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Veranstaltungsberichte

Gewaltanwendung in besetzten Gebieten – Anwendbarer rechtlicher Rahmen

Vortragsreihe Humanitäres Völkerrecht

Am 1. März 2011 fand eine weitere Veranstaltung der Vortragsreihe zu Humanitärem Völkerrecht statt. Die Konrad-Adenauer Stiftung lud in Zusammenarbeit mit dem Minerva Zentrum für Menschenrechte der Hebräischen Universität Jerusalem, sowie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz den deutschen Verfassungsrichter Andreas Paulus ein. Andreas Paulus ist seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht an der Georg-August-Universität Göttingen. 2010 wurde er in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt.

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Andreas Paulus sprach um Thema „Gewaltanwendung in besetzten Gebieten – Anwendbarer rechtlicher Rahmen“, wobei es ihm allgemein um besetzte Gebiete ging und nicht vorrangig um die Situation in den palästinensischen Gebieten. Er referierte vor allem in seiner Funktion als Rechtswissenschaftler und weniger als deutscher Verfassungsrichter. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere sein breites Wissen und seine Erfahrung in vielen Bereichen des internationalen Rechts hervorgehoben, die es ihm ermöglichen sich der Thematik des Vortrags vor einem weiten Hintergrund zu nähern. Im Gegensatz zu vielen Experten vor Ort, gebe ihm seine Rolle als Außenstehender zudem die Möglichkeit einer distanzierten Betrachtung. Zu Beginn des Vortrages machte Paulus deutlich, dass sich der legale Kontext eher komplex gestaltet. Mehrere Bereiche des Völkerrechts könnten im Falle einer Besatzung Anwendung finden: Zum einen Besatzungsrecht, zum anderen Prinzipien des Humanitären Völkerrechts unter anderem das Recht zum Krieg (ius ad bellum), das Recht im Krieg (ius in bello) und schlussendlich Menschenrechte. Eine eindeutige Antwort welches Recht in besetzten Gebieten anzuwenden sei, ist schwierig zu erlangen und sehr situationsabhängig. Die Vielfalt von möglicherweise einschlägigem Recht mache es umso schwerer einen rechtlichen Rahmen für besetzte Gebiete zu finden. Paulus gab deshalb im Folgenden einen kurzen Überblick über die möglichen rechtlichen Optionen.

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Anfangs erörterte er allgemein die Bedeutung des Besatzungsrechts, welches einerseits aus der Haager Konvention und andererseits aus der vierten Genfer Konvention von 1949 besteht. Im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von Besatzungsrecht sei vor allem die Frage nach der effektiven Kontrolle über ein Gebiet entscheidend. Im Falle des Westjordanlandes könne die effektive Kontrolle Israels bejaht werden, bezüglich des Gazastreifens ist diese Entscheidung schwieriger zu treffen. Seiner Meinung nach könne davon ausgegangen werden, dass Israel vollständige und effektive Kontrolle über den Luftraum habe und grundsätzlich auch bezüglich der Grenzen, so Paulus. Hier habe sich jedoch durch die Umwälzungen in Ägypten eine neue Situation ergeben. Man könne in jedem Falle aber höchstens von einem teilweise besetzten Gebiet sprechen, da die komplette Kontrolle insbesondere über innere Entwicklungen wie die Einhaltung von Menschenrechten fehle. Was sich hieraus auf einer rechtlichen Ebene ergibt sei schwer zu entscheiden. Gewiss sei jedoch, dass die besetzende Macht in dem Maße, in dem sie Kontrolle ausübt, den Bestimmungen des Besatzungsrechts gerecht werden müsse, in diesem Falle vor allem der Pflicht, die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen. Der Grund hierfür ist die Annahme, dass die Voraussetzung der effektiven Kontrolle grundsätzlich weit auszulegen sei, da die Anwendung des Besatzungsrechts vor allem dem Schutze der Zivilbevölkerung diene.

Bezüglich der Anwendung von Humanitärem Völkerrechts ging Paulus zunächst auf das Recht zum Krieg (ius ad bellum) ein und speziell auf die Frage welche Bedingungen erfüllt sein müssen um von diesem Recht legalerweise gebrauch zu machen. Genannt wurde das Recht auf Selbstverteidigung als Ausnahme vom Gewaltverbot (Art. 51 UN-Charta). In diesem Kontext erläuterte Paulus auch die verschiedenen Formen eines bewaffneten Konfliktes, insbesondere die Form internationaler und transnationaler Konflikte, also Konflikte zwischen zwei Staaten bzw. Konflikte zwischen einem Staat und einem nichtstaatlichen Akteur. Es sei wünschenswert, dass vor allem das Recht im Krieg (ius in bello) nur nach einer engen Auslegung Anwendung finde, um einen höchstmöglichen Grad an Schutz für die Zivilbevölkerung zu erreichen. Für die Anwendung von Humanitärem Völkerrecht spreche jedoch das Ausmaß dessen Verbreitung und die rechtliche Sicherheit die es für die Armee biete, da Regelungen hier eindeutig seien.

Im Bereich der Menschenrechte sieht Paulus die größten Überschneidungen zum Besatzungsrecht. Die Menschenrechte, welche die Aufgabe haben nationale Gesetze zu vervollständigen gelten prinzipiell auch in besetzten Gebieten. Im Falle einer Überschneidung ist Paulus der Meinung, dass im Einzelfall entschieden werden muss, welches Recht zur Anwendung kommt. Grundsätzlich sei es jedoch so, dass sich die beiden Rechtskörper gegenseitig nicht ausschlössen, sondern sehr ähnliche Ziele verfolgten. Im Falle einer tatsächlichen Normenkollision sei nach der hierfür bestehenden lex specialis Regelung zu entscheiden.

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Abschließend wurde deutlich, dass es sinnvoll ist, nach jeder Gewaltanwendung eine juristische Prüfung durchzuführen, um sich im legalen Rahmen zu bewegen und Sicherheit für Armee und Zivilbevölkerung zu schaffen.

Nathalie Spath

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