Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Bernhard Vogel zu Besuch in Israel

von Anna Jandrey

Europa und Israel: Ein Auseinanderleben können wir uns nicht leisten

Im Rahmen der Fachkonferenz „20 Jahre deutsch-israelische Wissenschaftskooperation“ konnte die Konrad-Adenauer-Stiftung Israel den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen und Rheinland-Pfalz und Ehrenvorsitzenden der Stiftung, Prof. Dr. Bernhard Vogel, zu einem Dialogprogramm vom 27. bis 30. November in Israel begrüßen. Neben den Wissenschaftsbeziehungen zwischen der EU und Israel, standen aktuelle politische Entwicklungen und Herausforderungen im Mittelpunkt der Gespräche mit u.a. dem deutschen Botschafter Dr. Clemens von Goetze und dem stellvertretenden Sprecher der Knesset, Hilik Bar.

Asset-Herausgeber

Mit seinem Impulsvortrag gelang es Prof. Vogel gleich zu Beginn der Fachkonferenz wichtige Akzente zu setzen: Er zeigte die enge historische Verbundenheit zwischen Europa und dem jüdischen Staat auf und betonte, dass die Beziehung im Lichte der Vergangenheit, nie eine Selbstverständlichkeit gewesen ist und auch nicht sein kann. Als erster Ministerpräsident habe schon David Ben-Gurion früh erkannt, wie wichtig die Beziehungen zwischen Europa und dem jungen Staat Israel sein können. Er betrachtete die Europäische Integration als Jahrhundertwerk für den Frieden und gab seinem damaligen Botschafter Gideon Rafael mit auf den Weg: „Sag den Europäern, dass sie ihre spirituellen Werte von jenem kleinen, aber unverwüstlichen Volk geerbt haben, das Du jetzt unter ihnen repräsentieren wirst. Wir teilen nicht nur schreckliche Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit, sondern auch eine helle Zukunft, die vor uns liegt.“ Diese Weitsicht Gurions habe sich später durch das erste Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Israel im Jahr 1964 bestätigt. Dieses Abkommen legte einen ersten wichtigen Grundstein für die enge Partnerschaft und ebnete den Weg für die heutige enge Verflechtung, so Prof. Vogel.

Das Assoziierungsabkommen von 1995 habe die besondere Stellung Israels im europäischen Wissenschaftsbereich bekräftigt. Und diese besondere Stellung Israels zeige sich bis heute: Obwohl Israel kein Mitgliedsstaat der EU ist, erhält es Zugang zum EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, besser bekannt als „Horizon 2020“. Doch, so betonte Prof. Vogel, begründen sich die engen Beziehungen nicht nur auf eine eng verwobene Geschichte. Vielmehr sind sie auch rein pragmatischer Natur. Ohne die Fördergelder und Projekte im Rahmenprogramm „Horizon 2020“ wäre die Exzellenz israelischer Universitäten in Gefahr. Auf der anderen Seite ist Europa auf das Wissen und die fortschrittlichen Entwicklungen aus dem israelischen Technologie- und Innovationssektor angewiesen. Beide profitieren demnach wesentlich von dem engen Austausch. Neben der Würdigung der engen Beziehungen warnte Prof. Vogel aber gleichermaßen vor der Leichtfertigkeit, diese Partnerschaft als selbstverständlich hinzunehmen. Er beobachte immer öfters die paradoxe Entwicklung, dass sich zwar die Zusammenarbeit immer weiter intensiviere, doch andererseits die Gesellschaften scheinbar immer weiter voneinander entfremden. „Noch nie zuvor waren die Beziehungen so intensiv, so ausgreifend, und umfangreich und noch nie zuvor waren sie zugleich so angespannt wie heute“, konstatierte der ehemalige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung. Als mögliche Antwort auf diese Entfremdung nannte Prof. Vogel die auseinanderdriftende politische Wahrnehmung; insbesondere mit Blick auf die Nahostregion. Das konnte vor allem im Jahr 2011 beobachtet werden. Während die europäischen Staaten den „Arabischen Frühling“ allesamt überschwänglich begrüßten, warnte Israel schon damals vor einer sich ausbreitenden Instabilität der Region und zeigte sich, zum Verdruss Europas, den Entwicklungen eher skeptisch gegenüber. Auch die europäische Kritik gegenüber der Siedlungspolitik, die laut vielen europäischen Entscheidungsträgern eines der größten Hindernisse zum Frieden mit den Palästinensern darstellt, befördere die negative Wahrnehmung Europas in der israelischen Bevölkerung. Dies würden die Stimmen der politischen Rechte nutzen, um eine Abwendung Israels von Europa und eine Hinwendung zum asiatischen Raum zu fordern.

In seinem Vortrag mahnte Prof. Vogel sowohl die europäische als auch die israelische Seite an, trotz politischer Differenzen zu erkennen, dass „wir uns ein Auseinanderleben“ nicht leisten können. Der Bereich der Wissenschaft könne dabei helfen, diesem Trend entgegenzuwirken. Denn dieser ermögliche einen kontinuierlichen Austausch und generiere Begegnungen, die sich auch auf andere Gebiete positiv auswirken können. Der bilaterale Austausch ist auch deshalb so wichtig, weil „Europa und Israel nicht nur Teil der gleichen Wertegemeinschaft, sondern – und das haben die Umbrüche im Nahen Osten und Nordafrika gezeigt – letztlich auch Teil einer gemeinsamen Sicherheitsgemeinschaft sind“, sagte Prof. Vogel zum Schluss seiner Rede. Auch wenn das Verhältnis von Enttäuschungen durchzogen sei, so sind beide doch letztendlich aufeinander angewiesen und durch ihre westlichen Werte miteinander verbunden.

Am Folgetag tauschte sich Prof. Vogel mit dem deutschen Botschafter Dr. Clemens von Goetze über aktuelle politische Entwicklungen in Israel aus. Im Fokus des Gesprächs standen Themen, wie bspw. die Instabilität der Nahostregion, die Einschätzung der Deutschen Botschaft zum Friedensprozess mit den Palästinensern sowie die deutsch-israelischen Beziehungen. Ein besonderes Highlight war der anschließende geführte Rundgang durch den „Teddy Park“ in Jerusalem, mit der Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von Jerusalem Teddy Kollek. Seine Tochter Ossnat, eine bekannte israelische Künstlerin, sprach während der Tour über das kulturelle und historische Erbe ihres berühmten Vaters, der während seiner langen Amtszeit (von 1965 bis 1993) als Bürgermeister wichtige Akzente für ein friedliches Zusammenleben der monotheistischen Weltreligionen in der „heiligen Stadt“ setzte. Doch Teddy Kollek sprach sich nicht nur für die jüdisch-arabische Koexistenz in Jerusalem aus. Er gehörte auch zu den ersten israelischen Politikern, die sich um eine deutsch-israelische Annäherung nach der Katastrophe der Shoa bemühten. So empfing er beispielsweise Bundeskanzler Konrad Adenauer während seines Besuchs in Israel im Jahr 1966. Der Austausch mit Botschafter von Goetze und die Diskussion mit Ossnat Kollek darüber, wie die deutsch-israelischen Beziehungen auch heute noch gestärkt und intensiviert werden können, wurde in den nachfolgenden Treffen mit dem Korrespondenten der WELT, Dr. Gil Yaron, und dem stellvertretenden Sprecher der Knesset, Hilik Bar, vertieft.

Am dritten und letzten Tag stand die Situation der Christen im Heiligen Land im Mittelpunkt des Programms. Pater Nikodemus Claudius Schnabel, Prior-Administrator der Dormitio-Abtei in Jerusalem, schilderte seine Eindrücke und Einschätzungen zu aktuellen politischen Entwicklungen. Besonders intensiv wurde in diesem Rahmen über Anschläge auf heilige Stätten gesprochen. Immer wieder werden auch christliche Institutionen zur Zielscheibe radikaler Übergriffe, so Pater Nikodemus. Der Brandanschlag auf die Brotvermehrungskirche in Tabgha im vergangenen Jahr habe die religiöse Motivation solcher Anschläge vor Augen geführt. Dennoch dürfe nicht verkannt werden, welch große Unterstützung die christliche Gemeinde wiederum gleichzeitig erfährt: so hat eine Gruppe von Rabbinern einen großen Betrag an Spenden für den Wiederaufbau der Kirche in Tabgha gesammelt.

Sowohl die Gespräche im Zuge des Dialogprogramms mit Prof. Vogel, als auch die Fachkonferenz zum 20. Jubiläum des europäisch-israelischen Wissenschaftsaustausches haben gezeigt, wie sehr Deutschland bzw. Europa und Israel von einem guten und stabilen Verhältnis profitieren und auf eine enge Partnerschaft angewiesen sind. Im Anblick aktueller politischer Herausforderungen wird diese Zusammenarbeit in Zukunft noch wichtiger. Politische Differenzen in einigen Bereichen dürfen nicht zu einer Verkennung der Wichtigkeit dieser bilateralen Zusammenarbeit führen.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber