Zunächst begrüßte der Journalist und Direktor für Inhalte und Sonderprojekte von Caracol Radio der Mediengruppe „Prisa Media“, Alejandro Santos die Anwesenden und dankte ihnen für ihre Teilnahme. Gleichzeitig nannte er einige Schlüsselthemen als Diskussionsgrundlage: Das Gesetz der Unterwerfung unter die Justiz, das Projekt des “Totalen Friedens”, Moral und Legitimität der Truppe sowie die Wiederherstellung des legitimen Machtmonopols des Staates. Anschließend erklärte der Repräsentant der KAS Kolumbien, Stefan Reith die fünf wichtigsten Arbeitslinien der Stiftung zur Demokratieförderung: Nachhaltige Entwicklung, Friedenskonstruktion, Sicherheit und Verteidigung, Dezentralisierung und die Stärkung demokratischer Institutionen. Er betonte auch, dass es weder Demokratie noch Sicherheit geben könne, wenn der Staat keine Präsenz in den Regionen des Landes zeige, nicht nur militärisch, sondern auch was Infrastruktur, Gesundheitsversorgung sowie soziale und erzieherische Programme anbetreffe.
An der Diskussion nahmen teil Vertreter des Verteidigungsministeriums, der Stadtverwaltung von Bogotá, des “Consejo Superior de la Judicatura” (Hoher Justizrat), Gouverneure, Bürgermeister, Think Tanks, Organisationen der Zivilgesellschaft, Militär, Polizei, Akademiker, Forscher und Arbeitgebervertreter. Gemäß der von Alejandro Santos anfangs genannten Punkte, wurde eine Reihe von zentralen Themen im Bereich nationale und regionale Sicherheit angesprochen.
Zunächst nannte man den “Microtráfico” (Kleinsthandel) mit Drogen als wichtigsten Grund für die Unsicherheit und Morde in urbanen Zonen; einige Diskussionsteilnehmer äußerten ihre Besorgnis über die hohe Kriminalitätsrate, die seit dem Jahr 2021 nach Überwindung der Pandemie ständig anwachse. So verzeichnete man im Jahr 2022 die höchste Mordrateseit 2016; Erpressungen hatte nach Aussage der Polizei um 24% zugenommen. Auch Gouverneure und Bürgermeister bemerkten, dass Erpressungen und Rekrutierung von Minderjährigen die am meisten von bewaffneten Gruppierungen und kriminellen Banken eingesetzten Methoden seien, um sich zu finanzieren und die soziale Kontrolle über die Bevölkerung in Stadt und Land auszuüben. Daher müssten die Aktionen der Streitkräfte verstärkt und die Kapazitäten der lokalen Regierungen bei der Leitung von Militär und Polizei besser koordiniert werden, um dadurch geeignete Sicherheitsstrategien für jede Situation zu entwickeln, ohne von der zentralen Regierung abhängig zu sein.
Einige Vorschläge zur Bekämpfung der Problematik waren: Die Rolle der Nachrichtendienste und neuer Technologien, die entscheidend für die Aufdeckung und Verurteilung der neuen Strukturen seien, die Präsenz in Stadt und Land zeigen und sich durch illegale Wirtschaftszweige finanzieren. Weiterhin brauche es eine öffentliche Politik, die es erlaube, die notwendigen institutionellen Kapazitäten besser zu koordinieren, um dadurch die Sicherheit der Bürger zu garantieren; Pläne zur lokalen Entwicklung müssten sich in die Sicherheitspolitik der nationalen Regierung, der Sicherheitskräfte und der Zivilgesellschaft integrieren.
Als zweiter Punkt wurden die Machtkämpfe zwischen kriminellen Banden und dem Staat, um die Vorherrschaft in einigen Regionen genannt sowie die Einschätzung der Risiken für die Sicherheit des Produktionssektors. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens mit der Guerilla FARC-EP in 2016, seien Gebiete frei geworden, die von anderen illegalen Gruppen und nicht vom Staat eingenommen worden seien; dadurch kam es zu regionalen Machtkämpfen, Gewaltanwendung und Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung. Die illegalen Gruppen finanzierten sich unter anderem durch Drogenhandel, illegalen Bergbau, Schmuggel oder Erpressung. Vertreter des Agrarsektors stimmten auch darin überein, dass vor allem Unternehmen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen zur Entwicklung in den Regionen beigetragen haben; daher zeigten sie sich besorgt angesichts der Unsicherheit für Unternehmer und ihre Angestellten, die sich in der Ausübung ihrer Arbeit behindert sehen, vor allem durch direkte Bedrohung, Entführungen, Erpressung von Schutzgeldern und andere Praktiken zur sozialen Beschränkung.
Die vorgenannten Methoden schadeten nicht nur der regionalen und nationalen Wirtschaft, sondern auch der Nahrungsmittelversorgung des Landes, da die Produktion von Lebensmitteln stark eingeschränkt werde und der sichere Transport von Agrarprodukten in Städte oder Märkte nicht möglich sei. Der Norden des Departments Cauca sei besonders betroffen; hier wurde nach Unterzeichnung des Friedensabkommens von 2016 ein sogenanntes “Friedenslabor” eingerichtet, an dem Landwirte, Afrokolumbianer und Unternehmer teilnehmen sollten, was jedoch durch die Besetzung des Territoriums durch illegale bewaffnete Akteure verhindert werde; dies habe Angst in der Bevölkerung hervorgerufen, vor allem durch Morde, den massiven Verlust von Arbeitsplätzen und die hohe Straflosigkeit.
Drittens nannte man die notwendige Stärkung von Justiz und Militär. Von Seiten des “Consejo Superior de la Judicatura” (Hoher Justizrat) wurde betont, wie wichtig es sei juristische Entscheidungen als Mechanismus der Legitimierung der Justiz zu respektieren. In Kolumbien gebe es nur 11 Richter auf je 100.000 Bürger, was den Zugang zur Justiz erschwere und verzögere, vor allem auf dem Land; daher der Aufruf der Justiz zu personeller Verstärkung, einer besseren Ausbildung und Spezialisierung der Richter und zum Einsatz neuer Technologien, die es erlauben den Zugang zur Justiz durch digitale Medien zu beschleunigen.
Die Organisationen der Zivilgesellschaft forderten von der Regierung mehr Klarheit über das Konzept des “Totalen Friedens” und der Sicherheitspolitik, die ihrer Meinung nach noch ein großes Vakuum aufweisen, vor allem was offensive Strategien gegenüber den illegalen bewaffneten Gruppen anbetreffe, die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Einstellung von Delikten, Aktionen zur Verhinderung einer illegalen Kontrolle der Regionalwahlen im Oktober, die Rolle der Justiz oder der Opfer des bewaffneten Konflikts bei den Friedensgesprächen. Diese Befürchtungen seien der Regierung vorgelegt worden, aber bisher habe man keine Antwort erhalten.
Abschließend ging man näher auf die Verhandlungen mit der Guerilla ELN und anderen illegalen bewaffneten Gruppierungen ein; dabei wurde betont, dass ein Waffenstillstand nicht auf nationaler, sondern auf regionaler Ebene beschlossen werden sollte und von militärischen Aktionen begleitet werden müsse, wenn dies notwendig sei. Gleichzeitig müssten die illegalen bewaffneten Gruppen auch ihre kriminellen Aktivitäten, wie Entführungen, Morde und Erpressung einstellen, um eine weitere Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung zu verhindern und Bereitschaft zu Friedensverhandlungen zu zeigen. Dies müsse von einer entsprechenden Verhandlungsstrategie und einer Agenda begleitet werden und von klaren Verhandlungslinien sowohl was die Aktionen der Streitkräfte als auch die der illegalen bewaffneten Gruppen anbetreffe.