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Schweinegrippe trifft Mexiko hart

von Frank Priess
Ein Land im Ausnahmezustand: die Auswirkungen des Ausbruchs der Schweinegrippe haben das öffentliche Leben in Mexiko nachhaltig getroffen. Nachdem mittlerweile über 150 Todesfälle gemeldet sind – allerdings wurde bisher nur in rund 30 der Schweinegrippevirus nachgewiesen – und die Weltgesundheitsorganisation die Alarmstufe auf das Niveau 4 (von 6; gestiegene Gefahr einer Pandemie und nachgewiesener Übertragungsweg von Mensch zu Mensch) erhöht hat, verändern die ergriffenen Maßnahmen die Lebensumstände der Mexikaner.

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Während in der Hauptstadt bereits am Freitag dem 24. April Schulen, Kindergärten und Universitäten geschlossen wurden, trifft dies seit vergangenem Montag das ganze Land und insgesamt 34 Millionen Schüler und Studenten. Parallel bleiben mittlerweile auch Kinos, viele Restaurants und Einkaufszentren geschlossen, Fußballspiele fanden am Wochenende in Mexiko-Stadt und dem umliegenden Bundesstaat meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Veranstaltungen, die größeren Publikumsandrang versprachen, fielen ebenso aus wie die sonntäglichen Gottesdienste in zahlreichen Kirchen. Botschaften wie die der Vereinigten Staaten setzten ihre Visavergabe aus, die sonst täglich zu langen Schlangen vor dem Gebäude führt, Kanada tat es dem Nachbarn gleich, weitere diplomatische Vertretungen folgten.

Weitgehend normal verläuft bisher der Arbeitsalltag in Behörden und Betrieben, auch wenn die zahlreichen Menschen mit Mundschutz für „Klinikatmosphäre“ sorgen. Zu Änderungen dürfte es nachhaltig erst kommen, sollte der öffentliche Nahverkehr, zum Beispiel das U-Bahn oder Bussystem beeinträchtigt oder stillgelegt werden. Die mexikanische Regierung hat die Unternehmen gebeten, nicht zuletzt bei den Arbeitnehmern großzügig über Fehlzeiten hinweg zu sehen, die jetzt z.B. aus Gründen der Kinderbetreuung eingeschränkt mobil sind. Aus Angst, weitere Geschäfte könnten geschlossen werden, sind mancherorts Hamsterkäufe zu beobachten.

Keine Impfmöglichkeiten

Besorgnis löst unter der Bevölkerung vor allem aus, das für dieses neuartige Virus, einer Mischung aus Schweine-, Vogel- und Humangrippekomponenten, bisher keine Impfmöglichkeiten vorliegen und die Entwicklung einer solchen Impfung nach Angaben von Pharmaexperten mindestens sechs Monate in Anspruch nehmen soll. In Mexiko kommt hinzu – vor diesem Hintergrund sind auch die aktuellen Todeszahlen zu sehen – dass der Frühling ohnehin mit der Grippesaison zusammenfällt und niedrige allgemeine Hygienestandards Ausbreitungen begünstigen. Gerade die Hauptstadt ist zudem von einem am Ende der Trockenzeit typischen Wassermangel betroffen. Allerdings scheint die neue Grippeform nicht nur die bekannten Risikogruppen von Kindern und älteren Menschen zu erfassen, sondern gerade auch die 20- bis 50jährigen.

Reisewarnungen

Mittlerweile wird zudem über den Ausbruch der Epidemie spekuliert. Erste Fälle sollen bereits im September des vergangenen Jahres in Texas und später in Kalifornien aufgetreten sein, auch die mexikanische Gemeinde Perote im Bundesstaat Veracruz soll bereits im März mit der Epidemie verbundene Todesfälle aufgewiesen haben. Politisch diskutiert wird dabei – wie bei solchen Anlässen üblich – auch die Frage, ob Regierung und Behörden rechtzeitig und angemessen auf die Krise reagiert haben.

Zahlreiche Länder, auch europäische, warnen ihre Staatsbürger mittlerweile vor Reisen nach Mexiko und fordern dazu auf, solche nur auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Fluglinien ermöglichen es Mexiko-Reisenden, ihre Flugbuchungen unproblematisch zu stornieren oder zu verändern, manche Reiseveranstalter meiden mittlerweile mindestens die mexikanische Hauptstadt. Weniger betroffen scheint die Halbinsel Yucatan mit ihrem Ferienzentrum Cancún, traditionell erster Anlaufpunkt für Mexikourlauber.

An den mexikanischen Flughäfen wurden den Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Mobile Ärzteteams nehmen etwa am Flughafen „Benito Juarez“ der Hauptstadt bei abreisenden Personen stichprobenartige Kontrollen vor, das Personal der Fluglinien verteilt Fragebögen zu möglichen Krankheitssymptomen. Ein Schließen der Grenzen wird derzeit nicht in Erwägung gezogen und von der Weltgesundheitsorganisation auch nicht empfohlen Ohnehin dürfte es schwierig sein, hier hundertprozentige Wirksamkeit zu entfalten: zu eng sind die Verbindungen, gerade zum Nachbarland USA, in die täglich hunderttausende von Mexikanern über die Landgrenze einreisen.

Und dazu noch ein Erdbeben

Eine Schrecksekunde erlebten viele Mexikaner am Montag dem 27. April um 11.46 Uhr Ortszeit: da wackelte, ausgehend vom rund 250 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Bundesstaat Guerrero, die Erde. 5,7 auf der Richterskala wurde als Stärke gemessen. Viele Hauptstädter, die noch das verheerende Erdbeben des Jahres 1985 in Erinnerung haben, verließen Häuser und Büros und warteten auf der Straße auf zum Glück ausgebliebene Nachbeben. „Auch das noch“, war vielfach als Kommentar zu hören.

Das Beben forderte offenbar im Bundesstaat Guerrero selbst zwei Todesopfer, in der Hauptstadt blieb es bei geringem Sachschaden an wenigen Gebäuden.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Unmittelbar auf die Schweinegrippe reagierten der mexikanische Peso und die Börse Mexikos: ersterer verlor gegenüber dem US-Dollar unmittelbar an Wert und steht jetzt bei etwa 14:1, nachdem noch Ende der vergangenen Woche lediglich rund 13 Pesos für einen Dollar aufgewendet werden mussten. Mit deutlichen Verlusten ging der mexikanische Börsenindex aus dem Markt. Die Befürchtung: die ohnehin angeschlagene Wirtschaft könnte unter den Auswirkungen der Epidemie erheblich leiden, nicht nur im Bereich des Tourismus.

Die Krise kommt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, Krisensymptome der Wirtschaft finden alltäglich Niederschlag in den Medien. Ausgangspunkt sind dabei u.a. Analysen der ersten Monate des Jahres 2009, die die Negativerwartungen für die mexikanische Wirtschaft weiter nach unten korrigieren. So geht etwa die Scotiabank jetzt von einem Negativwachstum von 4,5 Prozent aus (vorher: 3,1 Prozent). Das Finanzministerium bleibt derzeit noch bei seiner Erwartung von minus zwei Prozent.

Die Supermarktumsätze erreichten derweil den niedrigsten Stand seit 12 Jahren, dramatisch geht die Industrieproduktion zurück. Als Reaktion senkte die Bank von Mexiko senkte jetzt die Leitzinsen um weitere 0,75 Basispunkte auf sechs Prozent.

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3. April 2009
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