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Länderberichte

Regionalwahlen in Mexiko

Regierungspartei MORENA festigt ihre territoriale Präsenz

Die Regionalwahlen am 5. Juni 2022 haben die territoriale Macht der Regierungspartei MORENA und der Regierungskoalition „Juntos hacemos historia“ konsolidiert: mit dem Gewinn von vier der sechs zur Wahl stehenden Gouverneursposten sind sie der eindeutige Gewinner, allerdings hat auch die Oppositionskoalition „Va por México“ eine gewisse Widerstandsfähigkeit demonstriert, indem sie zwei Bundesstaaten für sich entscheiden konnte. Dennoch, mit nun 22 der insgesamt 32 mexikanischen Staaten hat sich MORENA endgültig als stärkste politische Kraft im Land etabliert und sich damit eine mehr als solide Ausgangslage für die die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 verschafft.

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Wahlkampf und Wahltag: Ein kurzer Überblick

Am Sonntag, dem 5. Juni fanden turnusgemäß in sechs mexikanischen Bundesstaaten Gouverneurswahlen statt: Aguascalientes, Durango, Hidalgo, Oaxaca, Quintana Roo und Tamaulipas. Von diesen sechs Bundesstaaten wurden Aguascalientes, Durango und Tamaulipas bis dahin von der PAN regiert, Hidalgo und Oaxaca von der PRI und Quintana Roo von einer PRD/PAN-Koalition. Die Ausgangslage vor der Wahl war von daher eindeutig:

Für die von Präsident Andrés Manuel Lopez Obrador (AMLO) gegründete Regierungspartei MORENA (Movimiento de Regeneración Nacional), die PT (Partido del Trabajo) und die PVEM (Partido Verde Ecologista de México) in der „Juntos Hacemos Historia“ (JHH)-Koalition gab es viel zu gewinnen und nichts zu verlieren. Die Oppositionsparteien PAN (Partido Acción Nacional), PRI (Partido Revolucionario Institucional) und PRD (Partido de la Revolución Democrática) und ihr Koalitionsbündnis unter dem Namen „Va por México “(VXM) hingegen standen vor der enormen Herausforderung, entgegen des nationalen Trends und der Dominanz von MORENA auf nationaler Ebene, ihren territorialen Einfluss zu verteidigen.   Die seit 2018 kontinuierlich wachsende und relativ junge Oppositionspartei Movimiento Ciudadano (MC) hat es bei diesen Wahlen wieder vorgezogen, sich keinem Bündnis anzuschließen, sondern eigenständig anzutreten.

Die Wahlkampagnen fanden offiziell vom 3. April bis 1. Juni 2022 statt. Neben den jeweiligen lokalen und regionalen Besonderheiten sind zwei weitere Aspekte hervorzuheben: Einige Kandidaten haben bereits begonnen, sich parteiintern für die Präsidentschaftswahlen 2024 zu positionieren und nutzten die Gouverneurswahlen daher auch, um ihren regionalen Bekanntheitsgrad zu erweitern. Besonders auffallend war dies bei MORENA durch Außenminister Marcelo Ebrard, die Regierungschefin der Hauptstadt Ciudad de Mexico, Claudia Scheinbaum und den Fraktionsvorsitzenden von MORENA, Ricardo Monreal. Verstärkt wurde dies durch die offenkundigen (und gegen mexikanisches Wahlrechts verstoßende) Auftritte prominenter nationaler Regierungsvertreter in diesem Wahlkampf, allen voran Innenminister Adan Augusto López Hernández, aber auch Staatspräsident AMLO selbst.

Außerdem wurden zwar ausnahmsweise während der Kampagnenzeit keine Morde an Kandidaten registriert, dennoch konnten vereinzelte Gewalttaten registriert werden. Diese Tatsache hebt einmal mehr das ständige Klima der Unsicherheit hervor, in der öffentliche Angestellte, Sicherheitskräfte und Politiker in Mexiko leben. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang die beträchtliche Zunahme von gegenseitigen Anschuldigungen zwischen den verschiedenen politischen Parteien wegen Einmischung der organisierten Kriminalität in den Wahlprozess besorgniserregend.

Der Wahltag selbst verlief ohne größere Vorfälle. Trotz der ernüchternden Wahlbeteiligung, die in keinem der Staaten 55% überschritten hat und in Oaxaca sogar die niedrigste Rate mit knappen 39% verzeichnet hat, verliefen die Wahlen im Vergleich zu vorherigen Jahren relativ ruhig – mit nur vereinzelten Zwischenfällen. Dank des einmal mehr professionellen und überzeugendenden Engagements des Nationalen Wahlinstitut Instituto Nacional Electoral (INE) wurden insgesamt etwas mehr als 20.000 und damit nahe 100% der Wahllokale in den sechs Bundesstaaten bereitgestellt. Lediglich in Oaxaca konnten einige Wahllokale aufgrund der mangelnden Unterstützung beim Wiederaufbau im Zuge des jüngsten Hurrikans „Agatha“ nicht rechtzeitig eröffnet werden.


Die wichtigsten Ergebnisse des 5. Juni 2022

Nach Schließung der Wahllokale um 18:00 Uhr und den ersten eingehenden Auszählungen beeilten sich die verschiedenen Parteivorsitzenden sowie die Kandidaten, sich alle selbst vorschnell und ohne verlässliche Hochrechnungen zu Siegern zu erklären und den jeweiligen politischen Gegnern Verstöße gegen die demokratischen Spielregeln vorzuwerfen (Klientelismus, Kauf von Stimmen, ec.).

Verlässlichkeit und Eindeutigkeit der Ergebnisse lieferte erst das Nationale Wahlinstitut mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Schnellauszählung, die angesichts der Eindeutigkeit in fünf der sechs Bundesstaaten wenig Spielraum für Spekulationen über Wahlsieger und –verlierer ließ und die Prognosen im Vorfeld der Wahlen weitestgehend bestätigte:

In Aguascalientes gewann Teresa Jiménez (PAN) mit 53,76% der Stimmen vor der MORENA -Kandidatin Nora Ruvalcva mit 34,4%.

Im Bundesstaat Hidalgo gewann Julio Ramón Menchaca von der JHH-Allianz mehr als eindeutig mit 61,56% der Stimmen gegenüber Carolina Viggiano (PAN) mit 31,35% und bestätigte damit ebenfalls die Vorhersagen. Auch die Prognosen in Oaxaca lagen mit dem Sieg von Salomón Jara von der JHH-Allianz mit 59,7% der Stimmen richtig. Hier trat die Opposition auf Grund mangelnden Konsenses getrennt an, mit dem ernüchternden Ergebnis von 24,2% für den PRI/PRD Kandidaten und mageren 3,9% für die PAN-Kandidatin.

In Quintana Roo ging die Kandidatin Mara Lezama vom Bündnis JHH mit
56,7/% der Stimmen als klare Siegerin hervor und distanzierte die PAN/PRI/PRD Kandidatin Laura Fernandez mit lediglich 16,4% ebenfalls deutlich.

Im Bundesstaat Tamaulipas begünstigte das Ergebnis ebenfalls das JHH-Bündnis mit dem Sieg von Américo Villarreal mit 51,1% der Stimmen, allerdings war hier der Abstand zum PAN Kandidaten Julio Verástegui mit 43,25% wesentlich knapper.

Eine gewisse Überraschung hingegen war Durango. Hier hatten die Prognosen ein sehr knappes Ergebnis vorhergesehen, insofern war der letztlich eindeutige Wahlsieg des VXM Koalitionskandidaten Esteban Villegas (PRI) mit 53,7% vor Marina Vitela (MORENA) mit 39,3% sehr eindeutig.


Als Fazit kann vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse festgestellt werden:

  • Die Regierungskoalition konnte mit der eindeutigen Führung von MORENA der Opposition vier weitere Bundesstaaten abjagen und regiert nun in 22 der insgesamt 32 mexikanischen Bundesstaaten. Damit konnte die territoriale Vorherrschaft eindeutig ausgebaut werden. Zur Erinnerung: Vor 2018 war MORENA politisch de facto inexistent und regierte in keinem einzigen Bundesstaat.  2021 hatten sie allerdings bereits 17 Gouverneursämter erobert, in denen etwas mehr als 58 Millionen Mexikaner leben. Im Nachgang der Wahlen 2022 regiert MORENA nun in 22 Bundesstaaten (welche rund 58% des BIP ausmachen) und avanciert somit zur politischen Kraft, die nun den Alltag und das Schicksal von fast 72 Millionen Menschen regieren wird, was knappen 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Mexikos entspricht.
  • Die Oppositionskoalition schaffte es in fünf der sechs Bundesstaaten die schon im Parlament demonstrierte Einigkeit aufrechtzuerhalten und mit gemeinsamen Kandidaten anzutreten (Ausnahme Oaxaca). Immerhin gelang es so, zwei der sechs Gouverneursposten zu halten, jeweils einmal mit einem PAN- und einem PRI-Kandidaten.
  • Für die PRI gab es schmerzhafte Verluste (Hochburg Hidalgo, wo die PRI seit 93 Jahren ununterbrochen regierte, aber auch Oaxaca), dafür konnte sich der eigene Spitzenkandidat (mit tatkräftiger Unterstützung der PAN) in Durango durchsetzen und leitet die Geschicke in nur noch 3 Staaten, von denen zwei 2023 erneuert werden (Estado de México und Coahuila).
  • Die PAN konnte erwartungsgemäß Aguascalientes halten, verlor aber Tamaulipas und letztlich auch die Führungsposition in Durango an den Koalitionspartner PRI und regiert momentan nur noch in 5 Staaten.
  • Die PRD nähert sich weiter der kompletten Bedeutungslosigkeit mit dem Verlust in Quintana Roo an.
  • Für Movimiento Ciudadano, in 2021 noch einer der großen Gewinner, waren diese Gouverneurswahlen eine sehr ernüchternde Erfahrung mit Ergebnissen zwischen 3% und 7%, lediglich in Quintana Roo mit 13% etwas signifikanter. Das getrennte Antreten hat sich diesmal also ganz klar nicht ausgezahlt.
  • Zwei weitere Bundesstaaten werden nun von Frauen in der Spitzenposition (Aguascalientes und Quintana Roo) regiert.
  • Das INE hat einmal mehr, trotz massiver Anfeindungen und Anschuldigungen von Regierungsseite im Vorfeld, seine Professionalität und Seriosität unter Beweis gestellt: die rasche Auszahlung und der tadellose Wahlverlauf unterstreichen dies.

 

Ausblick: Der Weg nach 2024

Nach den Wahlen vom 5. Juni 2022 richtet sich nun der (politische) Blick eindeutig auf die Präsidentschaftswahlen 2024. Zwar stehen 2023 noch zwei weitere Gouverneurswahlen an (Coahuila und Estado de México), die allerdings nach aktuellen Prognosen auch aller Voraussicht nach zu Gunsten von MORENA ausgehen dürften.

Das sind denkbar günstige Ausgangsvoraussetzungen für die von MORENA angeführte und dominierte Regierungskoalition, deren größte Herausforderung die Bestimmung eines Präsidentschaftskandidaten sein dürfte. Die diesbezügliche Debatte hat deutlich an Fahrt aufgenommen mit entsprechend intensiven Auseinandersetzungen zwischen den schon erwähnten „frontrunnern“ Scheinbaum, Ebrard und Monreal und der großen Unbekannten, wem AMLO in alter PRI-Manier seinen „Segen“ (dedazo) erteilen wird.

Auf Seiten der Oppositionsparteien ist zwar nach wie vor eine im mexikanischen Kontext bemerkenswerte Einigkeit zu verzeichnen, diese wird aber bei den Gouverneurswahlen im Estado de México 2023 und bei der Definition der eigenen Präsidentschaftskandidatur (spätestens Ende 2023) auf eine harte Probe gestellt werden. Und selbst wenn diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden sollten, zeigen die aktuellen Umfragen einen signifikanten quantitativen und qualitativen Unterschied zwischen Regierung und Opposition: MORENA liegt in diesen Umfragen 2:1 vor der gebündelten Opposition und PRI (von Kritikern als „korrupt“ bewertet) sowie PAN (von Kritikern als „elitär“ betrachtet) haben signifikante Imageprobleme.
Wenn die Opposition es tatsächlich schaffen will, eine wettbewerbsfähige Option für 2024 zu sein, ist eine (selbst)kritische Analyse der jeweils eigenen Performance, die Vor- und Nachteile der Koalition und eine entsprechende Anpassung der Wahlkampfstrategie notwendig. Dabei wird es nicht ausreichen, eine simple „Anti-AMLO“-Option darstellen zu wollen. Erforderlich ist ein Konzept, um zu einer glaubwürdigen Alternative zu werden, die mit überzeugenden Vorschlägen, klaren Positionen und zukunftsträchtigen Ideen für das Land antritt.

In diesem Kontext kommt auch Movimiento Ciudadano ins Spiel, die entscheiden müssen, ob sie weiter allein marschieren und sich als flexibler Mehrheitsbeschaffer andienen oder sich formal der Opposition anschließen wollen.

Die aktuelle Regierungspolitik liefert ausreichend Ansatzpunkte für konstruktive Kritik und alternative Vorschläge (Energie, innere Sicherheit, Korruption, soziale Fragen, internationale Beziehungen), mittels derer sich diese Opposition profilieren und positionieren könnte.

Ansonsten stehen Mexiko mindestens weitere sechs Jahre MORENA und „Cuarta Transformación (4T) bevor.

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