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Veranstaltungsberichte

Wirtschaftssysteme im Vergleich: Freie Marktwirtschaft versus Soziale Marktwirtschaft

von PD Dr. Martin Beck, Lea Johanna Collet
Veranstaltungsform: Regionaler WorkshopDatum/Ort: 13. und 14. März 2010, Talal Abu Ghazaleh College of Business – Amman Konzeption: Organisation: KAS Amman, Talal Abu Ghazaleh College of Business, German Jordanian University

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1. Programmübersicht

Samstag, 13. März 2010

Eröffnung: Begrüßung und einleitende Reden

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Dr. Labib Khadra - Präsident der Deutsch Jordanischen Universität

Dr. Martin Beck - Landesbeauftragter KAS Amman

Sitzung I:

Gegenüberstellung zwischen der Freien Marktwirtschaft und der SozialenMarktwirtschaft, Jordaniens Übergang zur Marktwirtschaft: Aussichten und Herausforderungen

Dr. Mohammed Ja’fari – Generaldirektor, Deposit Insurance Corporation

Soziale Marktwirtschaft: Deutsche Erfahrung und Perspektive

Dr. Marc Piazolo - Professur für Geld-, Kredit- und Außenwirtschaft Fachhochschule Kaiserslautern

Leiter / Moderator: Dr. Hesham Gharaibeh Direktor des Talal Abu Ghazaleh College of Business

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Studentische Arbeitsgruppen

Sonntag, 14. März 2010

Sitzung II:

Vergleichende Wirtschaftssysteme im nationalen und internationalenKontext

Konkurrierende Wirtschaftssysteme:Von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft

Dr. Peter Uecker - Vizepräsident der Deutsch Jordanischen Universität

Die Deutsche Soziale Marktwirtschaft: Ein Modell für Jordanien?

Dr. Marcus Marktanner - Assistenzprofessor, Amerikanische Universität Beirut

Leiter / Moderator: Dr. Awni Mufleh - Jordan Investment Board

Studentische Arbeitsgruppen

Abschließende Sitzung und Vorstellung der studentischen Arbeitsergebnisse

Dr. Talah Arabiyat - Stellvertretende Direktorin, Talal Abu Ghazaleh College of Business

Dr. Martin Beck – Landesbeauftragter KAS Amman

2. Zielsetzung

Das deutsche Ordnungsmodell der SozialenMarkwirtschaft birgt auch für die Wirtschaftspolitikder Länder des Nahen Ostensgroßes Potential. Das wirtschaftspolitischeKonzept der Erhaltung eines freien Marktmechanismusmit gleichzeitigem sozialenAusgleich bietet insbesondere für Länderwir Jordanien ein Vorbild zur Schaffungmöglicher Grundlagen einer WirtschaftsundSozialordnung. Dennoch ist die Übertragungder Sozialen Marktwirtschaft aufLänder der MENA-Region schwierig, da kulturelle,historische und sozio-ökonomischeUnterschiede sowie institutionelle Pfadabhängigkeitenstarke Einflussfaktoren darstellen.Im Laufe des zwei Tage währendenWorkshops vom 13. und 14. März 2010, dervon dem Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman in Zusammenarbeit mitdem Talal Abu Ghazaleh College of Business(TAGBC) und der Deutsch-Jordanischen Universität(GJU) veranstaltet wurde, erörtertenrund 50 Teilnehmer aus Wissenschaft,dem privaten Wirtschaftssektor und demBildungsbereich die Frage, worum es sichbei der Sozialen Marktwirtschaft genau handeleund ob sie ein mögliches Konzept fürdie jordanische Wirtschaft darstelle. Vier Redner führten an beiden VeranstaltungstagenStudenten der Wirtschaftsfakultät derGJU in die Thematik der deutschen SozialenMarktwirtschaft im Vergleich zur jordanischenMarktwirtschaft ein, um im Anschlusszu Themen wie „Soziale Marktwirtschaft –ein Model für Jordanien?“ oder „AllgemeineMerkmale der jordanischen Wirtschaft“ unterder Leitung von ausgewählten Trainern,wie Dr. Marcus Marktanner oder Dr. GhaziSamawi, in Gruppen zu arbeiten. Am Endedes Workshops stellten die Studenten derGJU die eigenständig erarbeiteten Arbeitsergebnissevor und diskutierten diese mitden teilnehmenden Experten.

3. Ablauf

Zur Eröffnung des Workshops strich Dr. LabibKhadra die essentielle Rolle der Universitätin der Vermittlung demokratischer undgesellschaftlicher Werte heraus. Insbesonderefür die Entwicklung eines gesamtgesellschaftlichesBewusstseins und Verständnissesvon Sozialer Marktwirtschaft in derarabischen Welt sei der Workshop der GJU,des TAGBC und der KAS wichtig. Dr. MartinBeck, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman, machte dieTeilnehmer, nach einer allgemeinen Begrüßungund Danksagung an die GJU undTAGBC, auf die „Leitlinien für Wohlstand,soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften“aufmerksam und hob die Rolle derSubsidiarität und Solidarität als ihre wichtigstenPfeiler hervor. Dr. Uecker ging imAnschluss auf die Partizipation der Studentenam Workshop ein. Im Gegensatz zu denbisher mit der KAS zusammen veranstaltetenKonferenzen hatten die Studenten nundie Möglichkeit, aktiv „als Vorbereitung aufihr späteres Arbeitsleben“ am Workshopteilzunehmen und ihre Arbeitsergebnisse inPowerpointpräsentationen vorzustellen.

Dr. Al-Ja’fari sprach verschiedene Aspektedes Übergangsprozesses der jordanischenWirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft an.Ökonomische, politische und soziale Reformenhätten diese Transition in den letztenJahren vorangetrieben; dennoch stehe diejordanische Wirtschaft, die heute die Formeines sozialverantwortlichen Wirtschaftssystemsangenommen habe, neuen Herausforderungengegenüber, die sich aus derglobalen Finanz- und Wirtschaftskrise ergebenhätten. Am Beispiel der kritischen wirtschaftlichenSituation Jordaniens zu Beginnder 70er und 80er Jahre machte Dr. AlJa’fari die strukturellen und wirtschaftspolitischenProbleme des Landes deutlich, dieauch im Rahmen der internationalen Krise2009 maßgeblich das Wirtschaftswachstumbeeinträchtigt hätten.

Mit Beginn der Ölkrise Anfang der 70er Jahreund nach dem zweiten Schock durch dieiranische Revolution in den 80er Jahrendurchlebte die jordanische Wirtschaft harteZeiten, in denen der jordanische Dinar um50% abgewertet wurde, das Bruttoinlandsproduktum 13% schrumpfte, die Inflationsrateum über 25% anstieg und die Arbeitslosenquotesich auf rund 20% verdoppelte.Zu Beginn der 90er Jahre lebten 14,4 % derjordanischen Bevölkerung unterhalb deroffiziellen Armutsgrenze. Die gewaltige Konjunkturabschwächungund makroökonomischeInstabilität konnten nur durch Hilfsprogrammedes Internationalen Währungsfondsgebremst werden. Während die Stabilitätdes Währungssystems und die finanzpolitischeSicherheit zurückerlangt und insbesonderedie Nachfrageseite unterstütztwerden konnte, wurde trotz der IWF Hilfsmaßnahmenkeine wirkliche Basis für einnachhaltiges Wachstum geschaffen. Erst mitder Schaffung eines Kooperationsprogrammszwischen dem öffentlichen unddem privaten Sektor in den 1990er Jahrenund einer konsultativen Wirtschaftskommissionwurde die Transition zur freien Marktwirtschaftaktiv durch Liberalisierungsvorhaben,Freihandelsabkommen und Privatisierungsprogrammevorangetrieben.

Wichtig sei nun, so Dr. Al Ja’fari, dass diejordanische Regierung Maßnahmen zurStärkung der politischen Infrastruktur, besonderszur Verbesserung der Regierungsstrukturenund zur Partizipation der politischenGemeinschaft, ergreife, um die Folgender Weltwirtschaftskrise abzuschwächen.

Dr. Marc Piazolo zeigte in seinem Vortragdie geschichtliche Entwicklung und dieHauptziele der deutschen Sozialen Marktwirtschaftauf. Anhand mehrerer Grafiken machte er deutlich, dass die Akzeptanz derSozialen Marktwirtschaft innerhalb der deutschenBevölkerung hoch sei und dassDeutschland im internationale Vergleichhinsichtlich des Bruttoinlandsproduktes, derStaatsverschuldung, der Arbeitslosenquote,der Sozialhilfeleistungen und der Einkommensungleichheitdeutlich positiv abschneide.In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen,ob eine Deregulierung des Wechselkursesin Jordanien für eine Verbesserungder stagnierenden wirtschaftlichen Lagesorgen könne. Festzustellen sei nachMeinung der Experten, dass die Fixierungdes Wechselkurses Spekulationen reduziereund die Wechselkurserwartungen stabilisiere.Kontrovers wurde die Frage diskutiert,ob sich aus dem Privatisierungsprozess auchNachteile für die jordanische Wirtschaft ergebenhätten. Die Revision einiger Privatisierungenvon bestimmten Unternehmen seinach Ansicht Dr. Al Ja’faris notwendig.Zudem müsse der Privatisierungsprozess fürFreihandelsabkommen geöffnet werden.

Im Anschluss an die Fragerunde wurden dieStudenten in Arbeitsgruppen aufgeteilt undTrainern zugewiesen. Die Gruppenarbeitsrundevon Dr. Marcus Marktanner beschäftigtesich am Beispiel des Übergangsvom arabisch geprägten Sozialismus zu freierMarktwirtschaft in der Region mit demKonzept des Washington Consensus. DieErgebnisse der Gruppenarbeit wurden ineiner Diskussionsrunde zusammengetragen.Die Studenten hoben hervor, dass zur Erreichungeines nachhaltigen Wirtschaftswachstumsund eines andauernden Demokratisierungsprozessesdie Maßnahmen zur Stabilisierungder Wirtschaft, zur wirtschaftspolitischenLiberalisierung, Deregulierung undPrivatisierung nicht überstürzt werden dürftenund Sozialleistungen essentiell seien.

In der Arbeitsgruppe von Dr. Ghazi Samawiwurden Vor- und Nachteile der jordanischenWirtschaft einander gegenübergestellt.Vorteilhaft sei, dass es sich um einkleines, offenes und gemischtes Wirtschaftssystemhandele, das vom Staat reguliertwerde. Nachteilig würden die hohenStaatsausgaben, die niedrige Nachfrage, derExport von Fachkräften in Ausland und derMangel an Rohstoffen auf die jordanischeWirtschaft einwirken.

Nach einer kurzen Begrüßung eröffnete Dr.Awni Mufleh den zweiten Teil desWorkshops am 14. März mit einem kurzenStatement zu den unterschiedlichen Marktsystemen,die im Laufe dieses Workshopsdiskutiert wurden, und unterstrich die Wichtigkeitsolcher Vergleiche für die Förderungeines besseren Verständnisses der SozialenMarktwirtschaft. Dr. Uecker ging dann aufdie spezifischen sozialen und politischenUmstände ein, unter deren Einfluss sich dasdeutsche Wirtschaftswunder und im Folgendendie deutsche Soziale Marktwirtschaftherausgebildet hätten. Der Transformierungsprozessder deutschen Gesellschaftund des Wirtschaftssystems, in dem dieüberholten politischen und wirtschaftlichenStrukturen zerstört wurden, sei aus denFolgen des Zweiten Weltkrieges hervorgegangen.

Auf die Schilderung eigener Erfahrungen mitdem Übergangsprozess vom Wirtschaftssystemim nationalsozialistischen Deutschlandhin zum Wirtschaftswunder der 50er und60er Jahre und der Entstehung der SozialenMarktwirtschaft folgte eine kurze Unterbrechungdes Workshops. Die Workshopteilnehmererhielten die außergewöhnlicheMöglichkeit, der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommenszwischen der TalalAbu Ghazaleh Organisation und der WTOunter persönlicher Anwesenheit von HerrnTalal Abu Ghazaleh beizuwohnen.

Im Anschluss wurde der Workshop mit demVortag von Dr. Marcus Marktanner wiederaufgenommen, der die Frage erörterte, obes sich bei dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaftum ein passendes System für diejordanische Wirtschaft handele. Er definiertein mehreren Schritten die deutsche marktwirtschaftlicheWirtschaftsordnung und beschäftigtesich mit den Prinzipien des Ordoliberalismus.Im Folgenden ging er der Fragenach, welche Bereiche die SozialeMarktwirtschaft regele und inwiefern sichdiese Wirtschaftsordnung von anderen Systemenunterscheide. Er beendete seinenVortrag mit der Bemerkung, dass Jordanienaufgrund der niedrigen Einkommensungleichheit, der starken Marktoffenheit,des hohen Steueraufkommens, und trotzder schwierigen geopolitischen und geoökonomischenPosition in der Region, desbeträchtlichen Handelsdefizits und der hohenInflationsrate sehr nahe an die SozialeMarktwirtschaft herankäme.

In der abschließenden Fragerunde wurdediskutiert, weshalb Jordanien in den letztenJahren solch positive ökonomische Fortschrittegeleistet habe. Nach Meinung derExperten ginge dies vor allem auf den starkenpolitischen Willen und das offene politischeKlima innerhalb des Landes zurück.Nicht unbedingt die Regierungsform, sonderndie Artikulierung und Implementierungdes politischen Willens sei für den Reformprozessausschlaggebend.

In den Gruppenarbeiten, die auf den Vortragfolgten, wurden die Präsentationen derArbeitsergebnisse der Studenten der GJUfertig gestellt. Die Gruppen stellten im Anschlussden anderen Teilnehmern die Powerpointpräsentationenvor und verteidigtenihre Ergebnisse. Auf dieser Basis wurden dieStudenten von den Experten und Dozentenbewertet und erhielten ein Zertifikat mit derBenotung für ihre Workshopleistungen.

4. Fazit

Während des gesamten Workshops wurdeein großer Gesprächsbedarf seitens derTeilnehmer und Studenten der GJU zumThema Soziale Marktwirtschaft deutlich.Die Gruppenarbeiten zeigten, dass die Studentendie aktive Partizipation am Gesprächmit den Experten zu schätzen wussten undviele neue Informationen gewonnen haben.Allerdings wurde in der Präsentation derGruppenarbeiten auch deutlich, dass imkonzeptionellen Bereich und bei der Frage,was das freie markwirtschaftliche Systemvon der Sozialen Marktwirtschaft unterscheide,noch viele Unklarheiten herrschten.Hier sollten weitere KAS-Projekte mit derGJU und dem TAGBC für eine noch intensivereAufklärungsarbeit angesetzt werden,um das Verständnis der Sozialen Marktwirtschaftunter den zukünftigen Entscheidungsträgernzu fördern. Die Involvierungausländischer Experten und Dozenten ist inderartigen Veranstaltungen besonders wichtig,um die Unterschiede zwischen deutscherSozialer Marktwirtschaft und anderenregionalen Wirtschaftssystem besser herauszuarbeiten.

Positiv hervorzuheben bleibt schließlich diesehr gemischte und engagierte Zuhörerschaftaus Studenten, Dozenten und Vertreterndes privaten Sektors. Das Thema SozialeMarktwirtschaft stößt in Jordanien aufgroße Resonanz und wird als mögliches zukünftigesModell für die jordanische Gesellschaftund Wirtschaft aufgefasst. Die Teilnahmedes Präsidenten und des Vizepräsidentender GJU sowie der Besuch von TalalAbu Ghazaleh, einer der einflussreichstenVertreter des jordanischen Privatsektors,haben dem Workshop eine besondere Wichtigkeitverliehen. Die Ergebnisse des KASGJU-TAGBC-Workshops können aufgrundder regen Diskussionen, studentischenGruppenarbeiten und qualifizierten Gesprächsbeiträgeals großer Erfolg gewertetwerden.

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Workshop
13. - 14. März 2010
TAGCB Mecca Street - Amman, Jordan
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