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Veranstaltungsberichte

Die Legalisierung der männlichen Beschneidung in Deutschland

Dilemmata und Alternativen

Am 7. Januar 2013 veranstalteten die KAS Israel und das Helmut-Kohl-Institut im European Forum an der Hebräischen Universität Jerusalem einen Gastvortrag von Frau Dr. Ayelet Banai über die Legalisierung der männlichen Beschneidung in Deutschland. In ihrem Vortrag sprach Ayelet Banai über die Komplikationen, die eine explizite Legalisierung mit sich bringen, über mögliche Alternativen und offenbleibende Fragen.

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Mit der Thematik ihres Vortrages sprach Frau Dr. Banai eine Debatte an, die in Deutschland seit einiger Zeit im Raum steht (siehe auch hier). Im Mai 2012 hatte das Landgericht Köln die religiös motivierte Beschneidung von Kindern und Jugendlichen als strafbare Körperverletzung bewertet. Dem zugrunde gelegt wurde Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes, der das Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert. Die Bundesregierung legte daraufhin einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Beschneidung männlicher Kinder und Jugendlicher bis 14 Jahre vor. Dieses Gesetz wurde von Bundestag und Bundesrat verabschiedet und ist seit dem 28. Dezember 2012 als Paragraph 1631d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Kraft. Obwohl die Debatte aufgrund von Komplikationen nach der Beschneidung eines muslimischen Jungen ins Rollen gebracht wurde, beschränkte sich Dr. Banai in ihrem Vortrag auf die jüdische Beschneidungspraxis.

Zu Beginn legte Dr. Banai zwei Seiten der Beschneidung dar, die in der Auseinandersetzung mit dem Thema in Betracht gezogen werden müssen: die medizinische Perspektive und die des jüdischen Selbstverständnisses. Laut ersterer sei die Beschneidung weder von Ärzten empfohlen, noch für das Kind so schädlich genug, dass sie verboten werden müsste. Das Thema bleibe aber Gegenstand der medizinischen Forschung und könnte in Zukunft andere Ergebnisse bringen. Andererseits sei es auch eher eine ethische als eine medizinische Frage. Im Kontext der jüdischen Identität gehe die Beschneidung weit über eine rein religiöse Praxis hinaus; sie sei Teil einer Jahrtausende alten Tradition. Die Tatsache, dass in Israel 95 Prozent der männlichen – auch säkularen – Juden beschnitten sind, spreche deutlich dafür. Dennoch gebe es auch in Israel Menschen die gewisse Einwände hätten; diese Bedenken würden aber in den meisten Fällen zurückgestellt, weil der Wunsch nach Zugehörigkeit, die in der Beschneidung ihren sichtbaren Ausdruck findet, stärker sei.

Rechtliche Probleme, welche die Beschneidung an sich mit sich bringe, bestünden in Konflikten zwischen konkurrierenden Normen. Dazu gehöre Religionsfreiheit, das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit. Mögliche Annäherungen an diese Problematik könnten in einer Änderung des Gesetzes, einer Änderung der allgemeinen Interpretation oder in der Normierung bestimmter Ausnahmen stattfinden. Offen bleibe, ob Beschneidung als Akt der Gewalt bezeichnet werden könne und ob ihre Irreversibilität persönliche Selbstbestimmung und Autonomie verletze. Zu letzterem merkte Frau Dr. Banai an, dass auch nach der Beschneidung noch eine Änderung der Religion möglich sei, da keine Religion das „Nicht-Beschnitten-Sein“ voraussetze. Außerdem gebe es eine Vielzahl anderer Entscheidungen, die Eltern treffen, welche nicht rückgängig gemacht werden können, wie beispielsweise der Umzug in ein anderes Land, die Erziehung in einer bestimmten Sprache etc. Dennoch meinte Dr. Banai, dass das Judentum auch ohne einen so nachhaltigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes überleben könne.

Neben der ethischen Frage stellte sie auch eine politische Frage dar: Es müsse der größere Kontext der Debatte betrachtet werden, der verschiedene Praktiken in Frage stelle. Besteht die Grundlage, auf denen diese Praktiken kritisiert werden, in einem Streben nach humanem Fortschritt – oder doch nur in Ressentiments und Vorurteilen? Ein besonders großes Fragezeichen stehe hinter dem Vorwurf des Antisemitismus, der vom Zentralrat der Juden geäußert wurde. Dem setzte Frau Dr. Banai entgegen, dass das Gesetz ungewöhnlich schnell verabschiedet worden sei und auch der Ethikrat besonders zügig entschieden habe. Sie vermutete dahinter das Anliegen der Bundesregierung, die „Büchse der Pandora“ gar nicht erst öffnen zu wollen und die Debatte so bald wie möglich zu beenden.

In einer anschließenden Diskussionsrunde nutzte Frau Dr. Banai die Möglichkeit, offene Fragen zu klären und Positionen näher zu erläutern. Insgesamt machte sie deutlich, dass ihrer Meinung nach jüdisches Leben in Deutschland durch eine solche rechtliche Debatte nicht in Lebensgefahr schwebt. Ein Verbot der Beschneidungspraxis wäre dennoch falsch, auch jedoch eine Regelung, die sie ausdrücklich erlaubt.

Frau Dr. Ayelet Banai ist Senior Research Fellow am Centre for Advanced Studies „Justitia Amplificata“ der Goethe Universität Frankfurt am Main. Nach dem Studium der Politikwissenschaften an der Hebräischen Universität und Studienaufenthalten in Paris und Berlin promovierte sie in Politischer Theorie an der Universität Oxford.

Elena Müller

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