gesellschaftliche und politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung, wie in anderen westlichen Demokratien. So werden in Israel immer wieder Missstände, was zum Beispiel Barrierefreiheit und Zugänglichkeit von öffentlichen Einrichtungen angeht, adressiert. 2021 kam es landesweit verstärkt Israel zu Protesten, bei denen Menschen Bahnstrecken oder Autobahnen blockierten, um auf eine Erhöhung der staatlichen Hilfen für Menschen mit Behinderung hinzuwirken. In der öffentlichen Berichterstattung werden immer wieder auch Themen wie Chancengleichheit oder die Integration von beeinträchtigten Menschen in den Arbeitsmarkt diskutiert.
Gleichzeitig herrscht in Israel eine besondere Sensibilität gegenüber beeinträchtigten Menschen – nicht zuletzt aufgrund einer höheren Anzahl an Kriegsversehrten oder Opfern terroristischer Angriffe. So gibt es nicht nur eine große Anzahl an gemeinnützigen Einrichtungen, die sich in diesem Bereich engagieren, sondern auch im Alltag wird in verschiedenen Situationen eine große vorherrschende Hilfsbereitschaft in der israelischen Gesellschaft spürbar. Außerdem gibt es in Israel verschiedene Aspekte und Initiativen, die als fortschrittlich und innovativ angesehen werden können: So können Israelis mit einer Behinderung nicht verpflichtet werden, Wehrdienst zu leisten, sie können sich aber auch mit einer schweren Behinderung freiwillig melden. Dabei stehen ihnen zahlreiche Einheiten der israelischen Armee (IDF) offen.
Mit Blick auf die vielen Herausforderungen, die Israel gegenwärtig zu bewältigen hat, spielt die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung nicht immer eine zentrale Rolle. Hinzu kommt, dass die Zahl der in Israel lebenden Menschen mit Behinderung deutlich unter den Werten der Europäischen Union liegt. In der EU haben im Durchschnitt 27 Prozent – und damit über ein Viertel der Bevölkerung – eine physische oder psychische Behinderung. In Israel wiederum sind laut öffentlicher Statistik ein Fünftel der Bevölkerung körperlich oder geistig beeinträchtigt. Dementsprechend gibt es auch in Israel natürlich Raum für Weiterentwicklungen und Verbesserungen. So benötigen Menschen mit Behinderung gerade in Kriegszeiten besondere Unterstützung. Beispielsweise ist das Erreichen eines Schutzraumes bei einem Raketenalarm eine große und oft unüberwindbare Herausforderung. Hierzu werden in der israelischen Öffentlichkeit zwar Debatten geführt, diese haben allerdings nicht immer oberste Priorität. Trotz – oder gerade wegen – der herausfordernden Zeiten, verdient dieses Thema mehr Aufmerksamkeit und die Auseinandersetzung damit gehört auf die politische Tagesordnung.
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