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Veranstaltungsberichte

Die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen

von Michael Mertes

„Corporate Social Responsibility“ in Israel und Deutschland

Gemeinsam mit dem College of Law and Business, Ramat Gan, veranstaltete die KAS Israel am 24. Juni ein Symposium über „Corporate Social Responsibility“ (CSR) in Deutschland und Israel. Im Mittelpunkt stand ein für beide Seiten nützlicher Erfahrungsaustausch. Zugleich wurde deutlich, dass CSR in Deutschland stark in das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft eingebettet ist, während es in Israel vor allem als Motor sozialer Innovation verstanden und genutzt wird.

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Einen Tag lang diskutierten israelische Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Thinktanks und öffentlicher Verwaltung über die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen gegenüber der eigenen Belegschaft wie gegenüber ihrem gesellschaftlichen Umfeld. Es bestand Einigkeit darüber, dass es nicht um altruistische Verhaltensweisen wirtschaftlicher Akteure gehe, sondern darum, dass Unternehmen im eigenen Interesse, nicht zuletzt im Interesse ihrer Eigentümer (Shareholder), stärker auf die Bedürfnisse ihres gesellschaftlichen, kulturellen und ökologischen Umfeldes (Stakeholder) eingehen. „Doing well by doing good“ – frei übersetzt: „Gutes tun lohnt sich“ – sei die Devise.

Kritisch angemerkt wurde von einigen Teilnehmern, dass der Staat nicht dazu übergehen dürfe, aus Geldmangel die ihm obliegenden Aufgaben (z.B. den Unterhalt eines guten Schulsystems) im Namen der CSR auf Unternehmen abzuwälzen. Die per definitionem freiwillige CSR dürfe auch nicht dazu missbraucht werden, zwingende rechtliche Vorschriften – z.B. im Sozialversicherungsrecht – zu ersetzen: „CSR cannot replace compliance.“

Das erste Panel widmete sich der grundsätzlichen Frage nach den Unterschieden in der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Israels und Deutschlands. Während für die Bundesrepublik Deutschland seit dem Ende der 1940er Jahre das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft maßgeblich ist, hat Israel – nachdem es in den ersten drei Jahrzehnten eine eigene Form des freiheitlichen Sozialismus praktiziert hatte – inzwischen eine neoliberale Richtung eingeschlagen. Bemerkenswert ist, dass beide Länder mit ihrem jeweiligen Kurs die Turbulenzen der Weltfinanzkrise bislang besser überstanden haben als andere. Einigkeit unter den Teilnehmern bestand darin, dass Märkte nur dann funktionieren können, wenn der Staat (zunehmend auch internationale Organisationen wie ILO und WTO) die Regeln vorgibt, an die sich alle Marktteilnehmer halten müssen. Unterschiedliche Auffassungen zeigten sich vor allem bei der Frage, inwieweit staatliche Regulierung durch freiwillige Vereinbarungen – z.B. zwischen Staat und Industrie bei Umweltstandards oder zwischen den Tarifparteien bei Sozialstandards wie dem Mindestlohn – ersetzt werden kann und darf.

Im zweiten Panel ging es um die Frage, wie sich soziale Unternehmensverantwortung fördern lässt. Zur Debatte standen dabei sowohl gesetzliche (z.B. steuerrechtliche) als auch partnerschaftlich ausgehandelte Rahmenbedingungen. Deutschland hat unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen entwickelt, die den israelischen Teilnehmern ausgiebig vorgestellt wurde – auch in ihrem nicht ganz spannungsfreien Verhältnis zur CSR-Strategie der Europäischen Union. In der Diskussion wurde deutlich, dass der israelische CSR-Ansatz nicht so durchorganisiert ist wie der deutsche und europäische, dafür aber die Stärken einer experimentellen Herangehensweise besitzt, mit der die Möglichkeiten sozialer, kultureller und ökologischer Innovation flexibel getestet werden können.

Im dritten Panel wurden die zuvor diskutierten Fragen am Beispiel der ökologischen Verantwortung von Unternehmen diskutiert. Während auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung die Zahl der Akteure überschaubar bleibt (Unternehmen, Belegschaft, Gewerkschaft, Staat), kommt beim Thema „ökologische Nachhaltigkeit“ eine unüberschaubare Vielzahl zivilgesellschaftlicher Akteure – vor allen in Gestalt von Nichtregierungsorganisationen – ins Spiel. Gleichzeitig sind die Probleme, um die es geht, so komplex, dass sie sich – so jedenfalls ein Teil der Symposiumsteilnehmer – eher durch das flexible Instrument der freiwilligen Vereinbarung als durch gesetzlichen Zwang meistern lassen. Unstreitig war jedoch, dass auf der ökologischen Ebene die Unterscheidung zwischen „Compliance“ und „CSR“ ebenso gilt wie in sozialen Angelegenheiten.

Das vierte Panel galt dem Thema „Mitbestimmung“. Schnell wurde deutlich, dass das deutsche Modell historische Voraussetzungen hat, die es in anderen Ländern so nicht gibt. Weder die Idee einer Kontrolle wirtschaftlicher Macht durch „industrielle Demokratie“ noch der in Deutschland populäre Gedanke der „Sozialpartnerschaft“ finden in Israel besonderen Widerhall; dort wird eher Wert auf eine klare Abgrenzung der Interessenssphären zwischen Kapital und Arbeit gelegt. Ein israelische Teilnehmer vertrat auf der Grundlage empirischer Befunde die These, dass die Mitbestimmung deutschen Unternehmen weder schade (wie von neoliberaler Seite oft behauptet werde) noch nutze (wie die deutschen Gewerkschaften gern betonten). Dem wurde von deutscher Seite entgegengehalten, die durch Mitbestimmung geförderte Sozialpartnerschaft führe zu einer ökonomischen Stabilität, die sich gerade in Krisenzeiten auch wirtschaftlich als wertvoll erweise; dafür sei der Preis eingeschränkter Flexibilität nicht zu hoch. Da die Mitbestimmung in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist und somit dem Bereich „Compliance“ angehört, hat sie – auf den ersten Blick – nichts mit CSR zu tun. Allerdings schafft sie eine betriebliche Atmosphäre, die CSR-Aktivitäten des Unternehmens zugunsten der eigenen Belegschaft zugute kommt.

Michael Mertes

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