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Veranstaltungsberichte

Besuch Dr. Hubertus Knabe in Kolumbien: Historische Erinnerung, Friedenskonstruktion und bewaffneter Konflikt

Vom 17.-27. Februar 2024 besuchte der ehemalige wissenschaftliche Direktors der Gedenkstätte Berlin-Höhenschönhausen und Berater der KAS-Zentrale in Berlin in zeitgenössischer Geschichte, Dr. Hubertus Knabe, die KAS Kolumbien. Im Rahmen des Besuchs hatte Dr. Knabe die Möglichkeit, sich mit verschiedenen Akteuren über Themen wie Friedenskonstruktion und historische Erinnerung in Kolumbien auszutauschen; Ziel war es, unterschiedliche Perspektiven, Prozesse und Methodologien kennenzulernen.

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Sonntag, 18. Februar

Das Programm begann am Sonntag, dem 18. Februar mit einem Besuch von Dr. Knabe im historischen Zentrum Bogotás, wo er die wichtigsten Museen und Monumente der Stadt besichtigen konnte.  

 

Montag, 19. Februar

Das Programm begann mit einem Gespräch mit der Direktorin der Stiftung Prolongar, Renata Serna und der Workshopleiterin, María Reyes. Man sprach über die Arbeit der Stiftung Prolongar und die Methoden, die zur Versöhnung zwischen Opfern und Tätern eingesetzt werden, sowie über ihre Erfahrungen damit, vor allem in Medellín. Weiterhin diskutierte man den Einfluss des Projekts “Arte para Reconstruir” (Kunst zum Wiederaufbau).  

Am Nachmittag folgte ein Treffen mit Vertretern der kolumbianischen Armee, vor allem mit dem ehemaligen Oberst, José Obdulio Espejo und dem Direktor der Abteilung Historische Erinnerung des Heeres, Oberstleutnant Juan Fernando Rodríguez Uribe; beide boten eine militärische Sicht auf die Konstruktion einer historischen Erinnerung in Kolumbien. Dabei zeigten sie sich sehr kritisch, da ihrer Meinung nach, ihre Sichtweise bei der Erstellung des Abschlussberichts der Wahrheitskommission nicht berücksichtigt wurde. Auch waren sie nicht damit einverstanden, die Streitkräfte generell als Opfer des bewaffneten Konflikts darzustellen.   

 

Letztendlich erwähnten sie eine militärische Initiative zur Konstruktion einer historischen Erinnerung in Kolumbien; wie zum Beispiel das Museum von San Vicente de Chucurí, das nicht nur von Militärs erstellt wurde, sondern unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und Tätern des bewaffneten Konflikts.  

 

Dienstag, 20 Februar

Das erste Gespräch des Tages fand mit der Direktorin des Museo de la Memoria de Colombia (Museum der Erinnerung Kolumbiens), Ivonne González und der Direktorin des Nationalen Zentrums für Historische Erinnerung CNMH, María Gaitán Valencia statt. Man sprach über die Funktion und die Arbeitslinien des CNMH und seine Rolle als Sprachrohr für Menschen aus den Regionen.  

 

Auch erklärte man die Aufgabe des “Museo de la Memoria de Colombia”, das ein Raum für die Opfer des Konflikts sein sollte; vor allem um offen über die Bedeutung des Konflikts und seine Präsenz sprechen zu können. Weiterhin erklärten die beiden Direktorinnen, wie man die Ausstellungen der Museen organisiere und auch wenn die offizielle Eröffnung erst für 2026 geplant sei, würden bereits Führungen für das Publikum durchgeführt.

 

Das Mittagessen fand mit dem Präsidenten der Sonderrechtsprechung für den Frieden (JEP), Dr. Carlos Roberto Vidal und der Hilfsrichterin der JEP, Ana María Mondragón statt. Dabei wurden Themen wie die Makro-Fälle oder die Untersuchungsprozesse und das Funktionieren der Urteile besprochen.

 

Man konzentrierte sich vor allem auf das Konzept der sog. TOARS (Arbeiten, Werke und Aktivitäten mit restaurativen und wiederherstellenden Inhalten), wie sie funktionieren und wie sie finanziert werden sowie über die Teilnahme und die Meinung von Opfern bei ihrer Konstruktion. Weiterhin sprach an über den Wandel in der JEP seit der Übernahme durch  Dr. Vidal, vor allem über die bessere Sichtbarkeit der Arbeit und den Zugang für die Öffentlichkeit auch durch die sozialen Netzwerke.

 

Im Anschluss fand ein Treffen mit der Direktorin der Stiftung COMPAZ, Paula Gaviria, statt, bei dem man über die “Biblioteca Abierta al Proceso de Paz“ (Offene Bibliothek für den Friedensprozess) (BAPP) sprach. Die BAPP sei eine Initiative des ehemaligen Präsidenten Juan Manuel Santos gewesen, um die gesamte Dokumentation über den Friedensprozess zu sammeln, von den ersten Verhandlungen über die Phase der Geheimhaltung und die Unterzeichnung bis hin zur Umsetzung der endgültigen Vereinbarung mit der ausgelöschten Guerrilla-Gruppe FARC-EP. Frau Gaviria erklärte auch die Arbeit von COMPAZ bei der Betreuung des Prozesses zur Friedenskonstruktion in Kolumbien und die aktive Förderung der Bibliothek BAPP.

 

Der Tag endete mit einem Treffen mit dem ehemaligen Hochkommissar der Wahrheitskommission CEV,  Dr. Alejandro Castillejo; dabei sprach man über die wichtigsten Funktionen und die interne Organisation der Institution sowie über die Ernennung von Kommissaren für jede Konfliktregion des Landes zur Analyse der jeweiligen Region; der entsprechende Bericht werde auf der Basis des Feedbacks aus den Regionen gemeinsam erstellt.

 

Dr. Castillejo ging auch auf seine Erfahrungen als verantwortlicher Herausgeber der Publikation mit Zeugenaussagen der CEV ein, wobei er das ganze Land analysiert hatte. Schließlich merkte er an, dass er sich in dem Bericht für eine weniger kriegerische Methode entschieden habe und dass er versucht habe, die Zeugenaussagen in einem Audio-Format zu veröffentlichen, um sie für das Publikum besser zugänglich zu machen.  

 

Mittwoch, 21. Februar

Der Tag begann mit einem Termin mit dem Direktor des Politikwissenschaftlichen Instituts Hernán Echavarría Olózaga (ICP), Carlos Augusto Chacón, der die Perspektive des Instituts angesichts des bewaffneten Konflikts und des Friedensprozesses in Kolumbien erklärte. Dabei ging er auch auf den abschliessenden Bericht der Wahrheitskommission ein, bei dem die Analysen des ICP nicht vollkommen berücksichtigt worden seien. Auch stellte er die sehr allgemeine Darstellung von Aussagen einiger Einzeltäter in Frage, die ihrerseits auch oft Opferd des bewaffneten Konflikts gewesen seien, vor allem im Department Meta. Zur Veranschaulichung der Gründe und Akteure des Konflikts wurden Videoaufzeichungen des ICP vorgeführt.

 

Es folgte ein Termin mit dem Generalsekretär der Nationalen Versöhnungskommission CCN, Padre Eliécer Soto. Dabei sprach man über die Rolle der Katholischen Kirche im bewaffneten Konflikt seit die Regierung im Jahr 1995 um ihre Mithilfe gebeten hatte. Die Aufgabe der Kirche bestehe vor allem in der Betreuung der Opfer, der Teilnahme an Friedensverhandlungen und der Begleitung der Rekonstruktion eines sozialen Netzwerkes innerhalb der Gesellschaft.  

Auch helfe die Kirche bei der Befreiung Entführter, bei Dialogen mit der Guerrilla-Gruppe ELN, der Konstruktion einer historischen Erinnerung und der Arbeit mit Häftlingen im Bereich Versöhnung.   

 

Beim Gespräch mit der Vertreterin der Stiftung “Madres de Victimas de Falsos Positivos” MAFAPO, (Mütter von Opfern der falschen Positive - Tausende junger Menschen, die von Soldaten umgebracht und als angebliche Guerrilleros vorgeführt wurden, um dafür Belohnungen oder Beförderungen zu bekommen), Cecilia Arena. Sie erklärte die Funktion der Stiftung,  ihren Ursprung, ihre Beteiligung an Prozessen der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden JEP und die Erfolge ihrer Arbeit. Eine der Aktivitäten der Frauen sei es, Decken zu stricken,  um sich zu manifestieren, zu heilen und Erinnerung zu schaffen.  

 

Frau Arenas erzählte auch ihre persönliche Erfahrung als indirektes Opfer der “aussergerichtlichen Exekutionen” und wie sie es geschafft habe, den Tätern im Prozess vor der JEP zu vergeben und Möglichkeiten zur Versöhnung anzubieten.  

 

Donnerstag, 22. Februar

Im ersten Gespräch mit der Direktorin des Zentrums für Erinnerung, Frieden und Versöhnung, Ana María Cuesta sprach man über die Arbeit des Zentrums, seine Finanzierung, die Beteiligung der Bürger und die wichtigsten Aktivitäten.  

Wichtigstes Thema waren die Unterschiede zwischen dem Zentrum für Historische Erinnerung CNMH und dem Zentrum für Erinnerung, Frieden und Versöhnung. Weiterhin erklärte Frau Cuesta die Ausstellung zum Thema "Es gibt eine Zukunft, wenn es Wahrheit gibt – Von einem verwundeten Kolumbien hin zu einem möglichen Kolumbien”, einer pädagogischen Massnahme, um die Schlussfolgerungen des Abschlussberichtes über den bewaffneten Konflikt darzustellen und Empfehlungen zu geben, um eine Wiederholung zu vermeiden und warum die Ausstellung in den Räumen des Zentrum stattfindet.  

 

Es folgte ein Termin mit drei Vertretern der “Nationalen Bewegung von Opfern von Verbrechen des Staates” (MOVICE), darunter ein Opfer des Überfalls auf den Justizpalast. Man sprach über die Gründung der Bewegung und die aktuelle Unterstützung durch den Senator Iván Cepeda. Weiterhin sei es das Ziel der Bewegung, die Opfer zu einigen und zu stärken, juristische Hilfestellung zu leisten und an wichtige historische Daten zu erinnern.   

Trotz einer gewissen Kritik an der Arbeit der JEP, unterstütze man diese Prozesse, weil dadurch indirekte Opfer unsterstützt werden können, zum Beispiel bei der Exhumierung von Leichen ihrer Angehörigen und/oder bei Anhörungen über die „aussergerichtlichen Exekutionen“ sowie bei der Erstellung von Berichten über Verbrechen des Staates.  

 

Der Tag endete mit einem Besuch der “Casa de la Paz” (Haus des Friedens), einer Initiative zur Wiedereingliederung ehemaliger Guerrilleros der FARC-EP nach ihrer Demobiliserung. Die Mitunterzeichnerin des Friedensabkommens, Doris Suárez berichtete über die Geschichte des Hauses des Friedens, die Schwierigkeiten bei seiner Gründung und die Finanzierung.  Aus der Sicht der ehemaligen FARC-Guerrilla teilten die Anwesenden ihre Perspektiven über den bewaffneten Konflikt in Kolumbien und die Umsetzung des Friedensabkommens von 2016.  

 

Freitag, 23. Februar bis Sonntag, 25. Februar

An dem Wochenende reisten Dr. Knabe und die Projektkoordinatorin der KAS, Tatiana Niño in das Department Bolívar, wo sie von der Journalistin und Direktorin des Museums „Entre Ríos”, Ginna Morelo begleitet wurden. Mit Frau Morelo sprachen sie über die Schwierigkeiten, Journalismus auszuüben in einer Region die jahrelang von Paramilitärs beherrscht wurde und immer noch eine starke Präsenz verschiedener illegaler bewaffneter Gruppierungen aufweise.  

Am Samstag besuchte man die Gemeinden Carmen de Bolívar und Zambrano, mit dem Kommunikationskollektiv der Region Montes de María Línea 21 zu sprechen und das Museum „Museo Itinerante de la Memoria y la Identidad de los Montes de María “El Mochuelo” (MIM)“ (Wandermuseum für Erinnerung und Identität der Region Montes de María) zu besuchen.

 

Montag, 26. Februar

Zurück in Bogotá, traf man sich mit der Direktorin der Abteilung Registrierung und Informationsmanagement der Opfereinheit UARIV, Nathalia Romero. Nach der Präsentation der Arbeit der Organisation, der inneren Aufteilung und der Finanzierung, war das Hauptthema das Opferregister (RUV), die Probleme bei der Systematisierung und der Methodologie, um zu definieren, wer als Opfer gilt und damit Anspruch auf soziale und finanzielle Vorteile hat. Auch sprach man über Ausgleichzahlungen und den Prozess des Staates, das Opfergesetz umzusetzen und die UARIV zu gründen.  

 

Bei einem Besuch der GIZ, erklärte die Projektdirektorin, Anina Mathis die deutsche Kooperation in Kolumbien und deren Einfluss auf den Friedensprozess, ebenso wie die finanzielle Unterstützung der GIZ für die Wahrheitskommission (CEV).

 

Es folgte eine Präsentation des Programms Propaz II, als Initiative der GIZ zur Konsolidierung des Friedens in Kolumbien. Wichtigstes Ziel der Initiative sei es, die Rechte der Opfer anzuerkennen und zu stärken, im Rahmen des Friedensabkommens von 2016.  

 

Beim  letzten Termin des Besuchs von Dr. Knabe referierte die Richterin der JEP, Dr. Julieta Lemaitre, über die “Archivos Vivos de la JEP” (Lebende Archive der JEP), dabei handelt es sich um ein pädagogisches Instrument, in dem detailliert die audiovisuellen Register der Anhörungen der wichtigsten Fälle aufgehoben werden. Sie erklärte, dass insgesamt 11 sogenannten „Makro-Fälle“ in der JEP existierten und wie die Gewaltverbrechen der Hauptschuldigen im bewaffneten Konflikt sanktioniert werden. Die Öffentlichkeit habe Zugang zu den Archiven der JEP und man bemühe sich, alle Archive zu digitalisieren und zu veröffentlichen.  

 

 

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