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Veranstaltungsberichte

Rundtisch mit Staatsministerin Prof. Maria Böhmer

von Anna Jandrey

Starke Frauen in Israel

Am 9. Februar besuchte Staatsministerin im Auswärtigen Amt Prof. Dr. Maria Böhmer, MdB, gemeinsam mit dem Deutschen Botschafter in Israel Dr. Clemens von Goetze das KAS Büro Israel. Unter dem Titel „Starke Frauen in Israel – die Rolle der Frauen in der Gesellschaft und die Integration von religiösen und ethnischen Minderheiten“ diskutierte sie gemeinsam mit weiblichen israelischen Führungspersönlichkeiten über aktuelle Herausforderungen in der Integrationspolitik und über die Gleichberechtigung von Frauen in der israelischen Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft.

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Eröffnet wurde die Rundtischdiskussion durch eine kurze Begrüßung und thematische Einführung von dem Leiter des KAS Büros in Israel, Dr. Michael Borchard. Er machte deutlich, dass Deutschland und Israel sowohl bei der Integrationspolitik als auch bei dem Kampf um Gleichberechtigung viel voneinander lernen könnten und beide Seiten von einem stetigen Austausch maßgeblich profitierten. Aktuelle Herausforderungen erforderten eine enge Zusammenarbeit der beiden Staaten und die hervorragenden bilateralen Beziehungen könnten zu langfristigen Lösungen beitragen. Dies treffe insbesondere auf die Integrationspolitik zu: So könne beispielsweise Israels ausgezeichnetes System für den Spracherwerb von Immigranten in Form der sogenannten ulpanim als Vorbild für Deutschland fungieren. In Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft sei ein regelmäßiger Dialog ebenfalls von großem Nutzen: In beiden Ländern existiere im beruflichen Alltag für Frauen noch immer eine „gläsernde Decke“.

Anschließend erklärte Staatsministerin Prof. Dr. Böhmer, dass in den letzten Jahrzehnten zwar nennenswerte Fortschritte im Bereich der Gleichberechtigung von Frauen erreicht worden seien, dennoch müsse noch viel getan werden, da eine vollkommene Gleichberechtigung - gerade im Erwerbssektor - trotz der bisherigen großen Bemühungen noch in weiter Ferne liege. Den Schlüssel zur Gleichberechtigung von Frauen sieht die Staatsministerin vor allem im Zugang von Bildung. Dies sei eine der Grundvoraussetzungen für eine generelle gesellschaftspolitische Teilhabe der Frauen. Die Rolle der Frau und die vollkommene gesellschaftliche Implementierung von Gleichberechtigung habe gerade auch in der Diskussion um eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen aus anderen Kulturkreisen eine sehr große Bedeutung, so die Staatsministerin.

Welchen Schwierigkeiten Frauen in Israel gegenüberstehen, insbesondere Frauen aus ethnischen und religiösen Minderheiten, wurde durch die anwesenden Gäste eingehend beleuchtet. So schilderte Prof. Rachel Erhard und Prof. Tamar Brosh, beide von der Tel Aviv-Universität, dass noch immer eine große Diskrepanz zwischen der Zahl an Doktorandinnen und der Anzahl von weiblichen Dekanen herrsche. Gerade im akademischen Bereich sei gut zu beobachten, dass die Führungsetage noch immer eine Männerdomäne sei. Dieser Ansicht schloss sich Sima Shine, Leiterin der Abteilung Regionale Angelegenheiten im israelischen Ministerium für Strategische Fragen und ehemalige Leiterin der Forschungsabteilung des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, an. Auch wenn die Bezahlung von Frauen und Männern aufgrund der starken hierarchischen Strukturen identisch ist, so sei die Führungsriege auch beim Mossad ausschließlich männlich besetzt. Dieses Phänomen ziehe sich durch viele Instanzen der Sicherheitspolitik, stellte die Diskussionsrunde fest. Dies sei in Israel besonders interessant, da Frauen durch den obligatorischen Wehrdienst in Israel einen frühen Einblick und Zugang zum Militär und damit zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik erlangten. Brigadegeneral a.D. Israela Oron bekräftigte diese Ausführungen und schilderte von ihrem Eindruck, dass zwar genügend Gesetze zur Gleichstellung von Mann und Frau existierten, es jedoch an einer stringenten Umsetzung und praktischen Ausführung fehle. In nahezu allen Gremien der Sicherheitspolitik säßen bis heute ausschließlich männliche Vertreter.

Eindrucksvoll vertrat die stellvertretende Bürgermeisterin von Tel Aviv, Mehereta Baruch-Ron, die Sicht der äthiopischen Gemeinde in der israelischen Gesellschaft. Für sie stünden die Themen Integration und Gleichberechtigung in einer politischen und gesellschaftlichen Symbiose. Baruch-Ron, die selbst im Alter von zehn Jahren aus Äthiopien nach Israel migrierte, bekräftigte die vorangegangene Aussage von Dr. Borchard, dass der Spracherwerb einer der grundlegendsten Pfeiler einer erfolgreichen Integration sei. Sie machte aber auch deutlich, dass der jüdische Glaube ihre Integration sehr erleichtert habe: Während die Ursprungsländer der Ankommenden in Israel sehr verschieden seien, schaffe der gemeinsame jüdische Glaube doch eine unmittelbare Verbindung. So bildeten auch die jüdischen Gemeinden und die Religionskultur eine Identität und Basis, die die Einwanderer mit der israelischen Gesellschaft zusammenführe und eine Eingliederung und Adaption wesentlich erleichtere. Die weitere Diskussion zeigte, dass diese anfängliche Verbindung der größte Unterschied zu den Asylbewerbern sei, die derzeit nach Europa kommen.

Durch die Anwesenheit von Adina Bar-Shalom floss auch die Perspektive der ultra-orthodoxen Gemeinschaft in die Diskussionsrunde mit ein. Derzeit machen die ultra-orthodoxen Juden, die Haredim 12 Prozent der israelischen Bevölkerung aus. Nach aktuellen Schätzungen werde ihr Anteil bis zum Jahr 2030 auf ca. 25 Prozent anwachsen. Im Zuge dieser demographischen Entwicklung sei es umso wichtiger, dass dieser Gemeinschaft Zugang zu einer höheren Bildung ermöglicht werde. Mit diesem Ziel gründete Adina Bar-Shalom mit der Unterstützung ihres verstorbenen Vaters, damals einer der einflussreichsten Rabbiner in Israel, das Haredi-College, wo heute 11.000 weibliche und männliche ultra-orthodoxe Studenten getrennt voneinander jede reguläre Fachrichtung studieren können. Dieser Zugang zu einer akademischen Ausbildung führte vor allem zu einer grundsätzlichen Stärkung und Selbstständigkeit der Frauen, erklärte Bar-Shalom. Außerdem sei zu beobachten, dass sich auch die Männer durch ihr Studium, und damit durch ihre höhere Bildung, weitaus mehr an der israelischen Politik und in der Gesellschaft, außerhalb ihrer ultra-orthodoxen Gemeinschaft, beteiligen.

Die Schilderungen der israelischen Gäste unterstrichen die einleitenden Worte von Staatsministerin Prof. Dr. Böhmer, dass eine erfolgreiche Integration, ob von Flüchtlingen oder gesellschaftlichen Minderheiten, sowie eine Stärkung der Frau nur mit der Gewährleistung eines frühen und umfassenden Zugangs zu Bildung gelingen kann. Die Diskussion zeigte darüber hinaus, dass ein politischer Wille und entsprechende Maßnahmen bereits heute grundsätzlich vorhanden seien, was die Teilnehmer positiv in die Zukunft schauen ließ.

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Botschafter Dr. von Goetze mit Staatsministerin Prof. Böhmer KAS Israel

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