Teilnehmer waren der Direktor der Stiftung Andrés Bello, Parsifal D’ Sola, der ein anerkannter Forscher im Bereich der Beziehungen zwischen China und Lateinamerika ist. Moderiert wurde die Diskussion vom Koordinator des Projekts Awala, Fernando Dos Reis.
Zunächst verglich D’ Sola Venezuela und Kolumbien, wobei er betonte, dass beide Länder entgegengesetzte Wege in ihrer Relation mit der Volksrepublik China gegangen seien.
Einerseits habe Venezuela unter der Führung von Hugo Chávez, im Jahr 2000 eine sehr enge Beziehung zu China aufgebaut, die vor allem von wirtschaftlichen Interessen (Erdöl und Mineralien) geprägt war, aber auch eine politische und ideologische Allianz gegen die Hegemonie der USA darstellte. “Venezuela […] war attraktiv für China, weil es die USA ausgeschlossen hatte.” meinte D’ Sola. Die Verbindung führte zu einer beispiellosen Welle von Finanzierungen in Millionenhöhe.
Bis zum Jahr 2016 verlieh China mehr Geld an Venezuela als irgendein anderes Land der Welt. Das Scheitern der finanzierten Projekte, die Veruntreuung von Geldern (wie das Verschwinden von 8 Milliarden Dollar aus dem chinesisch-venezolanischen Fonds) und das Ausbleiben konkreter Ergebnisse verschlechterten jedoch die Beziehungen. “Seit einem Jahrzehnt hat China Venezuela nicht einen Cent geliehen”, stellte D’ Sola fest.
Auf der anderen Seite war die Außenpolitik Kolumbiens immer auf die USA ausgerichtet; auch wenn in den letzten Jahren eine schrittweise Annäherung an China zu beobachten ist. Die Unterzeichnung des Kooperationsabkommens der “Neuen Seidenstraße” durch den Präsidenten Gustavo Petro wurde als symbolischer Akt gewertet ohne weitere Verpflichtungen, oder wie es der Experte ausdrückt “Kolumbien hat China zu einem diplomatischen Sieg verholfen ohne eine konkrete Gegenleistung.” Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass “in Kolumbien alles improvisiert ist. Es gibt keine auch nur ansatzweise kohärente Außenpolitik gegenüber China.“
Der Experte erklärte, dass die Strategie Chinas in Lateinamerika langfristig geplant sei, geprägt von einer verstärkten Präsenz in den Bereichen Infrastruktur (Konstruktion von Häfen, Straßen und Flughäfen), Bergbau und Energie (Kupfer, Lithium, Wasserkraftwerke), Energietransition (saubere Energien, Stromnetze) und Telekommunikation (Huawei und andere Firmen).
D’ Sola erklärte auch den Unterschied zu den USA; Chinas versuche nicht andere Akteure direkt zu “ersetzen”, sondern seinen Einfluss durch spezifische Allianzen auszubauen, oft in Bereichen, die von anderen Ländern oder Agenturen vernachlässigt wurden. Der Experte ging auch auf die technologischen Risiken ein, wie die Abhängigkeit einer kritischen Infrastruktur von chinesischen Providern, die unter der politischen Kontrolle der kommunistischen Partei arbeiten: “Wenn man ein Problem mit Microsoft hat, dann hat man es mit der Firma. Wenn man aber ein Problem mit Huawei hat, dann hat man es mit dem chinesischen Staat.“
Hinsichtlich der aktuellen Situation in Venezuela erklärte D’ Sola, dass die Beziehung zu China sich grundlegend geändert habe; es gebe keine Finanzierung mehr, aber China sei an einzelnen Projekten interessiert, vor allem an der Karibikküste, wo man mit mehr juristischer und politischer Sicherheit rechnen könne. “Heute sucht China Gegenden, wo es ohne die Risiken der venezolanischen Instabilität operieren könne, ohne aus dem geostrategischen Spiel geworfen zu werden.“
Gleichzeitig bemerkte er, dass China auch Kommunikation mit der venezolanischen Opposition unterhalten haben (zum Beispiel mit Guaidó), um seine Präsenz im Land zu sichern, egal wer an der Macht ist.
Die Veranstaltung endete mit Überlegungen über die Zukunft der Beziehungen Chinas zu Lateinamerika. Man betonte die Notwendigkeit, nationale und regionale Koordinaten festzulegen, die den Wissenstransfer, die lokale Produktion und fairere Bedingungen für die Empfängerländer fördern. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, institutionelle und akademische Kapazitäten zu stärken, um China besser zu verstehen und souveräne Entscheidungen zu treffen.
Letztendlich forderte man dazu auf, eine strategische Führung zu fördern, um die Vereinbarungen mit China über das wirtschaftliche hinaus zu analysieren und auch die politische, technologischen, umweltfreundliche und soziale Dimension miteinzubeziehen.
Themen
„Der einzige Weg, Migration als Reizthema zu entschärfen, ist eine funktionierende Politik”
„Viele sind nicht immer kategorisch für eine liberale oder restriktive Politik”
„Entscheidend ist, dass die Parteien der Mitte die richtigen Themen und den richtigen Ton setzen”
Integrationsvereinbarungen in Europa und Ableitungen für Deutschland
Der Tschad im Stresstest