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Veranstaltungsberichte

Das „Berliner Dokument“ des Internationalen Rates der Christen und Juden

von Hildegard Mohr

Seine Bedeutung für Christen und Juden im Heiligen Land

Am 6. September 2012 fand in Zusammenarbeit mit Partnern der KAS, dem ICCI (Interreligious Coordinating Council in Israel), dem JCJCR (Jerusalem Center for Jewish Christian Relationships) und dem ICCJ (International Council of Christians and Jews) eine bemerkenswerte Konferenz zum christlich-jüdischen Verhältnis statt, die auf sehr gute Resonanz stieß.

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Der ICCJ ist die Dachorganisation eines Netzwerkes von 38 christlich-jüdischen Dialogorganisationen weltweit; deutsches Mitglied ist der „Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ (DKR).

Zur Bedeutung der „Berliner Thesen“ von 2009

Die „Neu-Verpflichtung“ in Form von zwölf „Berliner Thesen“ ist ein Dokument, das eine neue Phase des christlichen-jüdischen Dialogs zum Ausdruck bringt. Verabschiedet wurde dieses Dokument 2009 auf einer Tagung, die in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin stattfand.

Seit den „Seelisberger Thesen“ von 1947 hat der christlich-jüdische Dialog einen beeindruckenden Wandel erlebt. Es ist ein Weg, der von einer zunächst in den Kirchen in der Aufarbeitung der eigenen Schuldgeschichte einsetzenden Neubesinnung der christlichen Wahrnehmung des Judentums hin zu einem „Dialog auf gleicher Augenhöhe“ geführt hat. In einem solchen „Dialog auf Gegenseitigkeit“ zeigen Juden und Christen, wie sie einander in Verantwortung vor der jeweils eigenen Tradition anerkennen können sowie nach dem fragen, was sie voneinander lernen können und was für sie miteinander im gegenseitigen Einvernehmen anzuerkennen ist.

Die Berliner Thesen sind in der Geschichte des christlich-jüdischen Gesprächs das erste internationale Dokument, das vollständig gemeinsam von Juden und Christen erarbeitet wurde und sich als gemeinsamer Aufruf an die Gemeinden in beiden Religionsgemeinschaften richtet. Der Text nun auch in hebräischer Sprache in Form eines Büchleins herausgekommen. Das war der Anlass für die Konferenz in Jerusalem, auf der er als Diskussionsgrundlage diente.

Alle Referentinnen und Referenten hoben hervor, dass die „Berliner Thesen“ sehr stark aus westlicher Perspektive geschrieben seien. Im Osten stehe der christlich-jüdische Dialog jedoch in einem anderen Kontext: Zum einen werde er immer wieder vom arabisch-israelischen Konflikt überschattet; zum anderen bestehe die einzigartige Situation in Israel selbst darin, dass hier die Juden in der Mehrheit sind und die Christen eine verschwindend geringe Minderheit bilden. Auch habe im Diskurs der Ostkirchen (Orthodoxe) die Shoah nicht die gleiche Bedeutung wie bei den Westkirchen (Katholiken, Protestanten).

Der Inhalt der „Berliner Thesen“ gliedert sich in folgende Hauptthemenbereiche:

  • Aufruf an die Kirchen (Thesen 1 bis 4)

  • Aufruf an die jüdischen Gemeinden (Thesen 5 bis 8)

  • Christlich-Jüdischer Dialog und der Nahostkonflikt

  • Der christlich-jüdische Dialog ist keine Insel – (Thesen 9 bis 12)

In der interreligiösen Zusammenarbeit steht das Berliner Dokument für eine Haltung, die im Respekt vor den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften zugleich Werte der Moderne anerkennen kann.

Die Ziele der Berliner Thesen sind klar formuliert:

  • Respekt vor den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften und deren Werten,
  • Religionsfreiheit und gegenseitige Anerkennung,
  • Gleichberechtigung aller Menschen.
Ein weiteres Ziel besteht in der Kooperation mit politischen und wirtschaftlichen Institutionen. Deutlich macht dies ein Text, der das Dokument begleitet: „Die Geschichte einer Beziehung im Wandel“: „Wir laden Juden und Christen überall auf der Welt dazu ein, sich uns in dem Streben nach den Zielen anzuschließen, die wir uns gesetzt haben, Zielen, die uns aus unserer gemeinsamen Überzeugung erwachsen, dass Gott von uns – gerade als Juden und Christen – erwartet, dass wir die Welt für die Herrschaft Gottes, das kommende Zeitalter der Gerechtigkeit und des Friedens vorbereiten.“

Verlauf der Jerusalemer Konferenz

Die Konferenz in Jerusalem setzte sich aus zwei Tagungseinheiten zusammen:

1.) Eine geschlossene, interne Tagungs- und Diskussionsrunde, bei der die aktuelle Situation im Nahen Osten und das christlich-jüdische Verhältnis in Israel und Nahost diskutiert und beleuchtet wurde.

2.) Eine öffentliche Vortragsveranstaltung, zu der mehr als 100 interessierte Teilnehmer kamen.

Den öffentlichen Teil eröffnete der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel, Michael Mertes, mit dem Versprechen, dass die KAS mit der kontinuierlichen Unterstützung des Dialogs der Religionen in der Region fortfahren werde.

Die Referenten Rabbiner Yuval Sherli, Direktor der Talmud-Torah-Schule in Petach Tikva, und Reverend Canon Hosam Naoum, Dekan der St. George-Kathedrale in Jerusalem, legten bewegend Zeugnis ab vom gelebten christlich-jüdischen Dialog in Israel und Nahost.

Geleitet wurden beide Konferenzeinheiten von Frau Dr. Debbie Weissmann, Präsidentin des ICCJ. Eine Diskussionrunde, bei der das Publikum mit einbezogen wurde, rundete den Abend ab.

Nicht nur für diejenige, die tief in den interreligiösen Dialog mit eingebunden sind und aktiv für diesen Dialog arbeiten, auch für die meisten Menschen in Israel versteht es sich von selbst, dass das friedlichen Miteinander der Religionen und Konfessionen im täglichen Leben und Zusammenleben höchste Priorität hat.

Die KAS konnte mit dieser Veranstaltung das Bewusstsein für dieses wichtige Thema gemeinsam mit ihren Partnern ICCI, JCJCR und ICCJ schärfen und einen Beitrag dazu leisten, dass gerade in Israel, wo der Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen von einzigartiger Bedeutung ist, der Arbeit für Versöhnung und respektvolles Miteinander größeres Augenmerk geschenkt wird.

Hinweis:

Das Berliner Dokument in englischer, deutscher, spanischer, russischer und hebräischer Sprache finden Sie hier.

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