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Veranstaltungsberichte

KAS-AJC Besuchsprogramm in Israel

Junge Führungskräfte aus den USA und Deutschland im Dialog

Was verbindet Deutschland, die USA und Israel? Dieser Frage gingen im 60. Jubiläumsjahr der Gründung Israels zwölf junge Führungskräfte aus Deutschland und den USA auf einem Besuchsprogramm vom 25. bis 31. August 2008 in Israel nach. Organisiert wurde das Programm gemeinsam von der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem American Jewish Committee (AJC).

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Die Konrad-Adenauer-Stiftung und das American Jewish Committee bringen bereits seit 1980 in einem Austauschprogramm Deutsche und jüdische Amerikaner zusammen. Israel spielte in den Gesprächen häufig eine hervorgehobene Rolle. Daraus entstand die Idee, eine KAS-AJC-Delegationsreise nach Israel zu organisieren. Erstmals besuchte jetzt eine gemeinsame Delegation Israel.

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Die KAS-AJC Delegation im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum

Auf dem Programm standen Gespräche und Diskussionsveranstaltungen zur Geschichte Israels, zur gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung seit der Staatsgründung. Ziel war es, mit dem Programm den Teilnehmern ein möglichst facettenreiches Bild von Israel zu vermitteln. Ein Thema war der Stand der Verhandlungen zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten sowie den Palästinensern. Das Besuchsprogramm mit zahlreichen Gesprächen über Politik und Gesellschaft in Jerusalem und und Projektbesuchen u.a. in Rehovot, Sderot, Sde Boker sowie in Tel Aviv verdeutlichte aber auch, dass Israel mehr als allein Konfliktpartei ist.

Eröffnet wurde das Seminar im Konrad-Adenauer-Konferenzzentrum in Jerusalem. Eine Einführung durch Dr. Lars Hänsel (KAS) und Dr. Eran Lerman (AJC) setzte den inhaltlichen Rahmen des Programms. Beide betonten, wie wichtig das Dreiecksverhältnis Deutschland – USA – Israel ist, nicht zuletzt für Israel: Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind nach den USA die intensivsten und wichtigsten.

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Prof. Bar Siman Tov:"An der jüdischen Identität des demokratischen Staates Israel festhalten"

Am Anfang des Programm standen Vorträge, welche eine inhaltliche Einführung in das Programm gaben.

So referierte z. B. Professor Yaakov Bar Siman Tov, Direktor des Jerusalem Institute for Israel Studies zum Thema „Israel als jüdischer und demokratischer Staat“. Dabei zeigte er auch die Spannungen auf, welche sich aus beiden Aspekten ergeben. Spannungen gibt es z. B. zwischen Säkularen und Religiösen, aufgrund des Monopols der Orthodoxen im Personenstandswesen, etwa in Fragen von Heirat und Scheidung. Probleme gibt es aber auch bei der Integration der arabischen Minderheit. Dennoch zeigte er sich optimistisch, dass Israel auch in Zukunft an der jüdischen Identität des Staates festhalten und eine stabile Demokratie sein kann. Allen Spekulationen über einen bi-nationalen oder einen Staat ohne jüdische Identität erteilte er eine klare Absage: Israel wurde als Heimstatt für die Juden weltweit geschaffen und muss deshalb an seiner jüdischen Identität festhalten.

Abschließend wies Prof. Bar Siman Tov darauf hin, dass die Entstehung eines palästinensischen Staates im israelischen Interesse sei, um Israel als einen demokratischen Staat mit einer jüdischen Mehrheit weiterhin erhalten zu können.

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Jonathan Adiri:"Privaten und öffentlichen Sektor stärker vernetzen"

Auch Jonathan Adiri, mit Ende 20 bereits diplomatischer Berater von Staatspräsident Shimon Peres, begeisterte die Teilnehmer. Seine Präsentation konzentrierte sich auf den anhaltenden Wirtschaftsaufschwung im Land. Dieser sei beträchtlich, könne allerdings durch einen effektiveren öffentlichen Sektor noch wesentlich verbessert werden. Israel sei sehr gut auf dem Weltmarkt positioniert, ein Großteil der Export-Import-Geschäfte wird z. B. schon jetzt mit Indien und China abgewickelt. Speziell wies Adiri auf die Stärke Israels im Bereich High-tech und R&D (Research and Development) hin und zeigte auf, wie das Land vor allem in den so genannten „Minimierungsprozess“ (z. B. Nanotechnologie) investiere.

Er betonte, dass es notwendig sei, bestimmte Gesellschaftsgruppen, wie z. B. Orthodoxe und arabische Israelis stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um das Wirtschaftswachstum weiter zu fördern.

Ein weites Thema, das jüdische Amerikaner und Deutsche intensiv beschäftigt, ist die Bedeutung des Holocaust für die heutige Generation. Die Direktorin von Aktion Sühnezeichen in Israel, Katharina von Münster, organisierte für die Delegation eine Begegnung mit Holocaust-Überlebenden und Vertretern der zweiten Generation. In sehr persönlichen und bewegenden Gesprächen haben die Teilnehmer die Lebensgeschichte der Überlebenden kennen gelernt und mit ihnen über gesprochen, welche konkrete Verantwortung sich daraus für die heutige Generation ergibt.

Mit dem Gesandten der der deutschen Botschaft, Peter Fischer, dem politischen Sekretär der US-Botschaft, Peter Vrooman, dem Leiter der Nahostabteilung des Auswärtigen Amtes Boris Ruge, und dem bekannten israelischen Fernseh-Journalisten David Witzthum diskutierten die Teilnehmer vor allem globale Herausforderungen, vor denen Deutschland, die USA und Israel gemeinsam stehen. Intensiv wurde dabei die Frage diskutiert, wie man mit den Bemühungen des Iran umgehen soll, sich nuklear zu bewaffnen. Klar wurde, dass dies derzeit dies die größte Gefährdung für Israel darstellt. Strittig blieb, welchen Erfolg und welche politische Folgen ein möglicher Militärschlag haben könnte.

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Deutsche und Amerikaner lernen gemeinsam

In einem sehr beeindruckenden Vortrag legte Rachel Korazim, eine frühere Mitarbeiterin der Jewish Agency, Einfluss und Auswirkungen des Holocausts auf die israelische Gesellschaft dar. Frau Korazim erklärte u. a. die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Reaktionen der religiösen und der säkularen israelischen Bevölkerung zum Holocaust.

Im Außenministerium wurde die Delegation von Botschafter Aviv Shir-On empfangen, der seinen Vortrag mit einer kurzen Einführung der Geschichte Israels begann und Israels Erfolge bei der Integration verschiedener Einwandergruppen aufzeigte. Aviv Shir-On unterstrich Israels Interesse an normalen Kontakten und guten Beziehungen mit seinen moderaten und pragmatischen arabischen Nachbarn.

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Im Gespräch mit Holger Haibach MdB

Auf einem Workshop, an dem auch junge Israelis, darunter ein Mitarbeiter der Knessetabgeordneten Amira Dotan und eine Vertreterin des „Young Israeli Forum for Cooperation“ teilnahmen, hielt Holger Haibach MdB einen Vortrag zum Thema „Joint Values – Joint Challenges“. Er diskutierte vor allem sicherheitspolitische Herausforderungen, aber auch solche, die sich aus dem globalen Klimawandel ergeben. Holger Haibach betonte die Wichtigkeit von Koexistenz, welches der Schlüssel für eine Zukunft in Frieden und Sicherheit sei. Er beschrieb die Bedeutung von regionalen Projekten, wie z. B. die Zusammenarbeit der israelischen Region Gilboa und der palästinensischen Nachbarregion Jenin. Diese regionale Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren, wird auch von der KAS gefördert.

Über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde referierten Issa Kassissieh, Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, und Wassim Khazmo, Verhandlungsbeauftragter des NSU (Negotiation Support Unit). Der umfassende Vortrag aus palästinensischer Sicht reflektierte Erfolge, aber vor allem Herausforderungen und bleibenden Schwierigkeiten der israelisch-palästinensischen Verhandlungen. Dabei zeigten sich beide Referenten eher pessimistisch, dass es bald zu einer Einigung kommen werde. Die Zeit für die Zwei-Staaten-Lösung und die Schaffung eines palästinensischen Staates laufe ab. Vor allem die jüngere Generation diskutiere die Möglichkeit einer Ein-Staaten-Lösung, bei der alle Palästinenser volle Staatsbürgerrechte von Israel einfordern.

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Issa Kassissieh:"Noch viele offene Fragen in den Verhandlungen"

In der Jerusalemer Cinematheque führte Gili Mendel, Direktorin der Abteilung für Medien und Film Erziehung, in das von ihr initiierte Projekt „I am, you are“ ein. Arabische und jüdische Teenager arbeiten jedes Jahr gemeinsam an einem Filmprojekt, welches ihre Identität und Weltanschauung widerspiegeln soll. Die Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren filmen und produzieren einen gemeinsamen Film unter professioneller Anleitung.

Ein weiteres Highlight des Besuchsprogramms war eine ganztägige Exkursion nach Rehovot und anschließend in den Süden des Landes. U. a. wurden den Teilnehmern das Unternehmen EL-OP vorgestellt. Kerngeschäft des Unternehmens ist die Herstellung, Forschung und Entwicklung elektro-optischer Geräte. EL-OP wurde 1937 von einem aus Dresden stammenden Unternehmer gegründet und zählt heute zu den in Israel führenden Großunternehmen.

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Besuch an der Grenze zum Gazastreifen: Vertreter der IDF erklären die Sicherheitslage

In der Nähe von Sderot besichtigten die Teilnehmer mit einem Armee-Sprecher einen strategischen Aussichtspunkt über Gaza und besuchten die Polizeistation in Sderot. Die Gruppe wurde die Bedrohung durch Qassamraketen aus dem nur wenige Kilometer entfernten Gazastreifen verdeutlicht. Über 8000 Qassamraketen wurden seit dem Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen auf die benachbarte israelische Region abgeschossen. Dalia Yosef, Direktorin des Sderot Resiliency Center, veranschaulichte die psychologische Belastung, welche die permanente und uneinschätzbare Bedrohung der Raketen verursacht, vor allem bei Kindern und Jugendlichen.

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Deutsch-amerikanischer Dialog in freundschaftlicher Atmosphäre

Die Teilnehmer besuchten den Kibbutz Sde Boker, wo es zur historischen Begegnung zwischen David Ben Gurion und Konrad Adenauer in Israel kam. Wie Bundeskanzlerin Merkel im März diesen Jahres, besuchten die Delegationsteilnehmer auch das Grab Ben Gurions. Der deutsch-israelische Schriftsteller Chaim Noll führte dabei in die Geschichte des Kibbutz ein und erläuterte die Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen und das derzeitige deutsche Engagement für die Wüstenforschung in Sde Boker. Außerdem berichtete er aus seiner bewegten Lebensgeschichte: als Sohn eines Schriftstellers, welcher der DDR-Nomenklatur nahe stand, ist er in den 80er Jahren in die Bundesrepublik übergesiedelt, hat seine jüdischen Wurzeln wiederentdeckt und ist mit seiner Familie in den 90er Jahren nach Israel eingewandert.

Außerdem besuchten die Teilnehmer der Delegation u. a. ein Beduinenprojekt und lernten in verschiedenen Exkursionen die Geschichte und das Umland von Jerusalem und die Stadt Tel Aviv kennen. In Tel Aviv traf die Delegation eine jüdisch-progressive Gemeinde und besuchte dort den Shabbat-Gottesdienst.

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Zwischen Tradition und Moderne: Beduinen im Negev

Abschließend führte die Delegation ein Gespräch mit dem Schriftsteller Boris Zaidman, der mit den Teilnehmern ihren Aufenthalt in Israel Revue passieren ließ und die zahlreichen Erfahrungen und Eindrücke diskutierte.

Das gemeinsame Besuchsprogramm bot Gelegenheit, gewonnene Einsichten, Eindrücke und Erlebnisse gemeinsam zu reflektieren und dabei die unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen. Dabei wuchs das Verständnis füreinander. Nicht zuletzt gab es neue Einsichten: eine amerikanische Teilnehmerin betonte z. B., wie wichtig ihr die neue Erkenntnis sei, dass sich die EU und Deutschland so stark in der Region engagieren und wie tief und intensiv angesichts der Geschichte heute die deutsch-israelischen Beziehungen sind. Die deutschen Teilnehmer lernten vor allem die Perspektive der amerikanisch-jüdischen Diaspora auf aktuelle Entwicklungen in Israel kennen. Nicht zuletzt wurde in diesem Zusammenhang der gegenwärtige US-Wahlkampf und seine Bedeutung für die israelisch-amerikanisch respektive amerikanisch-deutschen Beziehungen lebhaft diskutiert. Mehrfach wurde angeregt, dieses Programm in Zukunft zu institutionalisieren, nicht zuletzt um das Netzwerk zwischen jungen Führungskräften in Deutschland, den USA und Israel weiter auszubauen.

Dieses Programm hat erfolgreich zur Vertiefung des deutsch-amerikanischen-israelischen Dialogs unter jungen Führungskräften beigetragen.

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