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Veranstaltungsberichte

Deutsche Juden als Brückenbauer zwischen den Nationen

KAS/IDG-Symposium zu jungem jüdischen Leben in Deutschland

Sowohl in Israel als auch in Deutschland existiert kaum fundiertes Wissen über die jüdischen Gemeinden in Deutschland nach der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Shoah. Im Allgemeinen verbinden nicht-jüdische Deutsche und auch Israelis die Begriffe Juden und Deutschland immer noch meist mit der Zeit der Verfolgungen, der Pogrome und des Holocaust.Die Tatsache, dass Deutschland inzwischen die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Europa beheimatet, ist wenig bekannt. Wie deutsch-jüdisches Leben, besonders das der jüngeren Generation und damit der zukünftigen Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, heute ausschaut, ist sogar noch weniger bekannt.Zu einer von Studenten der Hochschule Konstanz organisierten Ausstellung zum Thema „Jüdische Jugend heute in Deutschland“, bei der Fotodokumente und Interviews mit jungen deutschen Juden einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Israelisch-Deutschen-Gesellschaft ein Seminar mit Paneldiskussion zu der sowohl in Israel als auch in Deutschland relevanten Frage „Junges jüdisches Leben in Deutschland heute – realistische oder aussichtslose Vision?“

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Die Frage, ob jüdisches Leben außerhalb Israels – also in der Diaspora – möglich und legitim ist, ist auch sechzig Jahre nach Staatsgründung des Staates Israel und der inzwischen besonders intensiven und guten deutsch-israelischen Beziehungen immer noch aktuell und von sehr kontroverser Natur.

Für die israelische Gesellschaft und den Zionismus ist und bleibt diese Frage essentiell und auch in Wahrheit ungelöst. Sie bedarf – auch und besonders vor der dem Hintergrund des Aufbaus und Erhalts der deutsch-israelischen Beziehungen – weiterer Diskussion.

Im Zusammenhang mit dem in den letzen Jahren neu aufblühenden jüdischen Leben in Deutschland stellt sich diese Frage aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit des Landes in besonders zugespitzter Form. In Israel wird diese Frage immer noch und besonders von den Überlebenden der Shoah sehr beachtet und diskutiert. Für viele ehemalige deutsche Juden ist der Gedanke, dass die jüdischen Gemeinden in Deutschland an Mitgliedern wachsen nicht vorstellbar, zum Teil sogar unerträglich.

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Podiumsdiskussion mit Leah Mühlstein, Ronit Vered, Samson Altman-Schevitz, Charlotte Knobloch und Uriel Kashi (v.l.n.r.).

Die Anlehnung des Seminars an die Fotoausstellung, die Jugendliche portraitiert, die sich jüdisch, aber auch in erster Linie als Deutsche sehen, gab der Diskussion und der Auseinandersetzung mit dieser Frage einen besonderen Charakter.

Nach der Eröffnung und Begrüßung durch den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Dr. Harald Kindermann, den Präsidenten der Israelisch-Deutschen Gesellschaft und ehemaligen Botschafter, Herrn Avi Primor, und den Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel, Herrn Dr. Lars Hänsel, führte die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Frau Charlotte Knobloch, mit einer Grundsatzrede in die Podiumsdiskussion ein.

Frau Knobloch schilderte auf sehr persönliche Weise ihre eigene Geschichte als Shoah-Überlebende und die Geschichte ihrer Familie. Sie stellte dann in bewegender Weise sowohl die historische Situation, als auch anhand von Fakten und Daten das Leben der jüdischen Gemeinden im heutigen Deutschland dar. Sie nahm Stellung zur Frage der Einwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und verschwieg dabei auch nicht die schwierigen Integrationsprobleme, die zu bewältigen es großer Anstrengung bedürfe, sei es von Seiten des Zentralrates, als auch von Seiten der deutschen Politik und Gesellschaft.

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Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, während der Diskussion im Beit Mishkenot Ruth Daniel.

Auf die Frage, ob es jüdisches Leben in Deutschland wieder geben könne und dürfe, gab sie eine entschieden positive Antwort. Frau Knobloch wörtlich: „Jeder kann in Deutschland heute Judentum leben, so wie er Judentum leben möchte, was aber auch wichtig ist: das Land in dem man lebt mitzugestalten, auch politisch.“

Frau Knobloch diskutierte im anschließenden Podiumsgespräch mit den folgenden Gesprächspartnern: Leah Mühlstein, Rabbinatsstudentin des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, die sich bewusst für ein religiöses jüdisches Leben in der Diaspora, d.h. in Deutschland, entschieden hat. Ein Zitat Leah Mühlsteins: „Die Sorge ist heute nicht, ob jüdisches Leben in Deutschland eine Chance hat und überleben kann, sondern die Sorge ist heute, Qualität in das jüdische Leben in Deutschland zu bringen.“

Ronit Vered, Vertreterin des Irgun Merkaz Oley Europa (Vereinigung der Einwanderer aus Mitteleuropa), die aufgrund ihrer Hilfestellung für junge deutsche Einwanderer in Israel zwischen beiden Ländern lebt und vermittelt. Frau Vered machte deutlich: „Mit Judentum ist viel mehr gemeint als wenn wie von Christentum oder Islam sprechen. Judentum ist nicht nur Religion.“

Uriel Kashi, ehemaliger Direktor der Vereinigung deutscher jüdischer Studenten und jetzt Neueinwanderer in Israel, reagierte auf die Fragestellung Diaspora vs. Zionismus sehr emotional und forderte sowohl die Präsidentin des Zentralrates als auch die anderen Panelteilnehmer mit sehr gezielten Fragen zu einer spannenden Diskussion.

Moderiert wurde das Panel von Herrn Samson Altman-Shevitz, der als junger deutscher Jude zwar nach Israel eingewandert ist und seine Zukunft in Israel sieht, sein Engagement aber einer lebendigen Israelisch-Deutschen Gesellschaft und dem Austausch vor allem junger Menschen beider Länder verschrieben hat.

Abschließend sprachen der Direktor des Beit Mishkenot Ruth Daniel, Rabbiner Meir Azari, als Gastgeber des Seminars und die Vorsitzenden des Rechtsausschusses Andreas Schmidt MdB und des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages, Hans-Joachim Otto MdB.

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Andreas Schmidt MdB, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages.

Die Anwesenheit von Vertretern beider Ausschüsse bei der Veranstaltung war eine enorme Bereicherung und ein sichtbares Zeichen des gegenseitigen Interesses und der besonderen Verantwortung und Freundschaft beider Länder füreinander. Für Andreas Schmidt MdB ist klar, dass junge deutsche Juden heute eine Brücke für gegenseitiges Verständnis bilden können. Wörtlich sagte er: „Es ist ein großer Vertrauensbeweis in unsere Demokratie, dass es heute junges jüdisches Leben in Deutschland gibt.“

Das Seminar sollte eine Einsicht in das deutsch-jüdische Leben ermöglichen, in Deutschland lebende Juden zu Wort kommen lassen und die Perspektive derer aufzeigen, die aus Deutschland in den letzten Jahren nach Israel eingewandert sich.

Publikum waren sowohl junge Israelis, die sich mit der Frage einer Existenz in der Diaspora vs. eines zionistisch geprägten Lebens in Israel auseinandersetzen, darunter junge Politiker und Akademiker, als auch Israelis, die sich für ein junges, jüdisches Leben in Deutschland generell interessieren, bis hin zu den Mitgliedern der CENTRA, der Vereinigung der Landsmannschaften ehemaliger deutscher Juden, die aufgrund der schrecklichen Verfolgung aus Nazideutschland fliehen mussten, aber am Aufbau der deutsch-israelischen Beziehungen nach der Shoah einen wesentlichen Anteil hatten.

Die Teilnahme von über 100 Zuhörern, die im Anschluss an die Podiumsdiskussion die Möglichkeit zu Fragen und einer kleinen Diskussionsrunde hatten, bewies die Aktualität der Fragestellung.

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Mehr als 100 Zuhörer nahmen an der Veranstaltung teil. Viele von ihnen beteiligten sich an der regen Diskussion.

Der Konrad-Adenauer-Stiftung gelang es mit dieser Veranstaltung eine Plattform der Begegnung zu bieten um auch im Grunde schwierige und vielleicht erst in der Zukunft lösbare Fragen auf hohem Niveau und in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts zu diskutieren.

Hildegard Mohr

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